Institutional Money, Ausgabe 3 | 2020

sierung vergleicht, kommt man zwischen den USA, China und Deutschland zum Ver- hältnis 16 zu 4 zu 1. Wir sind hier also relativ klein. Oder nehmen Sie den Bereich Onlinehandel und setzen Amazon ins Verhältnis zur Otto-Gruppe und Zalando, den beiden führenden Unternehmen aus Deutschland: Da sind die Gewichtsverhält- nisse von 100 zu 1! Amazon verdichtet seine Logistikzentren zunehmend. Durch immer differenziertere Analysen über das Käufer- verhalten können sie Bestellungen gut anti- zipieren und entsprechend ihre Ware verla- gern. Dadurch können sie teilweise schon innerhalb von zwei Stunden liefern. Sie ha- ben also bereits einen enormen Vorsprung! Was können, was sollten wir in Europa tun? Die Big-Five-Amerikaner – also Apple, Google, Microsoft, Amazon und Netflix – zeichnen sich dadurch aus, dass sie bis heu- te ihre Start-up-Kultur erhalten haben. Mit einer unglaublichen Nervosität und Agilität suchen sie ständig neue Geschäftsmodelle. So kommt es, dass Firmen wie Google, die vor allem eine Datenbank-Company ist, immer weiter in die Technik hineingehen, sodass Google Weltmarktführer im autono- men Fahren wurde. Die Deutschen bleiben hingegen bei ihrem angestammten Ge- schäft. Zalando oder die Otto-Gruppe sind reine Händler und gehen auch nicht in neue Geschäftsbereiche, beispielsweise nicht in das Automobil- oder in das KI-Geschäft. Die Amerikaner machen das hingegen sehr systematisch. Woher nehmen amerikanische Unternehmen ihre Agilität? Das rührt daher, dass sie Ökosysteme nut- zen. Amazon ist ja zweigeteilt. Ein Teil ver- kauft Ware auf direktem Weg, der andere stellt eine Plattform bereit, auf der allein in Deutschland rund 50.000 Händler ihre Pro- dukte verkaufen können. Dadurch haben sie einen unglaublichen Hebel. Früher war man ja schon froh, Millionär zu werden. Heute hoffen junge Leute, dass sie innerhalb weni- ger Jahre zum Milliardär werden. Das funk- tioniert in Einzelfällen sogar, eben über die- se Hebelwirkung der Plattformen. Soweit zum Außendruck. Gibt es auch Gefahren für die europäische Wirtschaft, die von innen heraus lauern? Ja, das sind die Implosionskräfte, ich nenne es auch Selbstzerstörungskräfte. Hierzu zäh- len das Beharrungsvermögen in der alten Welt und die Pfründe. In unserem euro- päischen System müssen wir uns auf sehr vielen Ebenen austauschen und abstimmen. Deutschland ist Weltmarktführer bei Regu- larien. In den letzten drei bis fünf Jahren sind allein 6.000 Vorschriften zum Bau erlassen worden. Natürlich gibt es da auch überzogene Regularien! Und was ist mit dem Datenschutz? Sicherlich ist es richtig und auch notwendig, dass wir Datenschutz haben. Wir wollen ja nicht das amerikanische System, das ich als „Digitalkartell“ bezeichnen würde. Wenn ich bei Paypal eine Zahlung abwickle, dann sammelt das Unternehmen Daten, die weit über die reinen Transaktionsdaten hinaus- gehen, und gibt diese sofort an seine Kar- tellpartner weiter. Dadurch kommt es zu einer riesigen Datenmacht, denn Daten sind das Öl der Gegenwart. Mit Daten können Sie Unglaubliches machen. Es herrscht daher ein regelrechter Datenkrieg. » Die zentrale Idee in einem Konzern ist: Wie kann man einen diversifizierten Konzern in seiner Vielfalt so führen, dass er schnell und beweglich ist? « Prof. Dr.-Ing. Kai Lucks, Honorarprofessor für M&A und geschäftsführender Gesellschafter des MMI Merger Management Instituts A L L E F OTO S : © S E B A S T I A N W I DMA NN 64 N o. 3/2020 | www.institutional-money.com THEOR I E & PRA X I S : KA I LUCKS | MERGER MANAGEMENT INS T I TUT

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