Institutional Money, Ausgabe 3 | 2020

BR I E F DER HERAUSGEBER 4 N o. 3/2020 | www.institutional-money.com W ir stecken in einer Krise. Schon wieder. Die Akutmaßnahmen durch die Regierungen, un- terstützt von den Notenbanken, haben die von der Pandemie ausgelöste Problematik kurz- fristig entschärft, wir blicken aber einer „spannenden“ Grippe- saison entgegen. Derzeit kann noch niemand sagen, ob es zu neuerlichen Lockdown-Maßnahmen kommen wird, und selbst wenn das nicht passiert, sind die wirtschaftlichen Folgen der bereits hinter uns liegenden Ereignisse für das kommende Jahr und darüber hinaus nicht absehbar. Und als Teil der Finanzlandschaft muss man sich erneut Sorgen machen: Kommt es Anfang 2021 zu einer Pleitewelle? Und falls ja, werden die Banken ein Problem bekommen? Dass wir uns diese Sorgen regelmäßig machen, sollte uns eigentlich zu denken geben. Neel Kashkari sprach vor wenigen Wochen vor amerikanischen institutionel- len Anlegern anlässlich der Conference of Institutional Investors, und in dieser Rede stellte er eine Frage, die so naheliegend ist, dass sie viel zu selten auf- geworfen wird: Warum ist unser Finanzsystem so fragil, dass es alle paar Jahre „gerettet“ werden muss? Der Mann ist übrigens kein systemkritischer Blogger, sondern seit 2016 Präsident der Federal Reserve Bank Minneapolis (www.minneapolisfed.org) , Mitglied des Federal Reserve System und des Federal Open Market Committee. Davor arbeitete er auch im US-Finanzminis- terium und leitete das Troubled Assets Relief Program (TARP). Für Kashkari sind die Maßnahmen, mit denen man die Wider- standsfähigkeit des Bankensektors erhöhen wollte, nicht weit genug gegangen. Er erinnerte die Konferenzteilnehmer an das Jahr 2008 und dessen Auswirkungen auf die Pensionspläne, von denen sich viele trotz der Intervention der Regierung nie voll- ständig erholt haben. Die jüngsten Daten der Federal Reserve zeigten demnach, dass staatliche und kommunale Renten vor der Finanzkrise zu etwa 66 Prozent finanziert waren. In der Krise fiel dieser Anteil auf 48 Prozent, um sich imAnschluss nur auf rund 52 Prozent zu erholen. Das Problem besteht seiner Meinung also darin, dass die Grundarchitektur des Finanzsystems nicht verändert wurde. Dass die Reformen nicht weitreichend genug waren, sieht er in der Tatsache bestätigt, dass die zehn größten US-Banken heute rund 45 Prozent größer sind als 2008 und dass ihre Vermögenswerte von rund neun Billionen auf fast 13 Billionen US-Dollar angewachsen sind. Die Beschwerden dieser Banken, bereits überreguliert zu sein, weist der Noten- banker zurück. Untersuchungen seiner Institution hätten gezeigt, dass ihre Kapitalausstattung immer noch nicht hoch genug sei. Kashkari: „Diese Analyse zeigt deutlich, dass sich große Banken mit einem Eigenkapital von mindestens 24 Prozent der risiko- gewichteten Aktiva finanzieren sollten – gegenüber heute rund 13 Prozent.“ Auch das Argument, dass strengere Eigenkapital- regeln die Kreditvergabe stören würden, hält er für vorgeschoben: „Tatsächlich kauften die acht größten globalen Banken mit Hauptsitz in den Vereinigten Staaten allein im Jahr 2019 Aktien im Wert von mehr als 110 Milliarden Dollar zurück. Wenn Kapital die Kreditvergabe einschränkte, warum kauften sie dann ihre Aktien zurück?“ Dass er dieses Thema ausgerechnet vor professionellen Großan- legern zur Diskussion stellte, war natürlich kein Zufall. Kashkari lud die Konferenzbesucher ein, ihren Einfluss – der angesichts der Billionen US- Dollar, die sie treuhänderisch verwalten, beträchtlich ist – geltend zu machen: „Ich plä- diere dafür, dass Sie dieses Thema in den Vordergrund Ihrer Agenda stellen, weil nach wie vor große, inak- zeptable Risiken bestehen und Sie in einer einzigartigen Position sind, um Verände- rungen voranzutreiben. Ihre Mitglieder und alle Ameri- kaner haben etwas Besseres verdient als das Finanzsys- tem, das wir heute haben.“ Kashkari sprach vor Amerikanern für Amerika, aber daran dass auch in Europa in dieser Hinsicht Handlungsbedarf besteht, gibt es wohl wenig Zweifel. Wir hoffen, dass Sie sowohl von den gesundheitlichen als auch von den ökonomischen Auswirkungen der Pandemie verschont wurden, und würden uns freuen, Sie im Mai am Institutional Money Kongress 2021 begrüßen zu dürfen. Appell an die institutionellen Anleger Gerhard Führing Mamdouh El-Morsi Gerhard Führing Mamdouh El-Morsi

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