Institutional Money, Ausgabe 3 | 2020

S ieht man sich die Liste der Unternehmen an, für die Georg Thurnes in den letzten 30 Jah- ren tätig war, könnte man ver- muten, dass er ein Job-Hopper ist. Wahr ist jedoch das Gegenteil, der Chefaktuar von AON in München arbeitet seit mehr als 30 Jahren im selben Betrieb. Nicht er hat die Arbeitgeber gewechselt, sondern das Unter- nehmen, in dem er im August 1990 anfing (Wyatt Bode Grabner GmbH), hatte seitdem mehrere Eigentümer und Namen. Seit 2019 ist Thurnes auch im Vorstand der Arbeits- gemeinschaft für betriebliche Altersver- sorgung, bei der er das Amt des Vor- sitzenden von Heribert Karch übernahm. Dieser Funktion will er auch noch länger treu bleiben, seinen bisherigen Arbeitgeber verlässt er hingegen demnächst. Im Herbst dieses Jahres startet er die jüngst gegründete ThurnesbAV GmbH. „Ich werde für ein- zelne Pensionskassen weiter den verant- wortlichen Aktuar darstellen. Außerdem verfolge ich meine ehrenamtlichen Tätig- keiten weiter“, verrät er im Gespräch. Die bedeuten ihm viel, obwohl er bestätigt, dass sie zeitraubend sind: „Jemand muss ja diese Dinge tun. Nicht jeder kann alles, aber jeder sollte alles tun, was er kann“, sagt er und wirkt dabei pflichtbewusst. Auf den Hinweis, dass man es als Presse selten mit 60-jährigen Jungunternehmern zu tun hat, meint er schlagfertig: „Wir Aktuare wissen ja: Je älter man wird, desto älter wird man! Wenn man geboren wird, hat man heute eine Lebenserwar- tung von 84 Jahren. Hat man es aber schon zu einem gewissen Alter gebracht, wird man älter als die Le- benserwartung zu Beginn.“ Bedingte Wahrscheinlichkeiten seien das. Dass er sich Ende August von AON ver- abschieden wird, begründet der bAV-Profi so: „Die Mühle wurde mir zu viel. Ich habe unter Alfred Gohdes in einem Unternehmen mit nur drei Mitarbeitern angefangen, und jetzt …“, schüttelt er den Kopf, „ich mag es lieber klein.“ Die bAV habe sich gewandelt. „Großkunden wie Bayer, BASF, Hoechst haben früher die Versicherungsmathematik selbst erledigt. Mein damaliger Chef Herr Bode hätte sich damals gar nicht die Rech- ner leisten können, um nach dem Einzel- bewertungsgrundsatz Hunderttausende von Mitarbeitern zu rechnen. Wir Ak- tuare wurden nur zum Prüfen und Testieren hinzugeholt.“ Es sei dann in den 90er-Jahren zu einer regel- rechten Ausgliederungswelle ge- kommen, durch die das Berech- nen der Pensionsrückstellungen an Spezialisten wie AON ausgelagert wurde, sodass immer mehr Mitar- beiter angeheuert wurden. Jetzt in einem Unternehmen mit mehreren hundert Mitarbeitern zu arbeiten, ist nicht sein Ding. Also nimmt er sei- nen Hut, und zwar so, wie man es von ihm erwartet hätte: geordnet und mit langfristiger Ankündigung. Dr. Georg Thurnes ist seit 30 Jahren in der betrieblichen Altersvorsorge tätig. Bis August 2020 war er Chefaktuar von AON Deutschland und Mitglied der Geschäftsleitung, in Zukunft wird er sein Know-how in der von ihm gegründeten ThurnesbAV GmbH weitergeben. FOTO : © WOL F HE I DE R- S AWA L L Gegen Solvency II durch die Hintertür Dr. Georg Thurnes frei assoziierend zu … … Familie – ganz wichtig. Ist für mich eine Art Freundeskreis. … Gesellschaftliches Engagement – ebenfalls wichtig. Man muss aufpassen, dass es einen nicht frisst! … Zuverlässigkeit – Es ist mein höchstes Ziel, dass möglichst wenige sagen können, sie hätten sich nicht auf mich verlassen können. … Betriebliche Altersvorsorge – nach wie vor die effizienteste Art, Alters- vorsorge zu betreiben. … Rentenproblematik – Die Generatio- nengerechtigkeit ist eines der größten Probleme, das wir lösen müssen. Dazu müssen wir weg vom herkömmlichen Besitzstandsdenken. … Pensionssicherungsverein – eine gute Sache. Es wird spannend zu be- obachten sein, ob die jetzt getroffene Regelung ausreicht. Außerdem sind viele administrative Fragen zu klären. … EbAV-Regulierung – Wir wollen nicht, dass für uns durch die Hintertür faktisch doch Solvency II eingeführt wird! Im Moment läuft es nicht schlecht. Die BaFin hört unsere Kritik und hilft, die von uns gewünschte Mindestregulierung durchzusetzen. … Garantien in der bAV – Nach vorn betrachtet müssen sie weg! Das Pro- blem der Altbestände mit Garantien müssen wir irgendwie bewältigen. … Europäische Einheitlichkeit und Konvergenz – Ich liebe es, ins euro- päische Ausland zu fahren und mit dem Euro bezahlen zu können. Wenn man sich aber überlegt, dass für ein paar Menschen, die tatsächlich grenz- überschreitend arbeiten, ein Großteil unserer Regulierung gemacht wird, halte ich das für unverhältnismäßig. Das Forscher-Projekt leuchtet mir ein, aber ansonsten sehen die meisten Menschen ihre Arbeitsumgebung doch eher zu Hause. … Nachhaltigkeit in der Kapital- anlage – Zuerst müssen die Renten bezahlt werden. Im zweiten Schritt kann man sich um die Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage kümmern. » Das Matching der Aktiv- und der Passivseite war 1992 mein Entrée in die bAV. « Dr. Georg Thurnes, bAV-Berater und Aktuar, ThurnesbAV GmbH 248 N o. 3/2020 | www.institutional-money.com S T E U E R & R E C H T : POR T RÄ T VON DR . GEORG THURNE S | THURNE S BAV

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