Institutional Money, Ausgabe 3 | 2020

Erb. Die Antwort: Der Goldpreis lässt sich mittelfristig nicht mit der Inflationsrate erklären. Stellt man die auf fünf Jahre rol- lierenden nominellen und realen Goldpreise der Teuerungsrate gegenüber, so verläuft Letztere seit Mitte der 1990er-Jahre fast horizontal, während der reale und der nomi- nelle Goldpreis im Gleichtakt schwingen. „Die Inflation war vor allem im 21. Jahr- hundert nicht volatil genug, um die mas- siven Schwankungen des Goldpreises zu erklären“, so Erb. Diesem Argument folgend attackieren die Autoren bemerkenswert deutlich Johnsons „Demystifying Gold Prices“. Sein Ansatz läuft laut Harvey letzten Endes darauf hin- aus, dass „Gold eine Anleihe ist“. Doch was, wenn dem nicht so ist? „Dann handelt es sich um eine fehlerhafte Entdeckung“, also eine Scheinkorrelation zwischen realen Zinsen und realem Goldpreis, „die auf Da- ten-Mining zurückgeführt werden könnte“. „Massive Passives“ Aus Sicht Harveys sowie unter Berück- sichtigung der Erfahrungen von 1980 und 2011 lässt sich der nominelle Goldpreis nicht aus der „‚Gold ist eine Bond-Story‘, sondern vielmehr mit der „Massive Pas- sives-Story“ erklären. Das Aufkommen der Gold-ETFs hätte demnach massiven Ein- fluss auf den realen Goldpreis, die entspre- chenden Regressionen, die das Verhältnis von ETF-Gold-Asset und dem realen Gold- preis aufzeigen, verstärken die These: Tat- sächlich steigt der Goldpreis mit dem Volu- men der Assets – und das in einer sehr en- gen Schwankungsbreite. „Unsere Ergebnis- se legen nahe, dass Käufe von Gold den Preis im Durchschnitt steigern, Verkäufe ihn hingegen senken.“ Spekulatives Element Im Gegensatz dazu würden diejenigen, die von der These „Gold gleich Bond“ aus- gehen, „naiverweise annehmen, dass Käufer und Verkäufer keinen Einfluss auf den Preis haben“. ETFs verstärken also laut den Autoren das spekulative Element des Gold- preises, schlicht weil der Marktzugang um so viel erleichtert wird und Übertreibungs- phasen eine deutlich stärkere Wucht ent- wickeln können. Vor dem Hintergrund der Goldenen Kon- stante und der „Massive Passives“ prognos- tizieren die Autoren bei gleichbleibendem realem Goldpreis und einer konstanten Ent- wicklung des CPI in zehn Jahren einen Goldpreis von 2.328 US-Dollar. Damit wä- re die gegenwärtige US-Inflationsrate, so sie über diesen Zeitraum konstant bleibt, ziem- lich genau abgedeckt. Die Kräfte, die von einem immer stärkeren ETF-Markt ausge- hen, könnten jedoch dafür sorgen, dass der Preis viel weiter steigt, „wenn zu viel Geld zu wenig Gold jagt“, erklärt Viskanta das spekulative Element des Marktes. Sowohl der Pimco-Ansatz als auch die Vertreter von Massive Passives weisen also auf die veränderten Spielregeln auf dem Goldmarkt seit dem Aufkommen von ETFs hin. Doch wie hoch ist dieser spekulative Anteil an einer Assetklasse, die doch eigent- lich als sicherer Hafen gilt? Das lässt sich über eine Analyse des ETF-Giganten Wis- dom Tree abschätzen. Nitesh Shah, Director Research, hat im November des Vorjahres einen Erklärtext mit dem Titel „Gold: how we value the precious metal“ publiziert, in dem er unter anderem offenlegt, „welche vier Schlüsselvariablen den in Dollar deno- minierten Goldpreis bestimmen“: Verände- rungen im Dollar-Basket, der US-CPI, die Veränderungen der nominellen Erträge von zehnjährigen US-Treasuries und das Markt- Sentiment, das über spekulative Positionen im Futures-Markt gemessen wird. Das Mo- dell geht bis ins Jahr 1995 zurück. Auch hier wird die These vertreten, dass ältere Daten aufgrund der völlig veränderten Rah- menbedingungen nutzlos sind. Anstieg wahrscheinlich Die Gewichtung der Variablen verändert sich über die verschiedenen Zeitperioden hinweg (siehe Chart „Goldpreisvariablen in ständiger Veränderung“) : „Dieselbe Va- riable kann zu einem Zeitpunkt einen star- ken Einfluss auf den Preis haben, ein ande- res Mal wiederum nur einen minimalen“, erklärt Shah. Eines ist aber auf den ersten Blick augenfällig: nämlich dass der Anstieg des Goldpreises seit Mitte des Vorjahres mit einer deutlichen Zunahme der spekulativen Positionen einhergeht. Aus dem hauseige- nen Modell leitet Wisdom Tree eine Kon- sensprognose von rund 2.200 Dollar je Feinunze ab. Die Status-quo-Prognose, in der davon ausgegangen wird, dass die US- Renditen und der Dollar-Korb so niedrig bleiben wie im August 2020, prophezeit sogar ein Goldpreisniveau von 2.640 Dollar. Das Edelmetall könnte also tatsächlich noch Potenzial haben. HANS WEITMAYR Die Rolle von Gold-ETFs im langfristigen Kontext Die zeitliche Übereinstimmung zwischen der Gold-ETF-Lancierung und dem Anstieg des Goldpreises im 21. Jahrhundert ist relativ augenfällig. Gerade am realen Goldpreis, der der Theorie von der „Golden Constant“ folgt, lässt sich ein sehr starker Verdacht festmachen, dass die Marktbewegungen der vergangenen Jahre sehr stark vom Aufkommen der ETFs getrieben wurde. Eyb et al. sprechen deshalb gern und prägnant von den „Massive Passives“ am Goldmarkt. Quelle: Studie 0 2 4 6 8 10 2015 2020 2010 2005 2000 1995 1990 1985 1980 1975 „Realer“ Goldpreis (Preis in USD/US CPI) Durchschnittlicher realer Goldpreis Realer Goldpreis seit der Lancierung von Gold-ETFs Januar 1980: Stagflation August 2011: Nachhall GFC Juli 2020: Coronakrise 208 N o. 3/2020 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R A T E G I E N : GOLD

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