Institutional Money, Ausgabe 3 | 2020

S pätestens seit den synchron auf- getretenen Covid-Gemetzeln an den internationalen Finanz- märkten ist das Phänomen der „Contagion“ – also der „Ansteckung“ – wieder in der Vordergrund des Interesses gerückt. Gegner der Globalisierung erhiel- ten durch den inzwischen dritten großen Crash des 21. Jahrhunderts weiteren Rücken- wind, denn anekdotisch scheint klar zu sein, dass es einen Zusammenhang zwischen Globalisierung und Aktieneinbrüchen gibt. Doch ist das tatsächlich so? Steigt mit dem Globalisierungsgrad die Ansteckungsgefahr – ganz so, wie es nach 2001, 2008 und 2020 den Anschein haben könnte? Akademisches Neuland Tatsächlich steckt die Forschung zum Thema „Contagion“ noch ein wenig in den Kinderschuhen. In der Nachkriegszeit als Thema so gut wie ignoriert, nahm das Inter- esse erst mit Schocks wie der Asienkrise zu. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Glo- balisierung der Märkte erst mit dem Ende von Bretton Woods wirklich beginnen konnte. Die 60 Jahre davor waren von rela- tiv schwacher bis gar keiner Globalisierung geprägt, insofern war die Ansteckungs- gefahr für Kapitalmärkte kein Thema. Dass das Thema eher neu ist, erkennt man auch daran, dass es keine endgültige Definition dafür zu geben scheint. Die Welt- bank versuchte es anno 2000 folgenderma- ßen: „‚Contagion‘ ist die länderübergreifen- de Übertragung exogener Schocks, ver- gleichbar mit einem Spillover-Effekt, wobei Contagion nicht zwingend mit einer Krise verbunden sein muss.“ Einer differenzierteren Definition folgen Olivier Accominotti, Marie Brière, Aurore Burietz, Kim Oosterlinck und Ariane Sza- raf, die respektive an der London School of Economics, der Université Paris Dauphine, der IESEG School Management sowie der ULB & New York University wirken. In der für die Working-Paper-Serie des französisch-internationalen Asset Managers Amundi erschienenen Studie „Did Globali- zation Kill Contagion?“ bedienen sich die Autoren bei der Beantwortung der von ih- nen selbst gestellten Frage der Definition von Forbes und Rigobon aus dem Jahr 2002. Diese postuliert, dass „Contagion“ eintritt, wenn „es nach einem Schock zu einem signifikanten Anstieg von marktüber- greifenden Koppelungen kommt“. Accomi- notti erklärt: „Treten nach einem Schock Sinkt mit der Deglobalisierung die Gefahr von grenzüberschreitenden Marktkontaminierungen? Eine neue Studie widmet sich genau dieser Frage und kommt zum gegenteiligen Schluss: Deglobalisierung könnte den „Contagion“-Effekt letzten Endes sogar verstärken. Die vier Globalisierungsphasen seit 1880 Der von den Autoren errechnete synthetische Welt-Performance-Index wurde zu Beginn jeder Phase auf 100 gesetzt – das ermöglicht einen Ertragsvergleich. Insgesamt vier verschiedene Globalisierungsperioden zählen die Studienautoren in den vergangenen knapp 140 Jahren. Ertragstechnisch ist klar, wieso sich die Vertreter der Finanzwirtschaft in der Regel für die Globalisierung einsetzen. Doch wie steht es mit den Kontaminierungsrisiken in Abschwungphasen? Quelle: Studie 500 700 900 300 100 1.500 1.300 1.100 1.700 500 700 900 300 100 1.500 1.300 1.100 1.700 Klassischer Goldstandard moderate Globalisierung Zwischenkriegszeit geringe Globalisierung Bretton Woods geringe Globalisierung Moderne Globalisierung starke Globalisierung 1905 1910 1900 1895 1890 1880 1885 1995 2000 1990 1985 1980 1975 2015 2100 2005 1965 1970 1960 1955 1950 1935 1930 1940 1925 1920 FOTO : © F R ANCE SCO CH I E S A | S TOCK . ADOB E . COM » ›Contagion‹ ist die länderübergreifende Übertragung exogener Schocks, vergleichbar mit einem Spillover-Effekt. « Definition der Weltbank aus dem Jahr 2000 Deglobalisierungs- Domino 146 N o. 3/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : MARK T KONTAMI N I E RUNG

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=