Institutional Money, Ausgabe 4 | 2020

generieren, muss dies aber mangels aus- reichender Gewinne über höhere Schulden finanzieren – sofern das aufgenommene Fremdkapital nicht bereits schon zur Auf- rechterhaltung des operativen Betriebs ver- wendet werden muss. Schwieriges Umfeld Eine zunehmende Zombifizierung der Wirtschaft ist nicht die alleinige Schuld der einzelnen Unterneh- menslenker, sondern hat auch exo- gene Ursachen. Einerseits fällt es den von einer staatlichen Büro- kratie gegängelten und hoch be- steuerten Unternehmen gerade in einem Umfeld immer niedrigeren Wirtschaftswachstums schwer, pro- fitabel zu bleiben. Hinzu kommt der technologische Wandel, der zur Disruption bewährter Geschäftsmodelle führt – beispielsweise die Substitution von hochpreisigen Lexika in Buchform durch das Internet und dort durch die kostenlose Online-Enzyklopädie Wikipedia. Gerade dieser Trend in Richtung digitaler Ge- schäftsmodelle wird derzeit durch die Pan- demie und „Social Distancing“ noch einmal beschleunigt. Superspreader Die nach dem Pandemieausbruch zahlrei- chen gewährten Hilfen seitens des Staates, aber auch die Darlehensprolongierung sei- tens der Gläubiger sind zwar gut gemeint und auf kurze Sicht zum Durchtauchen der „Corona-Rezession“ wohl auch ge- rechtfertigt, führen aber auf längere Sicht zu neuen Risiken und Folge- problemen. Eines dieser Probleme ist die Ansteckung finanziell gesunder Unternehmen. Das bestätigt auch das NBER in seiner Studie „Zombie Credit and (Dis-)Inflation: Evidence from Europe“ vom Mai dieses Jah- res: In Branchen mit vielen Zombies und entsprechend hohem Wettbe- werbsdruck steigt die Wahrschein- lichkeit, dass über kurz oder lang auch die gesunden Unternehmen zu Zombies mutieren. Für Patrik-Lud- wig Hantzsch, Leiter der Wirt- schaftsforschung bei Creditreform, sind Zombie-Unternehmen – wie er gegenüber der „Wirtschaftswoche“ erklärte – in Anlehnung an die derzeitige Virusepidemie sogar „Spreader“, die durch ihre Geschäftsaktivitäten nicht nur die Mit- bewerber in ihrer eigenen Branche, sondern auch ihre Kreditgeber und Lieferanten infi- zieren. Der Not gehorchend stürzen sich die um Liquidität kämpfenden Zombies in rui- nöse Preisschlachten und/oder bezahlen die Rechnungen ihrer Lieferanten nicht oder zu spät. Wenn dann der Zombie aufgrund der Konkursverschleppung mangels Masse überhaupt nicht mehr sanierbar ist und die Warenkredite gewährenden Lieferanten ganz leer ausgehen, drohen Zweitrunden- effekte. Damit ist gemeint, dass die bis dato noch gesunden, nunmehr aber von Forde- rungsausfällen betroffenen „infizierten“ Lie- feranten im Extremfall ebenfalls überschul- det oder gar zahlungsunfähig werden. Aus diesem Grund trauen sich die Unternehmer im Vergleich zu den Vorjahren derzeit gegenseitig weniger über den Weg und wer- den vorsichtiger bei der Gewährung von Lieferantenkrediten oder Vorauszahlungen. Das ist eine Situation, vergleichbar mit dem Misstrauen der Großbanken untereinander am Höhepunkt der Finanzkrise 2008, die damals fast zu einem Systemzusammen- bruch führte. Von Zombies hält auch Jens Erhardt wenig: Das Am-Leben-Erhalten von Zom- bie-Unternehmen verhindere oder bremse nicht nur die Inflation, es schade auch der Gewinnentwicklung der gesunden Unter- nehmen und damit deren Investitionsbereit- schaft, meint der Vermögensverwalter. Die derzeitige Neigung der politischen Verant- wortlichen, zur Rettung von Arbeitsplätzen über staatliche Finanzspritzen und gewährte Garantien auch finanziell angeschlagene Unternehmen mitzuschleppen, setzt die Schumpeter’sche (kreative) Zerstörung zu- mindest temporär außer Kraft und verhin- dert eine dynamische Weiterentwicklung der Realwirtschaft. „Wir sollten keine Firmen retten wie klassische Einzelhändler, die bereits vor der Krise schrumpften. Dies schafft nur Zombies und begrenzt am Ende Dynamik und Wachstum“, mahnte der Wirt- schaftsnobelpreisträger Joseph E. Stiglitz jüngst in einem Artikel. Fast noch strenger äußerte sich ex-ifo-Instituts-Präsident Hans- Werner Sinn in einem „Handelsblatt“-Inter- view. Vor dem Hintergrund, dass der Staat mangels Möglichkeit zur genauen Differenzierung nicht nur gesunde, sondern auch totgeweihte Unter- nehmen subventioniert, die diese Gelder nicht verdienten, sagte Sinn: „Inzwischen hat der Staat des Guten zu viel getan. Das viele Geld veran- lasst viele Unternehmen und Fir- men, sich erst einmal auszuruhen, anstatt um die Kunden zu kämpfen. Joseph Schumpeters ,Reinigungs- krise‘ findet nicht statt.“ Ursächliches Problem Auch wenn der Pandemieaus- bruch viele gesunde Unternehmen innerhalb kürzester Zeit „zombifi- » Zombie-Unternehmen schaden der Gewinnentwicklung gesunder Unternehmen und damit deren Investitionsbereitschaft. « Dr. Jens Erhardt, DJE Kapital Sorge vor Zombies Zombifizierung beschäftigt Investoren Bezüglich der oben angeführten Frage zeigte sich die Hälfte der Teilnehmer an der Onlineumfrage von Institutional Money sehr besorgt. Gelassener sehen das 15,4 Prozent der Befragten, „keine Sorgen“ machen sich 11,5 Prozent. 23,1 Prozent haben sich mit dem Thema noch nicht auseinandergesetzt. Quelle: Institutional Money Online, Umfragezeitraum: September/Oktober 2020 Große Sorgen | 50,0 % 15,4 % Wenig Sorgen 11,5 % Keine Sorgen Damit noch nicht beschäftigt | 23,1 % Eine Zombifizierung der Wirtschaft durch zu niedrige Zinsen macht mir auf lange Sicht … 106 N o. 4/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : GE LDPOL I T I K FOTO : © A X E L GAUB E , MA R L ENE F RÖH L I CH, GOR AN ANDR I C

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