Institutional Money, Ausgabe 3 | 2020

von selbst ergeben? Relativ sicher sind sich die Autoren jedoch darüber, dass die Ent- scheidungsträger angesichts der übertrie- benen Sorgen bezüglich Inflation und Über- hitzungseffekten „ihre Instrumentarien nicht entschlossen und vehement genug einge- setzt haben“. Alternativer Ansatz Von dieser Einschätzung ausgehend stellt sich die Frage, ob ebendiese Instrumenta- rien, die ihren Fokus auf der gegenwärtigen Inflationsrate haben, überhaupt noch zeitge- mäß sind. Im entscheidenden FEDS-Paper (Finance and Economics Discussion Series) „Alternative Strategies: How Do They Work? How Might They Help?“ der Fed- Ökonomen Jonas Arias, Martin Bodenstein, Hess Chung, Thorsten Drautzburg und Andrea Raffo, die sich aus dem Stab der Fed Philadelphia und dem Board of Gover- nors of the Federal Reserve System rekru- tieren, werden diverse Strategien ausge- leuchtet, die eine valide Alternative zum bis dahin angewandten Fed-Regelwerk dar- stellen sollen. Dazu gehört unter anderem der von Powell vorgestellte Ansatz, wonach die Leitzinsen über einen gewissen vergan- genen Zeitraum hinweg durchgerechnet werden und es so zu einem „durchschnittli- chen“ Inflationsziel kommen soll. Mildes Rezessionsmodell Verglichen wird dabei der bisherige auf der Taylor Rule basierende Ansatz mit der vier- und achtjährigen Durchrechnung der Kerninflation der persönlichen Konsumaus- gaben (Core PCE; Personal Consumption Expenditure). Ebenfalls untersucht wird das sogenannte Price Level Targeting (PLT), in- dem in der Rückschau die Differenz der Kerninflationsrate zum Inflationsziel kumu- liert wird. Die sich daraus ergebende Lücke, die bei mehrmaligem Verfehlen des Ziels immer größer wird, gilt es aus Notenbank- sicht zu schließen. In der Studie wird für die PLT-Strategie t = 0 mit Q4/2019 angenom- men. Zum selben Zeitpunkt wird das Mo- dell einer milden Rezession vorausgesetzt (siehe Charts „Alternative Fed-Politik in einem milden Rezessionsszenario I & II“) . Die Autoren simulieren nur die Zinspolitik und lassen andere monetäre Methoden wie die Ausweitung der Notenbankbilanz aus, „um die Vergleichbarkeit der einzelnen Strategien untereinander zu erleichtern“. Zur Erfüllung des dualen Fed-Mandats – also Stützung des Arbeitsmarktes und Kon- trolle der Teuerungsrate – muss eine Fed, die sich an die klassische Taylor Rule hält, die Zinsen im zugrunde gelegten milden Rezessionsszenario rasch auf knapp über null senken, die Leitzinserhöhungen erfol- gen aber früher, als das bei allen anderen alternativen Strategien der Fall ist. Das be- deutet, dass das bislang angewandte Zins- regime das aggressivste ist – mit negativen Folgen für den Arbeitsmarkt. Denn die re- lativ hohen Zinsen bremsen das Wirt- schaftswachstum und sorgen dafür, dass die Arbeitslosigkeit kurzfristig mit 5,5 Prozent am stärksten steigt und sich langfristig bei rund vier Prozent am schwächsten erholt. Bei allen anderen Ansätzen verläuft die Kurve flacher. Was die Inflation betrifft, so bleibt diese bei allen Strategien bis etwa Ende 2027 un- ter zwei Prozent, erst dann überschießt die Teuerung unter PLT diesen Wert und bleibt konstant darüber. Die zweiterfolgreichste Strategie ist in diesem Zusammenhang die der achtjährigen Durchschnittsinflation. Regulatorisch interessant ist auch die re- gelbasierte Lücke, die sich unter dem jewei- ligen Regime nach einer milden Rezession ergibt. Diese ist bei PLT am beharrlichsten, was sich wiederum aus der Kumulierung der einzelnen „Gaps“ ergibt. Diese theoretische Diskrepanz kann sich aber faktisch als Pro- blem darstellen: Denn so wie die Taylor » Wir werden uns einer breiten Palette an Maßnahmen bedienen und uns unser Vorgehen nicht von irgendeiner Formel diktieren lassen. « Jerome Powell, Vorsitzender Federal Reserve Board Alternative Fed-Politik in einem milden Rezessionsszenario II Entwicklung Kernprivatkonsuminflation Entwicklung der Kerninflationslücke Unter der Verfolgung durchschnittlicher Inflationsziele (AIT-Regelwerk) fällt die Inflation nicht so stark wie unter der Taylor Rule. Besonders schnell erholt sich die Teuerung Price Level Targeting (PLT). Da unter PLT die Inflationslücken kumuliert werden, hält sich dieses „Gap“ hier aber am längsten – was zu Problemen führen kann. Quelle: Studie 1,0 % 1,5 % 2,0 % 2,5 % 4 Jahre AIT-Regelwerk PLT-Regelwerk Rezessionsszenario 8 Jahre AIT-Regelwerk Per 4. Quartal 2030 33 32 31 26 27 28 29 2025 24 23 22 21 2020 19 18 -3 % -2 % -1 % 0 % 1 % 4 Jahre AIT-Regelwerk PLT-Regelwerk 8 Jahre AIT-Regelwerk 2030 33 32 31 26 27 28 29 2025 24 23 22 21 2020 19 18 130 N o. 3/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : F EDE RA L R E S E RVE

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