Institutional Money, Ausgabe 3 | 2020

Teilbeständen ist nur eine kleine Baustelle in der bAV. Die Größte ist der niedrige Zins.“ Generationenungerechtigkeit Er wirkt fast traurig, wenn er über den Niedrigzins spricht. Als Mathematiker kann er das Ausmaß – auch auf die Gesellschaft – überblicken. Thurnes hat Wirtschaftsma- thematik an der Universität Ulm und ange- wandte Mathematik an der University of Southern California in Los Angeles studiert. Er argumentiert: „Unsystematische Risiken sind schützbar. Alle fangen den einen, der strauchelt. So funktionieren beispielsweise Protektor oder Soka Bau.“ Beim niedrigen Zins handle es sich aber um ein systemi- sches Risiko. „Da müssen wir überlegen, ob wir das aushalten oder ob das vor dem Hintergrund der Generationengerechtigkeit nicht untragbar ist.“ Besitzstandsdenken sei das. „Den jüngeren Tarifgenerationen sagen wir: Ihr habt zwar keinen Garantiezins mehr, aber dafür bekommt ihr mehr Über- schüsse. Von wegen! Die bekommen keine Überschüsse, solange die alten Garantien nicht bedient sind!“ Die Lebensversicherer sagten zwar, dass sie nicht über die Gene- rationen quersubventionieren. Das möge sein, aber er wisse nicht, wie die das machen, und vor allen Dingen, ob viele das auch in fünf Jahren noch können. Er ver- weist auf das Buch „Methusalem-Kom- plott“ von Frank Schirrmacher. „Da ist was dran! Wenn die junge Generation erst mal an den Hebeln der Macht ist, dann glaube ich nicht, dass die uns davonkommen lassen mit unseren fetten Renten und unserem Wohlstand!“ Das sei nicht nur eine Sache der bAV, sondern die Problematik stelle sich in der ersten und zweiten Säule grundsätz- lich genauso dar. „Jetzt sollen die Jungen auch noch die ganzen Corona-Schulden bezahlen … Das wird nicht funktionieren“, meint er. Die einzige Lö- sung sei die Aufgabe der strengen Besitzstandsrege- lungen und eine gewisse Umverteilung. „Ich gehöre dann auch zu denen, die etwas abgeben müssen.“ Er zuckt mit den Schul- tern. „Aber anders geht es nun mal nicht.“ bAV-Wunsch Neben der Beseitigung der Generationenunge- rechtigkeit ist sein zweiter großer Wunsch in der bAV, dass möglichst schnell Sozialpartnermo- delle aufgelegt werden. „Wenn das nicht geht, würde ich mir wünschen, dass der Gesetzgeber reine Beitragszusagen auf be- trieblicher Ebene zulässt“, so Thurnes. „Dann könnte man sehen, wie das funktioniert, und die Berührungsängste der anderen mit Beitrags- zusagen würden vielleicht auch weggehen.“ Weil es keinen sicheren Zins mehr gebe, ginge Sparen nur noch mit deutlich mutige- ren Anlageformen als in der Vergangenheit. Die Abschaffung von Garantien in der Altersvorsorge ist daher alternativlos, argu- mentiert er. „Mich wundert es manchmal, dass die Sozialpartner das teilweise anders sehen“, so Thurnes. Auch die langfristige Verbesserung der Lebenserwartung koste Rendite. „Etwa 0,4 bis 0,5 Prozent pro Jahr“, stellt er nüchtern FOTO : © WOL F HE I DE R- S AWA L L Geradliniger Werdegang Dr. Georg Thurnes ist verheiratet und hat 3 Kinder. • Leistungskurse Mathematik und Politik • Berufswunsch früher: 1. Musiklehrer, 2. Beamter bei der Deutschen Bundesbank • Banklehre bei der Landesbank Saarbrücken • Studium der Wirtschaftsmathematik an der Universität Ulm • Studium der angewandten Mathematik und Teaching Assistant an der University of Southern California, Los Angeles • Promotionsthema: Expertensystemgestützte Aktienanalyse (KI) • August 1990: Beginn der Berufstätigkeit als Versicherungsmathematischer Sachverständiger bei Wyatt Bode Grabner GmbH • Bis August 2020: Chefaktuar von AON Deutschland und Mitglied der Geschäftsleitung • Ab September 2020: Arbeit in der neu gegründeten ThurnesbAV GmbH VERBANDSTÄTIGKEIT • Seit 2019: Vorstandsvorsitzender der Arbeitsgemein- schaft für betriebliche Altersversorgung e. V. (aba) • Seit 2008 Vorstandsmitglied des Instituts der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung (IVS) • Mitglied im Fachausschuss Altersvorsorge der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) • Mitglied in der Aktuarvereinigung Österreich (AVÖ) • Mitglied im Fachbeirat der BaFin » Unsystematische Risiken sind schützbar. Alle fangen den einen, der strauchelt. Beim niedrigen Zins handelt es sich aber um ein syste- misches Risiko. « Dr. Georg Thurnes, bAV-Berater und Aktuar, ThurnesbAV GmbH 250 N o. 3/2020 | www.institutional-money.com S T E U E R & R E C H T : POR T RÄ T VON DR . GEORG THURNE S | THURNE S BAV

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