Institutional Money, Ausgabe 3 | 2020

P t (n ) entspricht dem Future-Preis im n- ten Jahr zum Zeitpunkt t . Der Term im Zähler des Bruchs entspricht der erwarteten Divi- dende in n Jahren zum gegenwärtigen Zeit- punkt. µ t (n ) gibt die kumulierte Diskontie- rungsrate zum Zeitpunkt t an. Sie verfeinern das Modell, indem sie den für die jeweili- gen Prognosejahre angenommenen risiko- freien Zinssatz und das erwartete Dividen- denrisiko einbeziehen. Aus diesem Futures-Ansatz leiten die Autoren nun die Dividendenerwartungen des Marktes ab. Sie sehen sich dabei so- wohl die Eurozone in Form der Euro Stoxx 50 also auch die USA in Gestalt des S&P 500 an, analysieren vornehmlich die untere Bandbreite der Erwartungen und verglei- chen die Ergebnisse mit den Vorkommnis- sen im Jahr 2008. Erwartungshaltung Die Autoren haben die Erwartungen da- bei für verschiedene Tage des Krisenver- laufs untersucht. Das ist anekdotisch inter- essant, als diese Erwartungen schön wider- spiegeln, wie die immer gravierender wer- denden Meldungen in den Markt gesickert sind und dort ihre Wirkung entfaltet haben: So sacken die Erwartungen für den Euro Stoxx am 5. März für das kommende Jahr zwar auf minus zehn Prozent ab, halten sich dort aber bis ins beobachtete siebente Jahr relativ konstant. Zwei Wochen später bricht die Dividen- denprognose für den Index auf minus 50 Prozent ein, um sich auf Siebenjahressicht auf minus 30 Prozent zu ver- bessern. Per 12. Mai, als es Zei- chen für eine Entspannung der Lage gab, verflacht die Nega- tivkurve ein wenig (siehe Chart „Geringe Erwartungshal- tung“) , wobei diese „Verfla- chung“ sehr relativ verstanden werden muss, wie Gormsen erklärt: „Per 12. Mai waren die Erwartungen am unteren Ende so tief, wenn nicht tiefer als während des November 2008, als sich gerade die Große Finanzkrise entwickelte.“ Treffsicherheit Tatsächlich scheint die Her- angehensweise, in der ein ma- thematisch verfeinerter rollierender Divi- denden-Future zur Prognose der Auszahlun- gen verwendet wird, ziemlich erfolgverspre- chend zu sein. Wir erinnern uns: Die Janus- Henderson-Daten weisen für das zweite Halbjahr für Europa ohne UK ein Minus von 44,5 Prozent aus. Langfristige Erholung Die untere Bandbreite der Future-Progno- se, die auch als „pessimistisch“ interpretiert werden kann, streift für die ersten zwölf Monate nahe an den minus 40 Prozent. Der Unterschied zu den bislang tatsächlich ein- getretenen Werten ist gering – deckungs- gleich sollten die Daten ohnehin nicht sein, da die Regionen zwar ähnlich, aber nicht ident sind. Wenn das Prognosemodell von Gormsen und Koijen also zuverlässig ist, muss man damit rechnen, dass es in den kommenden sieben Jahren zwar zu einer leichten Erholung bei den Dividenden kom- men wird, man muss bezüglich der Prä- Pandemie-Niveaus aber von immer noch deutlichen Abschlägen zwischen minus 20 und 25 Prozent ausgehen – zumindest gilt das für die Europa-Prognose, wie der be- reits erwähnte Vergleich mit der Great Financial Crisis und ihren Auswirkungen schließen lässt: Denn das untere Band der GFC-Erwartungen landet zurückgerechnet nach sechs Jahren treffsicher auf den tat- sächlichen Dividendenabschlägen von 40 Prozent im Vergleich zu den Präkrisen- niveaus. Für den S&P 500 ist die Methode weniger treffsicher: Während das untere Erwartungsband rückgerechnet nach sechs Jahren von minus 25 Prozent ausgeht, hat- ten die US-Dividenden zu jenem Zeitpunkt – also 2014 – bereits wieder ihr Vorkrisen- niveau erreicht. Dass der Verlauf der erwar- teten Dividendenkürzungen im aktuellen Krisenszenario etwas milder sein dürfte als während der GFC, ist nur moderat tröstlich und darf wohl unter dem Schlagwort „Cho- lera statt Pest“ zusammengefasst werden. Cholera statt Pest Letzten Endes scheint für Investoren kein Weg daran vorbeizuführen, dass man sich für die kommenden fünf Jahre auf geringere Dividendenaus- schüttungen einstellen muss. Wirklich langfristig orientierte Investoren sollten sich laut Guinness aber trotzdem nicht von einer Dividendenstrategie abhalten lassen und allfällige günstige Einstiegsgelegenheiten nutzen, da der Anteil, den die Dividende amAktienertrag hat, doch jährlich zunimmt und nach spätestens 20 Jahren deut- lich über 50 Prozent liegt. Dieser Aspekt sollte auf lange Sicht im Auge behalten werden und könnte im institutionellen Bereich als Argument im Ge- spräch mit nervösen Stakehol- dern dienen. HANS WEITMAYR Auf lange Sicht schlägt Dividende Kurs Der Ertragsbeitrag im S&P 500 durchgerechnet von 1941 bis 2019 Je länger ein Investor den S&P 500 hält, desto größer ist der Gewinnbeitrag der Dividende zum Gesamtertrag des Engagements. Nach 20 Jahren liegt er deutlich über 50 Prozent. Quelle: Guinness AM 0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % 20 Jahre rollierend 10 Jahre rollierend 5 Jahre rollierend 1 Jahre rollierend 1 Jahr rollierend 73 % 64 % 60 % 53 % 43 % 27 % 36 % 40 % 47 % 57 % Kurs Dividende » Per 12. Mai waren die Erwartungen am unteren Ende so tief, wenn nicht tiefer als während des November 2008. « Niels Gormsen, University of Chicago, Booth School of Business 98 N o. 3/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : D I V I DENDEN

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