Institutional Money, Ausgabe 3 | 2020

tik konsequent zeitnaher Finanzinformation sowohl Informationsasymmetrien reduzie- ren als auch die Wahrnehmung der funda- mentalen Unsicherheit zum Unternehmen verringern. Andererseits bergen soziale Medien aber auch Risiken. So können bestimmte Tweets zu unkalkulierbaren (negativen) Sentiment- Wellen bei der Masse der Nutzer führen, indem diese ihre Zustimmung oder Ableh- nung als direkte Reaktion zum Ausdruck bringen. Ein in der Arbeit angeführtes Bei- spiel war der Werbespot des Unternehmens Peloton im Dezember 2019, der unter ande- rem auf Twitter geteilt wurde. Die Mehrheit der Nutzer interpretierte diesen als sexis- tisch, was infolge der viralen Verbreitung zu einem erheblichen Aufschrei führte. Gemäß eines Bloomberg-Artikels verzeichnete die Peloton-Aktie deshalb einen Intraday-Ein- bruch von rund zehn Prozent. Risiken dieser Art könnten bei Unternehmen mit Twitter- Account systematisch höher ausfallen. Die Studie umfasst alle US-Aktien im CRSP- Universum im Zeitraum von Februar 2007 bis Dezember 2016, die über entsprechende Daten bei Compustat verfügen. Zudem erstellten die Autoren mit aufwendigen Ver- fahren einen umfangreichen Twitter-Daten- satz. Dieser basiert auf manuellen Recher- chen, Big-Data-Analysen und Machine- Learning-Klassifizierungen. Letztere basie- ren auf rund 57.000 von Studenten manuell klassifizierten Tweets als Trainingsdaten- satz, auf dessen Grundlage die Algorithmen die übrigen mehr als 33 Millionen Tweets verarbeiteten. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Unternehmen mit Twitter-Account eine ab- solute Outperformance von 59 Ba- sispunkten pro Monat gegenüber Unternehmen ohne Twitter-Konto er- zielen. Bereinigt um die Faktoren Si- ze, Buchwert-Marktwert-Verhältnis und Momentum beträgt die Diffe- renz 53 Basispunkte. Interessant ist weiterhin, dass die höhere Rendite von Unternehmen mit Twitter-Ac- count vor allem durch diejenigen Unternehmen verursacht wird, die ihre Tweet-Aktivität im Betrach- tungszeitraum erhöht haben. Die Au- toren zeigen weiterhin, dass die Prä- mie nicht auf ein vorübergehendes Mispricing zurückzuführen ist, da die entsprechenden Zwölfmonats- durchschnittswerte im gesamten Un- tersuchungszeitraum positiv waren (siehe Grafik „Entwicklung Twitter-Prämie“) . In der Studie werden verschiedene Hypo- thesen zur Erklärung der Twitter-Prämie un- tersucht. Eine davon ist, dass sich Unterneh- men, die ein Twitter-Konto führen, in ihren Charakteristika und/oder Risikofaktoren von Unternehmen unterscheiden, die kein Twitter-Konto haben. Tatsächlich lässt sich den Untersuchungen zufolge ein Teil der bereinigten Prämie von 53 Basispunkten durch die Berücksichtigung weiterer Charakteristika erklären, sodass ein gewis- ser Unterschied zwischen Unternehmen mit beziehungsweise ohne Twitter-Konto zu be- stehen scheint. Was die Risikofaktoren an- geht, liegt die jeweils adjustierte Rendite auf Basis von drei betrachteten Modellen zwi- schen 39 und 52 Basispunkten. Insgesamt bleibt die Outperformance demnach auch unter Berücksichtigung weiterer Charakte- ristika und klassischer Faktormodelle weit- gehend bestehen. Eine zweite Erklärung könnte sein, dass die Prämie aufgrund eines besonderen Social-Media-Risikofaktors besteht, zu dem die Unternehmen mit Twitter-Konto eine höhere Sensitivität aufweisen. Dieser Faktor könnte spezifische Risiken wie Hacking, Kontrollverlust über Inhalte oder Copyright- Verletzungen umfassen, die den Unterneh- men weitgehend unbewusst sind und ent- sprechend fallweise auf Ad-hoc-Basis ge- managt werden. Die Untersuchungen der Autoren bestätigen diesen Erklärungsansatz. Demnach weisen Unternehmen mit höhe- rem Social-Media-Risiko eine Prämie von 30 Basispunkten pro Monat auf, wenn dies neben den klassischen Fama-MacBeth- Faktoren als weiterer Faktor implementiert wird. Approximiert wird dieser neue Soci- al-Media-Faktor dabei durch die monatliche Renditedifferenz zwischen Unternehmen mit und ohne Twitter-Account. Werden statt einzelner Aktien nach Charakteristika oder Industrien geordnete Portfolios betrachtet, verdichtet sich die Evidenz für einen Soci- al-Media-Faktor weiter. Auf Basis der ein- schlägigen Daten von Professor Ken French liegt die Prämie über die 16 verschiedenen Portfolios zwischen 30 und 75 Basispunk- ten mit einem Mittelwert von 45 Basispunk- ten. Ein Ergebnis der Studie besteht darin, dass die Twitter-Prämie bei Unternehmen mit niedriger institutioneller Anteilsquote höher ausfällt. Diese Aktien werden den Autoren zufolge mit höherer Wahrschein- lichkeit von Privatanlegern gehandelt, die wiederum tendenziell anfälliger für klassi- sche Verhaltenseffekte sind. Dies stützt das Argument, dass Unternehmen mit Twitter- Konten stärkeren Social-Media-Effekten unterliegen. Schlussfolgerungen US-Unternehmen, die einen Twitter- Account haben, erzielen signifikant höhere Renditen, wobei diese „Prämie“ bei Small Caps sowie bei Unternehmen mit stärkerer Unsicherheit bezüglich ihrer Fundamental- daten höher ist. Dies lässt sich nicht durch gängige Faktormodelle erklären. Einige Branchen wie Einzelhandel und Konsum- güterindustrie sind dem Social-Media-Risi- ko stärker ausgesetzt als andere wie Öl, Chemie und Gold. Die Risiken aus Social Media sind zudem schwer zu diver- sifizieren, was eine entsprechende Prämie rechtfertigt. Die Autoren schlussfolgern, dass Twitter-Konten einerseits besondere Chancen zur Wertschöpfung ermöglichen, ande- rerseits jedoch auch mit entspre- chenden Social-Media-Risiken ver- bunden sind. Sie zeigen, dass dies als Risikofaktor in der Querschnitts- betrachtung sowohl auf Einzelak- tien- als auch auf Portfolioebene ge- preist wird und bereinigt um andere Risikofaktoren je nach verwendetem Modell mit einer monatlichen Prä- mie von 30 bis 75 Basispunkten einhergeht. DR. MARKO GRÄNITZ Entwicklung Twitter-Prämie Der Einfluss der Twitter-Aktivitäten auf die Rendite seit 2007 Die Grafik zeigt die gleitenden Durchschnitte (12 und 24 Monate) der Twitter-Prämie, berechnet auf Monatsbasis. Quelle: Studie 0,0 % 0,5 % 1,0 % 1,5 % 2,0 % 12-Monate-GD 24-Monate-GD 2015 2014 2013 2016 2012 2011 2010 2009 2008 2007 Twitter-Prämie (% pro Monat) 178 N o. 3/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : SOC I A L MED I A

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