Institutional Money, Ausgabe 3 | 2020

mer noch vergleichsweise hoch. „Damit Contagion entsteht, muss also ein gewisses Maß an Globalisierung bestehen“, schluss- folgert Brière mit Hinweis auf die Zeit vor 1914. „Allerdings ‚killt‘ starke Globalisie- rung den Ansteckungseffekt“, erklärt die Forscherin weiter. „Die stärksten Conta- gion-Effekte scheinen demnach aufzutreten, wenn es weltweit gesehen ein moderates Globalisierungsniveau gibt.“ Stärkerer Dominoeffekt Angesichts der aktuell vorhan- denen Deglobalisierungstrends be- deutet das jedoch im Umkehr- schluss, dass wir Dominoeffekte, wie wir sie im Rahmen der Dot- com-Blase, der Finanzkrise und zuletzt des Corona-Crashs beobach- ten konnten, in Zukunft eher häufiger als seltener erleben werden – mit den entspre- chenden Problemen für die Marktteil- nehmer, insbesondere was die Suche nach Diversifikationsquellen in Abschwungpha- sen betrifft. Die Arbeit der insgesamt fünf Autoren birgt ein paar interessante Beobachtungen und ist insofern wertvoll, als sie zu den Erkenntnissen rund um Ansteckungseffekte beiträgt. Sie kann als Warnruf vor unerwar- teten Nebenwirkungen der Deglobalisierung verstanden werden. Vorläufige Erkenntnisse Im Detail weist das Paper aber auch Schwächen auf, die eben diese Erkenntnisse angreifbar machen. So stützen sie ihre The- se, wonach ein mittlerer Globalisierungs- grad das höchste Ansteckungsrisiko auf- weist, auf historische Marktdaten aus gera- de einmal vier Ländern. Das kann man noch mit mangelnder historischer Datenqualität entschuldigen – wenn im Datenset, das die moderne Glo- balisierung beschreibt, die Emerging Mar- kets aber de facto gar nicht vorkommen, muss man sich die Frage nach der tatsäch- lichen Aussagekraft der Erkenntnisse gefal- len lassen. Das bedeutet nicht, dass die Autoren in der Sache unrecht haben. Mode- rate Globalisierung könnte tatsächlich das Schlechteste aus allen Welten vereinen: also schwächere Aufschwungphasen, weil die positiven Rückkoppelungseffekte fehlen, und gleichzeitig stärkere Abschwung- phasen, weil abgeschottete Märkte über eine geringere Liquidität verfügen und ein all- fälliger Crash entsprechend intensiver ist. Hierbei handelt es sich natürlich nur um ein intuitives Beispiel, über das sich wahr- scheinlich trefflich streiten lässt. Argumente für eine sinnvolle Globalisierung – auch an den Finanzmärkten – sollten von deren Verfechtern aber jedenfalls jetzt schon gesammelt werden, ansonsten drohen Glo- balisierungsbefürworter im gegenwärtigen politischen Getöse vollkommen unterzu- gehen. HANS WEITMAYR FOTO : © AMUND I Contagion moderne Globalisierung – Ära freier Wechselkurse Je höher der Wert, desto höher das Kontaminierungsrisiko Frank- Deutsch- Nieder- Nor- Schwe- Austra- Österr. Belgien reich land Italien lande wegen Spanien den Schweiz UK Kanada USA lien Japan Österreich Belgien 0,24 Frankreich 0,21 0,27 Deutschland 0,09 -0,05 0,04 Italien 0,13 0,18 0,05 0,14 Niederlande 0,33 -0,01 0,13 0,07 -0,05 Norwegen 0,09 0,15 0,24 -0,14 0,24 -0,14 Spanien 0,07 -0,03 0,14 -0,02 -0,08 0,00 0,04 Schweden 0,21 0,12 0,04 0,10 -0,07 -0,01 0,13 -0,13 Schweiz 0,11 0,12 0,15 0,13 0,14 0,14 -0,14 0,04 -0,04 UK 0,22 0,25 0,10 0,10 0,19 -0,01 0,28 0,06 0,02 0,15 Kanada -0,13 0,05 -0,21 0,06 0,02 -0,04 -0,08 0,17 -0,01 -0,18 -0,04 USA -0,12 -0,08 0,05 -0,06 0,04 -0,12 -0,13 0,08 -0,05 -0,11 -0,02 -0,05 Australien -0,04 0,04 -0,08 0,11 0,01 0,12 -0,22 -0,07 0,01 0,12 0,07 -0,14 -0,13 Japan -0,22 -0,15 -0,17 -0,13 -0,31 0,06 -0,04 -0,24 -0,04 -0,04 -0,10 0,15 0,18 0,22 Südafrika -0,04 -0,13 0,20 0,07 0,10 0,14 -0,02 0,01 -0,07 -0,13 0,07 -0,33 -0,11 -0,12 0,04 In der Phase der freien Wechselkurse bis hin zur Blüte der Globalisierung bis 2014 bestehen nur sehr moderate Kontaminierungsrisiken. Die großen Crashs haben also durchgeschlagen, bemerkenswerterweise ist aber ausgerechnet die Kontamination mit und durch den Globalisierungstreiber USA fast durchgehend negativ. Quelle: Studie » Die stärksten Kontaminierungseffekte scheinen bei weltweit gesehen moderater Globalisierung aufzutreten. « Marie Brière, Amundi und Université Paris Dauphine 150 N o. 3/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : MARK T KONTAMI N I E RUNG

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