Institutional Money, Ausgabe 3 | 2020

Wenn also die Inflation einige Zeit unter zwei Prozent gelegen ist, wird sie danach moderat über zwei Prozent liegen. Für die Erreichung dieses Ziels werden wir uns aber nicht an eine bestimmte mathematische Formel binden, die diesen Durchschnitt bestimmt.“ Die Freiheit, sich unabhängig von statisti- schen Modellen entscheiden zu können, scheint Powell recht wichtig zu sein. Denn im Redemanuskript taucht nur drei Zeilen später eine nahezu wortgleiche, wenn auch drastischere Formulierung auf: „Wir werden uns einer breiten Palette an Maßnahmen bedienen und uns unser Vorgehen nicht von irgendeiner Formel diktieren lassen.“ Intensive Vorbereitung Der Einführung der Anti-Volcker-Strate- gie ging trotz aller Unschärfe in der Präsen- tation eine intensive Vorbereitungsphase voraus. Neben der neu etablierten Informa- tionstour „Fed Listens“, in deren Rahmen Vertreter aus möglichst verschiedenen wirt- schaftlichen Ebenen – Kleinunternehmer, Arbeitnehmervertreter, Pensionisten etc. – getroffen wurden, und einer groß angeleg- ten Research-Konferenz wurde „eine Serie an Komiteediskussionen durchgeführt, de- nen rigorose Analysen des Fed-Personals zugrunde lagen“, wie Powell berichtet. Tat- sächlich sind im Verlauf dieses Prozesses elf Papers entstanden, die vier Stoßrichtungen verfolgen: Das erste Set beschäftigte sich mit dem Verlauf der Großen Finanzkrise (GFC) und den Lehren, die daraus gezogen werden können. Das zweite Set zeigt die Möglichkeiten eines alternativen monetären Ansatzes auf – also beispielsweise eines durchschnittlichen Inflationszieles. Im drit- ten Teil werden mögliche Probleme der di- versen Ansätze ausgeleuchtet, während sich der vierte Abschnitt dem Arbeitsmarkt und den Verteilungsfragen der modernen Geld- politik widmet. Als Ausgangspunkt dieser Werkserie und Teil des ersten Themenkreises kann „Mo- netary Policy and Economic Performance since the Financial Crisis“ von den Fed- Ökonomen Dario Caldara, Etienne Gagnon, Enrique Martínez-Garcia und Christopher J. Neely verstanden werden. In dieser Arbeit, die im August 2020 veröffentlicht wurde, wird zwischen den Zeilen klar, wie trauma- tisch die GFC und ihr Nachhall auch für die Notenbanker war. Demnach hätten sowohl die „Schwäche der Inflation, als auch das unter den Erwartungen liegende Tempo der wirtschaftlichen Erholung die Verantwortli- chen überrascht“, wie die Autoren feststel- len. Ebenso verblüfft war man von der ra- scher als erwarteten Erholung des Arbeits- marktes. „Strukturelle Veränderungen, die zum damaligen Zeitpunkt schwer abzu- schätzen waren, können diese Prognosefeh- ler zumindest zum Teil erklären“, heißt es weiter – im Rückblick hätte man aus Sicht der Autoren besser auf die Krise reagieren können. Sie räumen aber ein, dass selbst heute noch „Unsicherheiten darüber beste- hen, welche Auswirkungen die Notenbank- politik wirklich hatte“: Welche Effekte wa- ren dem aktiven Eingreifen der Fed ge- schuldet, und welche hätten sich ohnehin Fed-Vorsitzender Jerome Powell legt in Zeiten von Covid-19 eine Neuausrichtung der US-Notenbank vor, die von Beobachtern auch gern einmal als Volcker-Reverse bezeichnet wird. Im Fokus seines durchschnittlichen Inflationsziels von zwei Prozent steht der Arbeitsmarkt. Ein längerfristiges Überschießen des Inflationsziels wird unter dem neuen Regelwerk möglich. N o. 3/2020 | www.institutional-money.com 129 T H E O R I E & P R A X I S : F EDE RA L R E S E RVE

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=