Institutional Money, Ausgabe 3 | 2020

Rule dazu zwingen kann, die Zinsen zu früh anzuheben, da nur die gegenwärtige Inflati- on zählt, könnte eine PLT-Regel eine Über- hitzung provozieren, da über zu niedrige Zinsen versucht werden müsste, die Inflati- on zu befeuern, um so die in der Vergan- genheit entstandene Lücke zu schließen. Alternative Schwachstellen Doch PLT ist nicht die einzige Strategie mit Pferdefuß. Auch die herkömmliche Durchschnittsstrategie weist Komplikatio- nen auf: Nehmen wir an, eine milde Rezes- sion tritt zu einem Zeitpunkt auf, an dem eine positive Inflationslücke besteht, die Teuerung also im Rückrechnungszeitraum durchschnittlich über zwei Prozent liegt, der Arbeitsmarkt aber robust ist. Dann müsste die Fed die Zinsen anheben und so den Ar- beitsmarkt schwächen, obwohl die begin- nende Rezession nach einem gegenteiligen Schritt verlangen würde. Die Autoren untersuchen deshalb auch die Möglichkeit einer asymmetrischen Durchschnittsstrategie, die es erlaubt, die Inflation bei einer ausbrechenden Rezession zu ignorieren. Ebenfalls in Betracht gezo- gen werden eine temporäre Durchschnitts- strategie und die Orientierung an der Reif- schneider-Williams Shadow Rate Rule aus dem Jahr 2000. Letztere funktioniert ähn- lich wie der PLT-Ansatz, ist aber direkt am Leitzins ausgerichtet: War dieser in der Ver- gangenheit durchschnittlich zu hoch, wird er in Gegenwart und Zukunft entsprechend niedrig gehalten. Die Wirkungsweise wird anhand der leicht modifizierten US-Makro- modelle der Fed (FRB/US) und des dyna- mischeren Modells von Del Negro, Gianno- ni und Schorfheide errechnet. Letzteres ist mit einer sensibleren und aus Sicht der Au- toren nachvollziehbareren Reaktion auf Schocks ausgestattet und wird in weiterer Folge kurz DGS-FHP genannt wird. Rechnet man diese Ansätze durch, kann man auf eine Art „ökonomischen Aufwand“ bei der Umsetzung der diversen Strategien schließen (siehe die letzten beiden Spalten in der Tabelle „Die Gesamtnutzen alterna- tiver Fed-Strategien“). Diese Kosten sind bei der Umsetzung der Taylor Rule am höchsten. Konzentriert man sich auf das aus Autorensicht vermeintlich realistischere ma- kroökonomische Rahmenwerk DGS-FHP, so ist eine Orientierung am achtjährigen Inflationsdurchschnitt ( AIT [8 Jahre]) öko- nomisch am effizientesten. Auf den ersten Blick sind auch die Daten zur Arbeitslosig- keit mit 4,17 und zur Inflation mit 1,97 Pro- zent zwar nicht ideal, aber vertretbar. Arbeitsmarkt und Bevölkerung Ist eine schlichte Durchrechnung der In- flation über acht Jahre also die Strategie, an der sich Powell orientieren wird? Das er- scheint zweifelhaft. Erstens spricht seine deutliche Absage an „irgendwelche For- meln“ dagegen. Hielte er eine relativ simple Durchschnittsformel für zielführend, hätte er sich zu diesem Thema wohlwollender geäu- ßert. Stattdessen hat er sich in seiner Rede auffällig oft auf den Jobmarkt bezogen und betont, man könne „die Vorzüge eines star- ken Arbeitsmarktes – ein nationales Ziel – kaum übertreiben“. Auch die Wortwahl, wie man mit der Geldpolitik den Arbeitsmarkt beeinflussen wolle, wurde geändert. Anstatt wie bisher auf „Abweichungen vom maxi- malen Beschäftigungsniveau“ wolle man von nun an auf „den Abfall vom maximalen Niveau“ reagieren. „Diese Änderung mag subtil erscheinen“, erklärt Powell, „sie spie- gelt aber unsere Überzeugung wider, wo- nach ein robuster Arbeitsmarkt auch ohne einen Ausbruch von Inflation entstehen kann.“ Damit reagiert die Fed auf die abfla- chende Phillips-Kurve, die den Zusammen- hang von Jobmarkt und Teuerungsrate ab- bildet. Ein weiterer Hinweis auf die Wich- tigkeit, die der Arbeitsmarkt für Powell hat, ist die Tatsache, dass er im Schlusswort noch einmal die „Fed Listens“-Tour hervor- hebt, „die uns dabei geholfen hat, eine tie- fere Beziehung zu unserer Kernklientel, dem amerikanischen Volk, herzustellen“. Wenn dies also darauf hindeutet, dass die Fed unter Powell vor allem den Arbeitsmarkt forcieren will, dann lohnt sich der Blick in die Spalte A-AIT (8 Jahre), also auf die asymmetrische durchschnittliche Inflations- rate. Diese zieht im DGS-FHP-Rahmen mit 3,91 Prozent die niedrigste Arbeitslosigkeit und mit 2,18 Prozent die höchste Inflation nach sich. Mit diesem Ansatz könnte sich Powell auf den Jobmarkt konzentrieren und bei entsprechender Kommunikation auch die enorm wichtige Inflationserwartung über ei- ne prolongierte Niedrigstzinspolitik pushen. Übrigens: Wer tiefer in die neue Gedanken- welt der Fed eintauchen will, findet in „The Federal Reserve’s Review of Its Monetary Policy Framework: A Roadmap“ Links zu allen Papers. Zur Roadmap geht es über den von Institutional Money kreierten Link: www.im-online.com/Fed320. HANS WEITMAYR Die Wirkung alternativer Fed-Strategien Inflation und Arbeitslosigkeit sowie der ökonomische Aufwand unter zwei verschiedenen ökonomischen Makro-Rahmenbedingungen. Relativer ökonomischer Makro: FRB/US Makro: DGS-FHP Aufwand Arbeitslosigkeit Inflation Arbeitslosigkeit Inflation Durchschnitt Standardabw. Durchschnitt Standardabw. Durchschnitt Standardabw. Durchschnitt Standardabw. FRB/US DGS-FHP Taylor Rule 4,25 1,24 1,97 1,01 4,22 0,8 1,96 1,7 1 1 AIT (8 Jahre) 4,31 1,32 1,98 0,85 4,17 0,83 1,97 1,41 0,97 0,76 A-AIT (8 Jahre) 4,13 1,24 2,17 0,93 3,91 0,55 2,18 1,59 0,95 0,84 T-AIT (8 Jahre) 4,14 1,22 2,08 0,93 4,02 0,48 2,06 1,67 0,93 0,97 T-PLT 4,14 1,21 2,12 0,91 4,2 0,44 2,15 1,6 0,9 0,83 RW 4,16 1,2 2,05 0,95 4,15 0,74 1,97 1,69 0,92 0,96 Untersucht wurden folgende Strategien: durchschnittliches Inflationsziel (AIT), das symmetrisch oder asymmetrisch (A) und/oder temporär (T) ausfallen kann. Auch die Auswirkungen eines temporären Price Level Targeting (T-PLT) und der Reifschneider Williams Shadow Rate wurden im Vergleich zur bislang vorherrschenden Taylor Rule erhoben. Quelle: Studie 132 N o. 3/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : F EDE RA L R E S E RVE

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