Institutional Money, Ausgabe 3 | 2020

geldes, dessen Gewährung immer an bestimmte Auflagen gebunden ist, insofern behindert werden, als notwendige Restruk- turierungsmaßnahmen unterbleiben. Eine weitere Sorge kommt hinzu: Im kommen- den Jahr stehen die Bundestagswahlen an. Aus diesem Grund besteht die Gefahr, dass hier ein ausdrücklich zur Krisenhilfe ge- dachtes Instrument eventuell mit Wahlge- schenken vermischt wird. Das wäre keine gute Entwicklung. Auch weil mit der Verlängerung die Gefahr bestünde, dass damit Unternehmen am Leben erhalten werden, die eigentlich schon kurz vor der Pleite stehen? Achim Wambach: Bei dieser Frage sehe ich eher die Problematik in der beschlossenen Verlängerung zur Aussetzung der Insolvenz- antragspflicht bis Ende dieses Jahres. Da- runter leiden nicht nur Unternehmen, die kurz vor der Insolvenz stehen. Darunter leiden auch profitable Unternehmen, weil sie nicht wirklich abschätzen können, ob sie ihr Geschäftsmodell noch realistisch fort- setzen werden können. Inwiefern? Achim Wambach: Zunächst weil die Lieferan- ten wohl eher auf Vorkasse drängen und Kreditgeber skeptisch werden, wenn sie nicht wissen, ob das Unternehmen wirklich profitabel ist. Es gibt aber noch einen Wett- bewerbsgrund: Im Englischen gibt es den Begriff des „Gambling for Resurrection“, der sich übersetzten lässt mit einer Art Glücksspiel um den eigenen Wiederauf- stieg. Ein Unternehmen, das kurz vor der Insolvenz steht, geht unter Umständen be- wusst sehr hohe Risiken ein in der Hoff- nung, vielleicht doch noch eine Überlebens- chance zu haben. Das können zum Beispiel aggressive Preisangebote sein, unter denen dann nicht nur die gefährdeten Unterneh- men, sondern auch die eigentlich profita- blen Wettbewerber leiden. Nach den von Ihrem Institut monatlich erhobenenen ZEW-Konjunkturerwartungen zeigen sich die befragten Finanzmarkt- experten nach einem leichten Rückgang im Juli bereits zum zweiten Mal hintereinander optimistisch für die weitere Konjunkturent- wicklung. Ist die Hoffnung nicht inzwischen größer als die reale Lage? Achim Wambach: Man sollte natürlich nicht außer Acht lassen, dass wir es im zweiten Quartal mit dem schärfsten Konjunktur- einbruch der Nachkriegsgeschichte zu tun hatten. Aber zuletzt haben sich nicht nur die » Die aktuellen Niedrig- zinsen sind kein Über- gangsphänomen und werden uns noch sehr lang erhalten bleiben. « Achim Wambach, Präsident des ZEW Ausgewiesener Spezialist für Wettbewerbsrecht Achim Wambach ist seit April 2016 Präsi- dent des Zentrums für europäische Wirt- schaftsforschung (ZEW). Seit 2014 ist er Mit- glied der Monopolkommission, von 2016 bis September 2020 war er deren Vorsitzender. Von 2018 bis 2019 war Wambach Ko-Vorsitzen- der der Kommission „Wettbewerbsrecht 4.0“ des Bundeswirtschaftsministeriums. Er gehört außerdem dem Wissen- schaftlichen Beirat des Bundeswirt- schaftsministeriums an, dessen Vorsitz er von 2012 bis 2015 inne- hatte. Von 2015 bis 2018 war Wambach Mitglied des Lenkungs- kreises der Nationalen Platt- form Elektromobilität (NPE) der Bundesregierung sowie von 2017 bis 2018 Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats zur Weiterentwicklung des Risikostruk- turausgleichs beim Bundesversicherungsamt. Achim Wambach hat an der Universität Oxford in Physik promoviert, danach erwarb er einen Master of Science in Economics an der London School of Economics. Seine Habilitation in Volkswirtschafts- lehre schloss er an der Univer- sität München ab. Er war Pro- fessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Erlangen- Nürnberg, bevor er die Posi- tion als Direktor des Instituts für Wirtschaftspolitik (iwp) an der Universität Köln übernahm. A L L E F OTO S : © CH R I S TO P H H E MM E R I CH 46 N o. 3/2020 | www.institutional-money.com THEOR I E & PRA X I S : PROF. ACHIM WAMBACH | ZEW-PRÄS IDENT | MONOPOLKOMMI S S ION

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