Institutional Money, Ausgabe 3 | 2020

P R O D U K T E & S T R A T E G I E N : IMMOB I L I ENANA LY S E 190 N o. 3/2020 | www.institutional-money.com D er Wunsch, diszipliniert auf einem quantitativen Fundament aufbau- end zu investieren, besteht bei institutionellen Anlegern grundsätzlich im- mer – auch bei Immobilien. Leider ist es in dieser Assetklasse nicht ganz so einfach, systematisch vorzugehen wie etwa bei Ak- tien, weil jedes Objekt, jedes Marktsegment und auch jede Lage gewissermaßen einzig- artig sind. Dennoch ermöglicht Big Data auch in diesem Bereich Fortschritte. „Wir fragen nicht wie in der Aktien- welt, ist das Kurs-Gewinn-Ver- hältnis ein wichtiger Faktor? Hat er Predictive Power? In der Im- mobilienwelt fragen wir viel- mehr: Welche Faktoren haben Einfluss auf die künftige Bewer- tung einer Immobilie, eines Be- zirks, einer Region?“, erklärt Juri Ostaschov, Chief Data Scientist bei PREA, einem Beratungsun- ternehmen für Immobilieninvest- ments. Er kommt ursprünglich aus dem quantitativen Börsen- handel und befasst sich jetzt mit Datenanalyse für Immobilien. Faktoren wie Baujahr, Ausstat- tung oder Zimmerzahl als allein ausschlaggebend für die Miet- oder Kaufpreishöhe anzusehen, sei gestrig. „Wir nutzen unter anderem Airbnb-Daten, um die künftige Attraktivität einer be- stimmten Lage zu bestimmen“, so Ostaschov. „Ein privater oder gewerblicher Ferienwohnungsanbieter er- kennt die Angebots- und Nachfragesituation vor Ort viel besser als ein globaler Immo- bilieninvestor.“ Wenn die PREA-Experten dann Preissteigerungen in bestimmten Airbnb-Regionen erkennen, schließen sie daraus auf die künftige Kiez-Entwicklung. „Wir betrachten auch Daten wie das Haus- haltseinkommen und die absolute Höhe der Warmmiete“, erklärt Ostaschov, „so können wir bestimmen, wo die Preise noch günstig und wo sie bereits zu hoch sind.“ In man- chen Regionen Münchens zahlten die Mie- ter bereits 46 Prozent ihres Einkommens fürs Wohnen, während man in Berlin im Schnitt bei 25 Prozent liegt. „Aber auch in Berlin gibt es bestimmte überhitzte Regio- nen. Die erkennen wir anhand unserer Daten sofort!“, meint er. Während die Wertpapierbörsen schnell auf die Coronakrise reagiert haben, ist die Immobilienwelt träger. „In Deutschland kann man nicht aus seiner Wohnung gekün- digt werden, obwohl man Mietschulden aufkommen lässt. Zwei Jahre hat man Zeit, die gestundete Miete zurückzuzahlen. Den Wohnimmobilienmarkt trifft die Krise daher erst später“, meint Ostaschov. Schneller spürt man die Krise bei Büro- immobilien. „Während der Coronakrise wa- ren die Unternehmen nicht bereit, weiteren Büroraum zu hohen Quadratmeterpreisen anzumieten. Daher sehen wir jetzt viel Leer- stand“, so Ostaschov. Außerdem sind die Unternehmen während des Lockdowns auf den Geschmack gekommen und versuchen, nun auch künftig einen Teil ihrer Mitarbei- ter im Homeoffice arbeiten zu lassen. Dies hat Konsequenzen für den Büroimmobilien- markt. „Dieses Szenario hat man aber mit den traditionell genutzten Faktoren nicht erkennen können“, bedauert Ostaschov. „Hätte man genug alternative Datenquellen angezapft, vielleicht schon. Man hätte zum Beispiel Nachrichten crawlen können, die aus China kamen, um dann ein Pandemie- szenario zu entwickeln.“ Absicherung unmöglich Aber selbst wenn man gute Prognosemöglichkeiten gehabt hätte: „Im Immobilienbereich ist es schwer, sich auf kurze Sicht abzusichern. Langfristig können Sie einzelne Segmente oder Re- gionen unter- oder überge- wichten. Aber wie wollen Sie kurzfristige Zahlungsausfälle kompensieren?“, fragt Ostaschov. „Ja, Sie könnten einen Teil Ihres Cashflows aus Immobilien an die Börse transferieren … und dann?“, fragt er eher rhetorisch. ImAktienbereich könne man ein- fach Optionen kaufen, um markt- neutral zu sein. Längerfristig ist er für Immobilien aber ohnedies optimistisch:. „Ich gehe davon aus, dass wir in zehn Jahren nichts mehr von der Coronakrise spüren werden. Auf lange Sicht sorgt sie nur für eine leichte Anhebung der Volatilität.“ Bis dahin geht die Suche nach „alternativen Daten“ weiter. Sie sollen eine höhere Auflösung des Marktes ermöglichen, etwa um die Mietentwicklung genauer pro- gnostizieren zu können. Wo ziehen die Menschen weg, wohin gehen sie? Künftig will er auch Sentiment-Daten einholen. „Wir werden Twitter- und Instagram-Daten auswerten und nachsehen, ob über eine bestimmte Gegend negativ oder positiv gesprochen wird“, so Ostaschov. So ließe sich die Popularität eines Standortes früh- zeitig erkennen. ANKE DEMBOWSKI Die feingliedrige Aufteilung von Großstädten Hier wurde das Szenario durchgespielt, was wäre, wenn alle Menschen in Berlin in Kurzarbeit gingen und nur noch 60 Prozent ihres Einkommens zur Verfügung hätten? PREAS Mercury, das KI-Tool zur Einschätzung von Immobilienrisiken, teilt Berlin in 500 mal 500 Meter kleine Mercury-Cubes ein. Mit granularen Daten, die zu den einzelnen Faktoren und Bezirken gesammelt werden, wird dann das Potenzial der einzelnen Cubes berechnet. So lässt sich Berlin für das Kurzarbeitsszenario in risiko- behaftete und weniger risikobehaftete Gegenden einteilen. Quelle: PREA Krisenfest Mittleres Segment Hohes Risiko Big Data für Immo-Investoren Immobilien. Mit alternativen Daten und Machine-Learning-Modellen lassen sich auch Immobilienmärkte genauer analysieren.

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