Institutional Money, Ausgabe 3 | 2020

D ass Kapitalmarktforscher so schnell auf aktuelle Entwick- lungen reagieren, kommt eher selten vor. Kerstin Lo- patta, Kenji Alexander, Laura Gastone und Thomas Tammen untersuchten eine Stich- probe von 300 Geschäftsberichten von Unternehmen aus zehn Ländern darauf, wie sich deren Reporting-Praxis auf Aktienkurs und Risiko auswirkte. Ver- blüffend ist an der Arbeit der Hambur- ger Forscher, dass Berichte berücksich- tigt wurden, die bis 4. Mai dieses Jahres publiziert wurden, somit konnten die Corona-Pandemie und der Umgang der Unternehmen damit bereits darin ent- halten sein. Die Studie untersucht, wie schnell Informationen über aktuelle Events – und eine Pandemie zählt nun einmal dazu – Eingang in den Geschäftsbericht finden und dazu beitragen, kurzfristige Reaktionen am Aktienmarkt seit Februar 2020 zu erklä- ren. Zahlt es sich für Firmen aus, eine Füh- rungsrolle im Krisenmanagement zu über- nehmen, indem man im Jahresreport berich- tet, wie man in der Krise handelt und welche potenziellen Auswirkungen sie auf das Business des Unterneh- mens haben wird? Im Speziellen war das Quartett daran interessiert zu un- tersuchen, wie die Firmenberichte über die Coronakrise und deren Im- plikationen auf den Geschäftsbetrieb dazu beitragen, kurzfristige Aktien- kursentwicklungen zu erklären. Zur Erinnerung: Die ersten dokumentier- ten Fälle traten im Dezember 2019 auf, der große Ausbruch erfolgte dann in den ersten drei Monaten 2020. Das stellt eine hervorragende Opportunität dar, um zu analysieren, wie schnell Firmen auf neue, unerwartete Ereig- nisse wie dieses reagieren. Da Fir- men, deren Geschäftsjahr mit dem Jahresultimo zu Ende geht, üblicher- weise in den ersten drei bis vier Mo- naten ihren Geschäftsbericht vorlegen, konnten die Kapitalmarktforscher der Uni- versität Hamburg direkt überprüfen, in wel- chem Ausmaß sich Unternehmen dafür ent- schieden, Informationen über das Virus und seine Auswirkungen in den Jahresbericht aufzunehmen. Das ist von großer Wichtig- keit, da solche Ereignisse eine hohe Wahr- scheinlichkeit besitzen, die zuvor kommuni- zierten Geschäftsaussichten für das neue Fi- nanzjahr zu beeinflussen. Die Entscheidung, über Corona-Folgen zu berichten oder das zu unterlassen, beeinflusst die Glaubwür- digkeit, Zuverlässigkeit und die Brauchbar- keit der zur Verfügung gestellten Informa- tion und damit in weiterer Folge die Erwar- tungen der Investoren. Auf zwei Aspekte der Aktienkursbewegungen fokussierten sich Lopatta, Alexander, Gastone und Tam- men: Änderungen im Aktienkurs und das Aktienrisiko nach der Veröffentlichung der Geschäftsberichte für 2019, die zumindest teilweise die Reaktion des Kapitalmarktes auf die neue Informationslage einfangen. Zwei Ansätze Die erste Hypothese lautet: Firmen, die in ihrem Geschäftsbericht 2019 bereits die mit der Coronakrise einhergehen- den vermuteten Auswirkungen auf ihr Geschäft aufnehmen und Risikobe- trachtungen anstellen, demonstrieren damit, dass sie über ein erfolgreiches Frühwarn- und Risikoerkennungssys- tem verfügen, sodass sie bedeutende Informationen zur Geschäftsentwick- lung unter diesen Prämissen kommu- nizieren können. Zu solchen Firmen zählen die Autoren speziell jene Unter- nehmen, die schon über die Corona- Auswirkungen in ihren Geschäftsbe- richten schrieben, bevor die Pandemie durch die WHO am 11. März 2020 offiziell ausgerufen wurde. Denn diese Firmen können mit Fug und Recht als Leader bei der frühzeitigen Risiko- erkennung bezeichnet werden. Dies könnte zu einer verbesserten Risiko- Wie börsennotierte Unternehmen in ihren bis 4. Mai 2020 publizierten Geschäftsberichten mit den Corona-Risiken umgehen, wirkt sich auf Performance und Risiko ihrer Aktien aus. FOTO : © UN I HAMBURG, AMNA J | S TOCK . ADOB E . COM » Corona-Input im Geschäftsbericht 2019 vor dem 11. März 2020 wird vom Markt offensichtlich belohnt. « Dr. Kerstin Lopatta, Professorin für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hamburg Corona, Reporting und Performance Stichprobenverteilung 325 handverlesene Firmen aus zehn Staaten bilden das Sample. Anzahl Land Index der Firmen Australien S&P/ASX 20 20 Brasilien BOVESPA 30 China SSE 50 50 Frankreich CAC 40 40 Deutschland DAX 30 Italien FTSE MIB 40 Spanien IBEX 35 35 Schweiz SPE 20 20 Großbritannien FTSE 100 30 USA Dow Jones Ind. Average 30 Mithilfe von Texterkennungsprogrammen wurde in den Geschäfts- berichten 2019, die bis Anfang Mai 2020 veröffentlicht wurden, nach den Begriffen „Corona“ beziehungsweise „COVID19“ gesucht. Quelle: Studie 80 N o. 3/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : CORONA - R I S I K EN

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