Institutional Money, Ausgabe 3 | 2020

matisierung in der Industrie und im Medizinbereich. Nehmen Sie das Beispiel einer kleineren Kli- nik, die einen Computertomogra- fen, aber keinen Spezialisten für das relevante kardiologische Pro- blem hat. Der sitzt im Deutschen Herzzentrum in München. Wenn Sie den Spezialisten dort als Konsiliararzt hinzuziehen wollen, brauchen Sie für die Bildübertra- gung 5G. Hohe Datenraten und Bewegtbilder, etwa vom schla- genden Herzen, sind nur mit 5G realisierbar. Viele Investoren überlegen, wie es nach dem Corona-Schock weiter geht mit ihren Portfolios. Welche Branchen haben die besten Zu- kunftsaussichten? Es gibt Branchen, die unter Corona Aufwind hatten, zum Bei- spiel bestimmte Bereiche der Unterhal- tungsbranche oder der Versandhandel. Langfristig sehe ich mehr Chancen in wis- sensbasierten Branchen, weil man sich hier stärker differenzieren kann. Die Bereiche mit dem größten Potenzial sehe ich im medizinischen, biotechnologischen und ge- netischen Bereich. Gerade Biotechnik und Gentechnologie spielen weit in den Bereich Umwelt und Recycling hinein. Bei der Bio- technik sitzen die führenden Unternehmen in den USA, aber einige haben wir auch in Deutschland. Das hängt mit Regularien zusammen, die bestimmte Verfahren in Deutschland nicht zulassen. In den Berei- chen Pharmaindustrie, Arzneimittel, Medi- zinprodukte haben wir einige sehr starke Firmen in Europa, darunter auch in Deutschland. Die halte ich für interessant. Sie sprachen eingangs über den Wettbewerb zwischen den USA, China und Europa. In welcher Region würden Sie investieren? Von der Seite der Informationsqualität be- trachtet sind die USA weit vorn. Das Land hat eine unglaubliche Informations- und Be- richtsdichte. Sie müssen diese Daten dann natürlich professionell auswerten und sich überlegen, wie die einzelnen Botschaften von den anderen Börsenteilnehmern wahr- genommen werden. Nur wenn ein Ereignis nachhaltig negativ auf die Entwicklung eines Unternehmens wirkt, sollte man raus- gehen. Ansonsten würde man sich ja nur von kurzfristigen Ängsten treiben lassen, und Angst ist an der Börse ein schlechter Ratgeber. Ich persönlich investiere nicht in Fonds oder ETFs, sondern konkret in aus- gewählte Einzelaktien, mit denen ich mich dann aber auch regelmäßig befasse. In Deutschland und Europa habe ich es leicht, aber auch in US-amerikanische Unterneh- men kann man gut hineinschauen. China ist hingegen schwieriger. Dort ist die Informa- tionstiefe ist nicht so hoch und der Infor- mationsgrad nicht so genau. Wie beurteilen Sie den amerikanisch-chine- sischen Wirtschaftsstreit? Trump und Xi Jinping haben die nächste Runde ihres Streits angeschoben. Wie sich das entwickeln wird, ist schon ein Risiko. Trump ist so unstet – heute macht er dies, morgen das. Die Chinesen haben ein ande- res Vorgehen, und Xi Jinping ist viel intel- lektueller. Die Chinesen wollen die Ameri- kaner nicht nur erreichen, sondern überho- len. Sie haben beim Thema KI signalisiert, dass sie hier die ganze Welt überholen wol- len. Ob in China aber das Geld pro inves- tiertem Dollar besser investiert ist als bei- spielsweise in den USA oder in Deutsch- land, wage ich trotzdem zu bezweifeln. Ge- rade in Hongkong betreiben die Chinesen ein gefährliches Geschäft, über das die Weltgemeinschaft nicht so ohne Weiteres hinweggehen wird. Oder sehen Sie in Rich- tung südchinesisches Meer; dort haben die Chinesen mittlerweile 300 Militärnieder- lassungen geschaffen, teils auf natürlichen, teils auf künstlichen Inseln. Damit wollen sie die Japaner reizen – und natürlich auch die Amerikaner. Wenn es dort zu einem nennenswerten militärischen Risiko käme, würde ich mich auf jeden Fall teilweise aus den Börsen zurückziehen. Kann Europa oder gar Deutschland gegen die Amerikaner oder China bestehen? Sehen Sie: China schafft um sich herum eine Insel. Das chinesische Internet ist ein Intranet; da darf keine Information rein, aber jede Information raus. Huawei will im Ausland verkaufen, aber wir dürfen dort nichts verkaufen. Das sind Disparitäten, und an diesen Themen müssen wir arbeiten. Wir müssen von den Chinesen und den Ameri- kanern Symmetrie einfordern, auch wenn wir es aus einer Position heraus tun müssen, die nicht die stärkste ist. Stark können wir nur durch den europäischen Verbund sein. Wenn wir den europäischen Zusammenhalt nicht hinbekommen, sieht es schlecht aus. Zentrifugalkräfte gibt es in Europa genug. Deutschland, Frankreich und Polen müssen Europa zusammenhalten! Polen ist übrigens bevölkerungsmäßig und intellektuell un- glaublich stark! Das wird oft nicht so wahr- genommen. Wir danken für das Gespräch. ANKE DEMBOWSKI A L L E F OTO S : © S E B A S T I A N W I DMA NN » Wir brauchen ein bisschen Optimismus, dass man die Dinge durch Technik auch wieder in den Griff bekommt. « Prof. Dr.-Ing. Kai Lucks, Honorarprofessor für M&A und geschäftsführender Gesellschafter des MMI Merger Management Instituts 70 N o. 3/2020 | www.institutional-money.com THEOR I E & PRA X I S : KA I LUCKS | MERGER MANAGEMENT INS T I TUT

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