Institutional Money, Ausgabe 3 | 2020

S T E U E R & R E C H T : VAR I AB L E VE RGÜTUNGEN IM VE R S I CHE RUNGS S E K TOR 266 N o. 3/2020 | www.institutional-money.com D ass variable Vergütungsbestand- teile in der Finanzbranche das Geschäft beeinflussen, zeigte die Finanzkrise 2007/08. Bonusvereinbarungen incentivierten die Mitarbeiter teilweise, höhere Risiken einzugehen, als eigentlich angemessen waren. Führten die eingegan- gen Risiken zu höheren Gewinnen, profi- tierte der Mitarbeiter über seinen Bonus; wurden die Risiken hingegen schlagend, gingen die Verluste zulasten anderer. Nachhaltige Vergütungssysteme Im Zuge der Aufarbeitung der Finanz- krise wurde erkannt, dass unter anderem die Vergütungsstrukturen im Finanzsektor zu deren Entstehung beigetragen haben. Be- mängelt wurden dabei die teilweise sehr hohen variablen Vergütungsanteile und die fehlende Berücksichtigung eingegangener Risiken. „Da Erfolge zwar belohnt, Miss- erfolge jedoch nur eingeschränkt abgebildet wurden, haben diese Systeme insgesamt in Fehlanreizen zum Eingehen unverhältnis- mäßig hoher Risiken gemündet“, sagt Andreas Meier, Senior Manager für Board Services & Compensation beim Beratungs- unternehmen Kienbaum Consultants Inter- national. Opinion der EIOPA Entsprechend hat die EIOPA am 7. April 2020 eine „Opinion“ zu einzelnen Aspekten der Vorgaben veröffentlicht, die auf variable Vergütungsbestandteile im europaweiten Versicherungssektor anzuwenden sind. „Die EIOPA möchte mit ihrer Opinion eine ein- heitliche Auslegung und eine einheitliche Umsetzung von Vergütungsgrundsätzen för- dern“, erklärt Meier. Es sei zu erwarten, dass die BaFin die Inhalte der Opinion in weiten Teilen umsetzen wird. „Hierbei sind zwar grundlegende Änderungen zu erwar- ten, jedoch keine Zäsur“, so Meier. Betroffen sind Vergü- tungsvereinbarungen von Vorständen, Aufsichtsräten, Personen, die das Unterneh- men tatsächlich leiten, und sogenannten Risikoträgern. „Versicherungen müssen ih- re Risikoträger anhand allge- meiner Kriterien identifizie- ren. In der Praxis sind dies in Deutschland oftmals Mit- arbeiter der einzurichtenden Schlüsselfunktionen Com- pliance, Risikocontrolling, in- terne Revision und Versiche- rungsmathematik, vereinzelt aber auch aus dem Bereich Kapitalanlage“, so Meier. Wichtigster Teil der EIOPA-Opinion ist, dass fixer und variabler Vergütungsbestand- teil das Verhältnis 1:1 nicht überschreiten sollen. „Von derart hohen Bonusvereinba- rungen sind wir in der Versicherungsbran- che sehr weit entfernt“, sagt ein leitender Mitarbeiter einer deutschen Versicherung, der nicht genannt werden möchte. Meier gibt ihm recht: „Im Vergleich zu anderen Bereichen der Finanzbranche sind variable Vergütungen in der Versicherungswirtschaft moderat dimensioniert. Selbst auf Vor- standsebene sehen wir im nicht börsen- notierten Branchenumfeld bereits heute meist ein Verhältnis von fixen und variablen Vergütungsbestandteilen, die den Vorgaben der Opinion entsprechen“, macht Meier deutlich. Langfristorientierung Wie hoch die Gehälter in der Branche und deren Aufteilung im Schnitt sind, lässt sich nicht so einfach sagen. „Das richtet sich nach den Aufgaben und Leistungen der Funktion, der Vergütungspolitik und nach der Größe des jeweiligen Unternehmens“, so Meier. Die EIOPA fordert, dass die Vergütung auf die langfristige Entwicklung des Unter- nehmens auszurichten ist, und sieht allzu kurzfristige Incentives kritisch. „Zum einen sollen neben finanziellen auch nicht finan- zielle Parameter wie Kundenzu- friedenheit oder Nachhaltigkeits- kriterien bei der Leistungsbewer- tung herangezogen werden. Zum anderen soll ein Teil der varia- blen Vergütung nicht sofort, son- dern zeitlich verzögert ausbe- zahlt werden“, erklärt Meier. Des Weiteren diskutiert die EIOPA in ihrer Opinion Malus- und Clawback-Vereinbarungen, also inwiefern die variable Ver- gütung auch gekürzt werden kann. Ein großer Punkt sind auch Abfindungszahlungen. Prozess geht weiter Man kann davon ausgehen, dass der Prozess der Vergütungsregulierung weiter läuft, und zwar in allen Bereichen des Finanzsektors: Banken, Versicherungen, Asset Manager, Pensionsfonds und andere Finanzdienstleister. „Bisher haben die ge- setzlichen Regelungen die Banken wohl am schärfsten getroffen“, meint Meier. In eini- gen Ländern – Frankreich und Großbritan- nien – belegte man nach der Finanzkrise die hohen Bonuszahlungen sogar mit einer Extrasteuer, um sie für die Unternehmen unattraktiver zu machen. Für Versicherungen enthält bereits das seit Januar 2016 geltende Solvency-II-Re- gelwerk Passagen über die Vergütungsstruk- turen. Dort heißt es unter anderem, dass ein wesentlicher Teil der variablen Vergütung nur mit zeitlicher Verzögerung ausgezahlt werden darf. In Deutschland wurde nach der Finanzkrise auch der Corporate Gover- nance Kodex (DCGK) angepasst, der aber eher generell gehaltene Anregungen für variable Vergütungen enthält und alle bör- sennotierten Unternehmen betrifft. Im We- sentlichen gelten für Versicherungen Artikel 275 der Delegierten Verordnung und unter- geordnet noch die Versicherungsvergü- tungsverordnung. ANKE DEMBOWSKI FOTO : © K I ENB AUM CONS. Andreas Meier, Senior Manager, Board Services & Compensation, Kienbaum Con- sultants International, München: „Die variablen Vergütungsbe- standteile sind in der Versiche- rungswirtschaft vergleichsweise moderat dimensioniert.“ Lang fristige Perspektive EIOPA: Regelungen bezüglich der variablen Vergütungen im Versicherungsbereich sollen die langfristige Stabilität der Branche stärken.

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