Institutional Money, Ausgabe 3 | 2020

Erwartungen der vom ZEW befragten Fi- nanzmarktexperten hinsichtlich der konjunk- turellen Entwicklung verbessert, auch die Einschätzung der wirtschaftlichen Lage von Unternehmen in Deutschland ist zuletzt wie- der gestiegen. Und auch die Bundesregie- rung geht inzwischen nicht mehr von einem Rückgang der Konjunktur für das Gesamt- jahr von ursprünglich 6,3 Prozent, sondern nur noch von 5,8 Prozent aus. Im nächsten Jahr soll demnach das Wachstum um 4,4 Prozent zulegen, 2022 könnte dann das Vor- krisenniveau wieder erreicht werden. Inso- fern sind die Erwartungen der von uns be- fragten Experten schon ein recht guter Seis- mograf dafür, in welche Richtung sich die Konjunktur hierzulande entwickeln wird. Aber sind die Erwartungen da nicht ein wenig zu optimistisch, wenn man bedenkt, wie lang es in Branchen wie dem Touris- mus, der Gaststättenindustrie sowie der Hotellerie und dem Eventmanagement noch dauern wird, bis diese Unternehmen wieder auf einem Vorkrisenniveau sein werden? Achim Wambach: Bei den ZEW-Daten handelt es sich um den wahrscheinlichsten Pfad, den die Konjunktur nehmen wird, aber es ist natürlich nicht der einzig mögliche. Soll- te es zu der befürchteten zweiten Welle in Bezug auf das Infektionsgeschehen kom- men oder wenn der wirtschaftliche Ein- bruch in den USA oder auch in den euro- päischen Nachbarländern noch länger an- hält, dann werden auch wir als Exportwirt- schaft darunter leiden. Und natürlich stehen die von Ihnen genannten Branchen nicht gerade vor goldenen Zeiten, aber viele der Unternehmen haben gelernt, mit dem Virus umzugehen und sich darauf einzustellen, weil sie offensichtlich noch eine Weile damit werden leben müssen. Anlass zur Sorge geben offenbar nach wie vor die sehr schlechten Ertragserwartungen für Banken und Versicherer. Worauf müssen wir uns in diesem Bereich gefasst machen? Achim Wambach: Die befragten ZEW-Finanz- marktexperten sind tatsächlich weiterhin recht skeptisch für die Finanzbranche. Der nach wie vor schlechte Ausblick für den Bankensektor lässt eine steigende Zahl von Kreditausfällen im nächsten halben Jahr befürchten. Aus meinen Gesprächen mit Regulierern und Ministerien weiß ich, dass man für die Probleme durchaus sensibili- siert ist. Aber im Gegensatz zur Finanzkrise, durch die die Branche regelrecht ins Mark getroffen wurde, haben wir es diesmal mit einer Krise zu tun, die von der Realwirt- schaft ausgegangen ist. Insofern besteht die Hoffnung, dass wir diesmal mit einem blauen Auge davonkommen nach dem Motto: Je schneller die Realwirtschaft auf einen positiven Pfad zurückkehrt, umso geringer werden die Probleme im Finanz- marktbereich sein. Was bedeutet das in der Konsequenz für institutionelle Anleger wie Pensionskassen, Versicherungen und Stiftungen? Achim Wambach: Ich bin natürlich kein An- lageexperte, aber eines steht für mich fest: Die aktuellen Niedrigzinsen sind kein Über- gangsphänomen und werden uns noch sehr lang erhalten bleiben. Darauf muss man sich einstellen, bereits heute entstehen des- halb neue Produkte im Versicherungsbe- reich. Wenn sich der notwendige Zins nicht mehr erreichen lässt, muss folgerichtig mehr in die Realwirtschaft investiert wer- den, um höhere Renditen zu erzielen. Auch wenn das ein nur schleichender Prozess sein kann, weil dazu Gesetze geändert oder angepasst werden müssten: Unserer Volks- wirtschaft würde es insgesamt gut tun, wenn Pensionseinrichtungen und Versiche- rer stärker in Infrastruktur, den Aktienmarkt und Immobilien investieren würden. Wir danken für das Gespräch. HANS HEUSER » Bei den ZEW-Daten handelt es sich um den wahrscheinlichsten Pfad, den die Konjunktur nehmen wird, aber es ist natürlich nicht der einzig mögliche. « Achim Wambach, Präsident des ZEW A L L E F OTO S : © CH R I S TO P H H E MM E R I CH 48 N o. 3/2020 | www.institutional-money.com THEOR I E & PRA X I S : PROF. ACHIM WAMBACH | ZEW-PRÄS IDENT | MONOPOLKOMMI S S ION

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