Institutional Money, Ausgabe 3 | 2020

sibilisiert auf die Corona-Risiken. Es gab im Fernsehen täglich Sondersendungen dazu. Viele haben auf die Risiken reagiert, und da- mit waren die Risiken nicht mehr börsenre- levant“, so Hübner. „Märkte belohnen nun mal die Übernahme von Risiko.“ Wenn ein Investmentthema aber erst einmal erkannt ist, sei es keine Überraschung mehr und ver- liere seine Börsenwirkung. Der Anstieg der Kurse seit März ist Hübner zufolge keine Überraschung, er interpretiert die von sentix analysierte Stimmung so: „Obwohl der DAX seit dem Tief um fast 60 Prozent ge- stiegen ist, messen wir noch immer eine gro- ße Skepsis der Anleger. Wir nennen das die ,Mauer der Angst‘, und an dieser klettern die Kurse besonders gern. Sobald aber eine Er- klärung für den Aufwärtstrend gefunden ist, dürfte dieser Trend beendet sein!“ Hübner ist kurzfristig darauf eingestellt, dass eine Korrektur im Markt erfolgt. Am 3. Septem- ber betrug die Aktienquote in seinem Fonds nur noch 25 Prozent. Im Herbst erwartet er aber eine erneute Einstiegsgelegenheit, denn der Trend scheint noch nicht beendet. Dass der Einsatz von Behavioral-Finance- Ansätzen zumindest als Ergänzung lohnens- wert ist, zeigt die Entwicklung von Hübners Fonds im laufenden Jahr (siehe Chart „Sen- tix Risk Return M Fonds vs. Multi-Asset- Benchmark“) . Ein direkter Vergleich seines Multi-Asset-Produkts mit Faktorfonds ist zwar nur sehr bedingt zulässig, weil hier ja ein völlig anderer Ansatz verfolgt wird, genau darin besteht aber die Idee der Diver- sifikation. ANKE DEMBOWSKI FOTO : © LG I M Faktor-Experten raten zu Geduld Daraus, dass Smart-Beta-Strategien in Krisenphasen vorübergehend schwächeln können, darf man keine Fehlschlüsse ziehen. D ass etliche Strategic-Beta-Ansätze 2020 enttäuscht haben, ist evident. Experten warnen dennoch, zu früh falsche Schlüsse zu ziehen oder gar Kon- zepte abzutun. „Man sollte nicht alle Fak- toren über einen Kamm scheren. Wir ha- ben bei LGIM die Möglichkeit, zahlreiche Faktoren zu verfolgen, und fokussieren uns dabei insbesondere auf die Faktoren Momentum, Size, Value, Quality und Low Vola“, meint etwa David Barron, der beim Asset Manager Legal & General Investment Ma- nagement (LGIM) den Bereich Index Equity and Smart Beta leitet. Bei der Faktoranalyse sei es wichtig, zu untersuchen, ob sich die einzelnen Faktoren dauerhaft so verhalten, wie man es erwartet. „Nur dann lassen sie sich sinnvoll in einem Mainstream-Faktor-Modell verwenden“, erklärt der Experte. Er und sein Team haben festgestellt, dass die Faktoren Qualität und Low Volatility sowohl in der akuten Covid-19-Krise als auch während der folgenden Erholung gut funktioniert haben. „Genau das hatten wir auch erwartet, denn sie gelten als defensive Faktoren, die typischerweise in einer Bais- sephase nach einem wirtschaftlichen Peak outperformen“, erklärt Barron. Die Faktoren Value und Small Cap seien bei den Investoren während der Krise hingegen in Ungnade gefallen. „Wir erwarten jedoch, dass diese beiden Fak- toren in der nächsten realwirtschaftlichen Erholung wieder vorne liegen werden“, meint Barron. Er verweist darauf, dass sich der Faktor Momentum während der Coronakrise und der anschließenden Erholung unerwartet gut geschlagen hat. „Das erstaunt uns. Aus der Historie heraus hätten wir erwar- tet, dass Momentum-Aktien erst in der mittleren bis späten Wachstumsphase eines Wirtschaftszyklus outperformen“, so Barron. Als Grund für diese Erwartungs- haltung führt er an, dass sich unter den Momentum-Werten viele High-Beta-Titel befänden, deren gute Zeit typischerweise erst in den späten Zyklusphasen käme. „Die Corona-Baisse hatte einen ande- ren Verlauf als die Baisse zur Finanzkrise 2007/2008“, sucht Barron eine Erklärung. Diesmal sei die Abwärtsbewegung deutlich schneller erfolgt als zur Finanzkrise. „Es herrschte eine regelrechte Panik. Auch der anschließende Rebound war rasant, selbst wenn die Verluste immer noch nicht kom- plett wieder wettgemacht sind.“ Unter den Momentum-Werten, die sich während und nach der Krise so gut gehalten hatten, befanden sich viele Titel aus dem Gesund- heits-, Pharma- und Technologiebereich. Gerade diese hätten den Rebound beson- ders fulminant mitgemacht. Das sei stim- mungsgetrieben gewesen, und Sentiment- Daten seien weitgehend an den Momen- tum-Faktor gekoppelt. Momentum sieht Barron mit einer gewissen Skepsis: „Dieser Faktor funktioniert nach dem Motto, was hoch geht, wird mit hoher Wahrscheinlich- keit weiter steigen.“ Hier handle es sich um das an Märkten oft zu beobachtende Herdenverhalten. „Es zeigt, dass der Mensch zwar die Steinzeit hinter sich ge- lassen hat, aber die Steinzeit immer noch in uns Menschen steckt“, so Barron. Es bleibt die Frage, wie man sich künftig verhalten soll. „Wir wissen, dass Faktoren Zyklen unterliegen, und gehen davon aus, dass diese nach wie vor funktionieren“, ist Barron überzeugt. In Krisensituationen stie- ßen Modelle aber oft an ihre Grenzen. „Nach der Krise funktionieren unsere Mo- delle in aller Regel wieder“, ist er zuver- sichtlich. Entsprechend habe LGIM an sei- nen Faktormodellen keine nennenswerten Veränderungen vorgenommen. „Außer unserem üblichen halbjährlichen Rebalan- cing haben wir nichts geändert. Aber wir betreiben sehr viel Research“, so Barron. » Wir wissen, dass Faktoren Zyklen unterliegen, und gehen davon aus, dass diese nach wie vor funktionieren. « David Barron, Head of Index Equity and Smart Beta, LGIM 240 N o. 3/2020 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R A T E G I E N : FAK TOR S T RAT EG I EN UND BEHAV I ORA L F I NANC E

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