Institutional Money, Ausgabe 3 | 2020

Bedarf Liquidität einzuhauchen. Dann erge- ben sich Discounts zum Nettoinventarwert (NAV). Genau das beobachtete Duncan Lamont, Head of Research and Analytics bei Schro- ders, im März 2020: „Die Anteile aller gro- ßen Renten-ETFs wurden mit überraschend hohen Abschlägen auf ihren Nettoinventar- wert (NAV) gehandelt.“ Lamont schreibt, dass die Discounts bei ETFs auf Corporate Bonds 5,0 Prozent betrugen, auf Leveraged Loans 3,8 Prozent, auf Emerging Market Debt 4,8 Prozent und auf Treasuries 5,0 Prozent. Das sollte eigentlich nicht passieren und unterstreicht deutlich, dass kein liquider Handel in den Underlyings stattfand. Run on the Fund Den Regulatoren sind Liquiditätseng- pässe bei Fonds schon länger ein Dorn im Auge. Die Problematik liegt dabei übrigens gar nicht darin, dass Investoren im Pro- blemfall ein paar Tage oder Wochen warten müssen, bis sie an ihr Geld kommen. Das ist ein wohlbekanntes, aber akzeptiertes und auch akzeptables Phänomen in Assetklassen, die grundsätzlich eine geringe Liquidität aufweisen. Problematisch werden Liquidi- tätsengpässe bei Fonds aber dann, wenn sie dem First Mover einen Vorteil gewähren und die im Fonds verbleibenden Anleger Nachteile erleiden. Ist die Existenz eines First-Mover-Vorteils erst einmal im Markt bekannt, kann es zu einem sogenannten „Run on the Fund“ kommen, weil mehr Anleger als eigentlich aus der Markterfor- dernis heraus ihre Anteile zurückgeben wol- len, was den Fonds dann erst recht zum Kollabieren bringt. Zusammenbrechende Fonds lassen nicht nur einen Finanzmarkt instabil erscheinen, sondern sie können für weitere Unruhe in ganzen Assetklassen-Be- reichen sorgen; das will man vermeiden. Außerdem spielen Anlegerschutzüberle- gungen eine Rolle: Benachteiligt sind die im Fonds verbleibenden Anleger, also aus- gerechnet diejenigen, die nicht Verursacher der Mittelabflüsse sind, sondern die Füße still halten. Sie tragen die expliziten und impliziten Transaktionskosten im Fonds mit. Den durch die Transaktionskosten ver- ursachten Verwässerungseffekt (Dilution Effect) will man vermeiden oder zumindest reduzieren. In den USA, der Schweiz, Luxemburg und Irland hat man schon länger mit liqui- ditätssteuernden Maßnahmen reagiert. Das Instrument des Swing Pricing wenden eini- ge Fondsgesellschaften dort bereits seit 2005 an. Laut einer von Deloitte durchge- führten Marktstudie der Jahresabschlüsse der 100 größten luxemburgischen Fonds mit Geschäftsjahresende 2018 wenden rund 50 Prozent davon Swing Pricing an; inzwi- schen dürften es mehr sein. In Deutschland wollte man von liquidi- tätssteuernden Maßnahmen offenbar lange nichts wissen. Seit 2017 setzt sich auch der deutsche Fondsverband BVI aktiv dafür ein. „In Krisenzeiten mit volatilen Marktphasen ist ein gutes Liquiditätsmanagement der Fonds das A und O. Die Portfoliomanager müssen in der Lage sein, die Rückgabe von Anteilen angemessen steuern zu können, um die im Fonds verbleibenden Anleger zu schützen und den Markt zu schonen. Wir haben uns deshalb schon vor der Corona- krise dafür eingesetzt, den Werkzeugkasten für die Steuerung von Liquiditätsengpässen zu erweitern“, sagt ein BVI-Sprecher. „Bei liquiditätssteuernden Maßnahmen geht es um den Schutz der Anleger, indem die Widerstandsfähigkeit der Finanzmärkte ge- stärkt wird. Außerdem will man systemi- sche Risiken reduzieren und den Standort Deutschland im Wettbewerb stärken“, er- klärt René Rumpelt, Partner beim Prüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte, der mit seinem Kollegen Christian Schießl ein Whitepaper zum Thema verfasst hat. Da- rüber hinaus fragen Großkunden verstärkt nach. „Unsere institutionellen Kunden stellen in letzter Zeit vermehrt detaillierte Fragen nach der Liquidität der Fonds“, be- obachtet Georg Neubauer, Geschäftsführer des Haftungsdachs CapSolutions. Von außen betrachtet sieht es beinahe so aus, als hätte man in Deutschland erst auf Druck durch diverse internationale und europäische Regulatoren reagiert. Im Februar 2018 veröffentlichte die Internationale Or- ganisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) „Good Practices“-Empfehlungen für die Verbesserung der Liquiditätsrisiken beim Management von offenen Investment- fonds. Im April 2018 gab dann der Euro- pean Systemic Risk Board (ESRB) seine FOTO : © H&A » Auch die Verwahrstellen müssen techni- sche Lösungen schaffen, um die entspre- chenden Tools abbilden zu können. « Anja Schlick, Head of Relationship Management Financial Assets bei Hauck & Aufhäuser Toolbox zum Management von Liquiditätsrisiken Deutsche Kapitalverwaltungsgesellschaften sollen jetzt aus drei liquiditätssteuernden Maßnahmen auswählen. Swing Pricing: Mit diesem Instrument kann der Netto- inventarwert eines Fonds angepasst werden. Der Preis wird nach oben oder nach unten korrigiert, je nachdem, ob es an einem Bewertungstag mehr Anteilskäufe oder -rück- gaben gibt. Damit sollen die Transaktionskosten innerhalb des Fonds verursachergerecht belastet werden. Dieses Instrument ist für die KVGen am aufwendigsten zu imple- mentieren. Rücknahmefristen (Redemption Notices): Bei diesem Instrument muss der Ausstieg aus einem Fonds mit einer bestimmten Frist im Voraus angekündigt werden (in Deutschland von bis zu einem Monat). Die Maßnahme dient einer besseren Steuerung der Liquidität im Fonds. Ein ähnliches Tool, allerdings mit längeren Fristen, ist seit Sommer 2013 bei den deutschen offenen Immobilienfonds verpflichtend im Einsatz und hat sich dort bewährt. Rücknahmebeschränkungen (Redemption Gates): Hier werden Anteilsrücknahmen kurzfristig ausgesetzt oder beschränkt. Die Beschränkungen greifen, sobald die von Anlegern gewünschten Rückgaben einen bestimmten Schwellenwert erreichen. Dadurch sollen übermäßige Abflüsse aus einem Fonds gebremst werden, um keine Notverkäufe im Portfolio tätigen zu müssen. Das Interesse der Gesamtheit der Anleger steht hier im Vordergrund. Die Beschränkung darf maximal 15 Arbeitstage andauern. 256 N o. 3/2020 | www.institutional-money.com S T E U E R & R E C H T : L I QU I D I T Ä T

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