Institutional Money, Ausgabe 3 | 2020

V iele Asset Manager, die über kein eigenes ESG-Office oder eine ähnliche Nachhal- tigkeitsanalyseabteilung ver- fügen, verlassen sich nolens volens auf ex- terne ESG-Ratings. Wer sich näher mit den Ratings der führenden Anbieter in puncto Umwelt-, Sozial- und Governance-Stan- dards befasst, stellt schnell mehrerlei fest: Zum einen gibt es Ungereimtheiten, wie sie Bernd Flossbach, einer der Gründer der mittlerweile zum Boutiqueriesen mutierten Flossbach von Storch AG, und zuletzt auch Dr. Christoph Bruns, Grün- der, Mastermind und Fondsmanager der Loys AG, formulierten. Bruns kritisiert, dass zu viel Gewicht auf das „E“, also Umweltfaktoren, gelegt werde, wie das ja auch die EU-Kommission in ihrer Taxo- nomie getan hat, dann komme Soziales und erst zum Schluss die überaus wichtige gute Unternehmensführung, also das „G“. Ein weiterer wichtiger Punkt sind Widersprüch- lichkeiten bei ESG-Ratings bei ein und demselben Unternehmen. So ratet etwa MSCI ESG, der US-Platzhirsch bei Nach- haltigkeitsratings, Tesla sehr gut, während europäische Automobilproduzenten deutlich schlechter wegkommen. Dazu kommen Fragen, wie sie Bruns in einem Gastbeitrag aufwarf. Er nannte als Beispiele unter ande- rem RWE und EDF: Wie soll man mit die- sen Konzernen beim ökologischen Rating umgehen, wenn sich Erstere dramatisch in Richtung eines alternativen Energieerzeu- gers wandelt, während die Franzosen wegen ihres hohen Anteils an Atomstrom mit einem geringen CO 2 -Ausstoß aufwarten? In Bezug auf Governance moniert Bruns gute Ratings von Facebook und Google, die beide neben anderen US-Konzernen Mehrstimmrechts- aktien aufweisen und das Prinzip von „One share, one vote“ verletzen. Oligopol ante portas? Überhaupt fällt die zunehmende Konzen- tration unter den großen Ratinganbietern im ESG-Bereich auf. Hier drohen à la longue oligopolistische Zustände, wie es sie bei den klassischen Kredit-Ratings gibt. Neben MSCI ESG ist hier auch Morningstar zu nennen, das erst kürzlich Sustainalytics übernommen hat, und ISS nach dem Zu- sammenschluss mit oekom research. Da- durch entstehen ESG-Rating-Riesen, die alle nach einer eigenen Methodik vorgehen und oft zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Konfusion bei den Ratingkäufern ist hier vorprogrammiert. Wie es aussieht, können ESG-Ratings nur vage Anhaltspunkte liefern und exkulpieren verantwortungsbewusste Asset Manager nicht davon, diese Ratings lediglich als Aus- gangspunkt für ihre eigenen Analysen zu betrachten. So sieht das auch das Matthias Born, Head of Investment bei Berenberg. Bei der Traditionsbank hat man ein eigenes ESG-Ratings geraten zunehmend in die Kritik. Den einen sind sie zu widersprüchlich und unausgegoren, andere vermuten einen Marketing-Gag oder beklagen die mangelnde Gesamtmarktabdeckung. Unterschiedlicher Abdeckungsgrad Ratingabdeckung: absolute Zahlen (links) und relativ zu den Indizes (rechts) Mit abnehmender Marktkapitalisierung werden die abgedeckten Titel immer weniger (links). Handelt es sich um Mega oder Large Caps, ist die Abdeckung durch die ESG-Provider fast vollkommen. Doch ab den Mid Caps geht es mit der Coverage steil bergab. Provider A gewährleistet eine deutlich höhere Abdeckungsquote. Quelle: Berenberg Anzahl der ESG-Scores 0 500 1.000 1.500 2.000 Micro Cap Small Cap Mid Cap Large Cap Mega Cap Abdeckungsgrad mit ESG-Scores 0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % Micro Cap Small Cap Mid Cap Large Cap Mega Cap Provider A Provider B Provider C Provider A Provider B Provider C FOTO : © LOY S, R AWF 8 | S TOCK . ADOB E . COM » Im Hinblick auf ESG lassen sich erstaunliche Ungereimtheiten feststellen. « Dr. Christoph Bruns, Gründer und Fondsmanager der Loys AG, Frankfurt Die im Schatten sieht man nicht 216 N o. 3/2020 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R A T E G I E N : E SG

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