Institutional Money, Ausgabe 3 | 2020

Integrierte Prozesse Wie das Berenberg ESG Office festhält, kämpfen die ESG-Ratinganbieter damit, ihre standardisierten Regelwerke – auch wenn sie diese regelmäßig adaptieren – an die Wirklichkeit in all ihrer Komplexität und Nuanciertheit anzupassen. „Sich gerade bei Small und Mid Caps zu sehr auf sein Regelwerk und seinen abzuarbeitenden Katalog zu verlassen, kann leicht dazu füh- ren, dass signifikante Risiken oder attraktive Opportunitäten übersehen werden“, sagt Rupini Deepa Rajagopalan. „Dazu kommt, dass die Integration von ESG niemals outgesourct werden darf. Diese Integration von ESG soll inhärenter Teil des Arbeitsalltags von Fondsmanagern sein.“ Durch den Druck seitens der Investoren müssen Fondsmanagement- gesellschaften ihre Investmentprozesse überarbeiten, um demonstrieren zu kön- nen, dass die Einhaltung von ESG-Kri- terien einen integralen Bestandteil ihrer Investitionsentscheidungen darstellt. Den steigenden Anforderungen in Bezug auf ESG-Überlegungen kann das Berenberg ESG Office jedenfalls viel Positives abge- winnen. Rajagopalan dazu: „Zum einen ist es ermutigend zu sehen, wie die Stake- holder Unternehmen in die Verantwortung nehmen. Zum anderen empfehlen wir Fir- men, die sich mehr Transparenz verordnen und der Öffentlichkeit Einblicke in zuvor weniger transparente Bereiche ihres Unter- nehmens gewähren, etwa Details zum Res- sourceneinsatz.“ Berenberg kommt diese höhere Aufmerksamkeit und Transparenz als Investor in Qualitätsaktien entgegen. „Wir waren immer schon an der Nachhal- tigkeit der Geschäftsmodelle der Firmen, in die wir investieren, interessiert. Schließlich wollen wir dort investiert sein, wo wider- standsfähiges, langfristiges Wachstum be- steht“, hält Matthias Born fest. Quantität, nicht Qualität ESG-Ratinghäuser profitieren von der steigenden Datenmenge, die Firmen zur Nachhaltigkeitsagenda publizieren. Öffent- licher Druck und jener der Investorenschaft hat dazu geführt, dass sich beispielsweise durch die Global Reporting Initiative (GRI) eine weltweite Best Practice im Berichts- wesen zu Nachhaltigkeitsthemen und deren Impact herausgebildet hat. In relativ kurzer Zeit wurden Initiativen wie diese auf den Weg gebracht und setzen sich durch. So werden die GRI-Standards bei mittlerweile 93 Prozent der weltweit 250 größten Unter- nehmen befolgt. Während die Quantität der Daten exorbitant zugenommen hat, bleibt die Qualität in vielen Fällen unbefriedigend. Eine Studie von Goldman Sachs arbeitete heraus, dass ein großer Teil der berichteten Daten vage und schwer einzuschätzen sei. Beispielsweise legen 85 Prozent aller Fir- men des MSCI All Countries World Index (MSCI ACWI) ihre „Community Involve- ment Policy“ offen, wo es um die Strategie zum gesellschaftlichen Engagement der Unternehmen geht. Doch die Antworten scheinen nicht geeignet zu sein, dem Leser das Gefühl zu geben, dass sich die Unter- nehmen produktiv in der Gesellschaft enga- gieren. Die reine Existenz einer solchen Strategie wird wahrscheinlich den ESG- Score heben, ohne dass jemand bewertet, wie diese Strategie konkret umgesetzt wird. Kenngrößen, deren Entwicklung über die Jahre verfolgt werden kann, finden sich signifikant seltener, auch bei großen Unter- nehmen. Somit ist es sehr schwierig, daraus einen Input innerhalb des Scoring-Regel- werks abzuleiten. Small & Mid Caps liefern wenig Eine Studie von Dermerents und zwei Forscherkollegen von 2014 belegt, dass kleinere Firmen relativ zu Large Caps deut- FOTO : © B E R ENB E RG Führen Ratings in die Irre? Niedriges ESG-Rating, aber mehr Umsatz- (l.) und Gewinnwachstum (Mitte) sowie Investitionen (r.) Umsatzwachstum Gewinnwachstum Investitionen Interessanterweise zeigen Firmen mit höherem ESG-Rating bei allen drei Ratingprovidern weniger Wachstum bei Umsatz und Gewinnen sowie eine geringere Investitionsquote. Ob solche Investitionsentscheidungen entlang von ESG-Ratings gut sind, bleibt dahingestellt. Quelle: Berenberg 0 % 2 % 4 % 6 % 8 % 10 % Provider C Provider B Provider A Provider C Provider B Provider A Provider C Provider B Provider A Wachstumsraten Low ESG-Rating High ESG-Rating » Es gibt keinen Standard in der ESG-Bewertung und kaum Vergleichbarkeit der Ratings. « Matthias Born, Head of Investment bei Berenberg, Hamburg 218 N o. 3/2020 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R A T E G I E N : E SG

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