Institutional Money, Ausgabe 3 | 2020

N ach der Entwicklung des klassischen Capital Asset Pricing Models (CAPM) in den 1960er-Jahren erschien die Welt ganz einfach: Es gab den risiko- losen Zins, die Marktrisikoprämie (Beta) und die Überrendite (Alpha). Diese drei Größen wurden in eine übersichtliche For- mel gepackt und sollten, basierend auf theo- retischen Annahmen, die erwarteten Ren- diten am Markt möglichst gut beschreiben. Allerdings zeigten spätere empirische Untersuchungen, dass das CAPM doch nicht so gut war wie gedacht. Beispiels- weise erzielen Aktien mit niedrigem Beta systematisch höhere risikoadjustierte Ren- diten als Aktien mit hohem Beta, was im Widerspruch zur Renditeerwartung auf Basis des CAPM steht. Zudem wurden neben der Marktrisikoprämie weitere Fakto- ren entdeckt, die systematisch im Zusam- menhang mit den Renditen stehen: Value (High Minus Low Book to Market, kurz HML), Size (Small Minus Big Market Capitalization, kurz SMB) und Momentum (Winner Minus Loser in Performance, kurz WML). 1993 veröffentlichten dann Eugene Fama und Kenneth French ihr bekanntes Drei- Faktor-Modell, das das CAPM um die Fak- toren Value und Size erweiterte, und Mark Carhart erweiterte das Modell 1997 um den Momentum-Faktor. Damit war im akade- mischen Bereich die „Jagd“ nach neuen Faktoren eröffnet, um einen möglichst hohen Anteil der Renditen zu erklären. In vielen Studien wurden seither weitere mehr oder weniger aussagekräftige Faktoren vor- gestellt, sodass die zunehmend unübersicht- licher werdende Gesamtheit heute auch als „Faktor-Zoo“ bezeichnet wird. Verschwimmende Grenze Der Aktienmarkt lässt sich heute kaum noch klar in Alpha und Beta trennen, son- dern muss beinahe schon als Kontinuum alternativer Risikoprämien betrachtet wer- den, in dem die Grenzen zunehmend ver- schwimmen. Oder anders ausgedrückt: Während die Marktteilnehmer früher vor allem zwischen Alpha und Beta unterschie- den, geht es bei den heutigen (Faktor-)Prä- mien hauptsächlich um das „Zwischendrin“. Zu dieser Einschätzung gelangte auch David E. Kuenzi in seinem Paper „Dynamic Strategy Migration and the Evolution of Risk Premia“. Kuenzi arbeitet für den US-Vermögensverwalter AlphaSimplex, wo er für das Thema „alternative Risikoprä- mien“ und die Entwicklung neuer Handels- strategien verantwortlich ist. Laut Kuenzi starten echte Anomalien zunächst als pures Alpha, zum Beispiel in Hedgefonds, und wandern dann mit zunehmender Bekannt- heit und wachsendem Anlagevolumen als alternative Risikoprämien kontinuierlich in Richtung eines puren Beta. Grundsätzlich geht es demAutor zufolge bei den verschie- denen alternativen Risikoprämien um die Einschätzung, wo sich diese imAlpha-Beta- Kontinuum genau befinden. Aus der Loka- In einer Welt, in der sich Alpha über alternative Risikoprämien kontinuierlich in Richtung Beta entwickelt, müssen sich sowohl Produktanbieter als auch Anleger im Zeitablauf dynamisch neu ausrichten, was ihre Strategien angeht. Ewiger Wettlauf (Grafik 1) Theoretisches Schema des Alpha-wird-Beta-Prozesses Alpha-wird-Beta-Prozess in der Realität Angesichts des Schicksals aller Alphaquellen, im Zeitablauf weithin bekannt und somit wirkungslos zu werden, müssen aktive Asset Manager fortlaufend überprüfen, ob ihre Strate- gien tatsächlich noch (ausreichend) Alpha beziehungsweise alternative Risikoprämien erzielen. Aufgrund der zunehmenden Erosion der Renditen beziehungsweise Prämien muss früher oder später zu neuen Ansätzen gewechselt werden, um einen relativen Wettbewerbsvorteil zu sichern. Alphanahe Renditequellen bieten ein höheres Potenzial, erfordern aber viel Research und unterliegen einer höheren Unsicherheit hinsichtlich der tatsächlich erzielbaren Ergebnisse, während betanahe Renditequellen bereits gut erforscht sind, aber nur vergleichsweise kleine Vorteile ermöglichen. In der Praxis erfolgt die Entwicklung von Alpha zu Beta im Rahmen eines von den jeweiligen Marktbedingungen abhängigen Rauschens, in dem zwischenzeitlich bessere und schlechtere Ergebnisse mit auf Dauer nachlassendem Vorteil erzielt werden. Deshalb könnten auch Faktor-Timing-Strategien interessant sein. Quelle: Studie Alpha Zeit Alpha Zeit Vorteil nimmt im Lauf der Zeit ab Neue Strategie 1 Neue Strategie 2 Neue Strategie 3 Risikoprämien- Forschung und frühe Umsetzung zunehmende Verbreitung der Risikoprämie Migration zu neuer Risikoprämie Vorteil nimmt im Lauf der Zeit ab FOTO : © ROMANT S UB I N | S TOCK . ADOB E . COM Alles Alpha ist vergänglich 172 N o. 3/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : A L PHA S T RAT EG I EN

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