Institutional Money, Ausgabe 3 | 2020

D er Paukenschlag kam zwar nicht unerwartet, das tat seiner Wucht aber keinen Abbruch: Am 27. August verabschiedete sich der Fed-Vorsitzende Jerome Powell nämlich vom relativ simplen Inflationsziel von zwei Prozent und schwenkte auf ein „durchschnittliches“ In- flationsziel von zwei Prozent um. Was auf den ersten Blick wie Semantik klingt, hat es auf den zweiten Blick in sich, „erlaubt es der Fed doch ab sofort, Inflationsraten zuzulassen, die die zwei Prozent übertreffen“, wie Kristina Hooper, Chief Global Market Strategist bei Invesco, er- klärt: je niedriger die Inflation in der Vergangenheit, desto höher also der akzeptierte Inflationswert in Gegenwart und Zukunft. Laut Hooper „vollführt Powell damit einen Volcker-Reverse. Denn Volcker hatte hohe Inflation zum Feind erklärt. Nun hat Powell dasselbe mit der niedrigen Inflation gemacht.“ Damit erhöhe sich zwar die „Wahrscheinlichkeit steigender Inflation, dass dies tatsächlich passiert, ist allerdings alles andere als sicher“. Mit dieser Unsi- cherheit steht die Invesco-Strategin nicht al- lein. Mark Haefele, bei UBS Chief Invest- ment Officer Global Wealth Management, geht zwar davon aus, dass „die Renditen für eine längere Zeit sehr niedrig bleiben“, aber insgesamt hätte die Fed „wenig neuen Input geliefert, abgesehen von der erwarteten Ab- weichung des Inflationsziels“. Skeptisch zeigt man sich bei Janus Henderson, wo Nick Maroutsos, Head of Global Bonds der Fed-Maßnahme de facto jegliche Wirksam- keit abspricht und sich überrascht darüber zeigt, „wie viele Marktteilnehmer tatsäch- lich davon ausgehen, dass nun höhere Infla- tionsraten ins Haus stehen“. Dass die Beobachter mit Vorsicht und Skepsis auf den neuen Kurs der Fed reagie- ren, liegt nicht zuletzt an der Rede von Powell selbst: Man darf schließlich erwar- ten, dass eine Notenbank bei einer derart grundlegenden Neuausrichtung zumindest die wichtigsten Fakten ihrer Strategie erklä- rend ausführt – beispielsweise welche Durchschnittsperiode sie bei der Berech- nung der Inflationsrate eigentlich meint: Wird über drei Jahre durchgerechnet oder über 30? Tatsächlich blieb Powell gerade in diesem Punkt extrem schwammig: „Wir werden danach trachten, eine Inflation zu erzielen, die über eine gewisse Zeit hinweg bei durchschnittlich zwei Prozent liegt. Während hohe Inflation für den legendären ehemaligen Fed-Vorsitzenden Paul Volcker noch als „Feind“ galt, hat der aktuelle Fed-Chef Jerome Powell die Strategie der US-Notenbank vollkommen neu konzipiert – mit teils schwer abzuschätzenden Konsequenzen. Alternative Fed-Politik in einem milden Rezessionsszenario I Entwicklung des Fed-Leitzinses (Rezessionsszenario = Leitzins gemäß Taylor Rule) Entwicklung Arbeitslosenquote (Rezessionsszenario = ALQ unter Taylor Rule) Der Leitzins wird unter der bislang praktizierten Taylor Rule relatv früh wieder angehoben – gleichzeitig ist der Verlauf der Arbeitslosigkeit unter dem Taylor-Regime am gravierendsten ausgeprägt. Strategien, die sich an durchschnittlichen Inflationsraten (AIT-Regelwerke) oder dem Price Level Targeting (PLT) orientieren, zeigen einen milderen Verlauf. Quelle: Studie -1 % 0 % 1 % 2 % 3 % 4 % 5 % 6 % 4 Jahre AIT-Regelwerk PLT-Regelwerk Rezessionsszenario 8 Jahre AIT-Regelwerk 2030 33 32 31 26 27 28 29 2025 24 23 22 21 2020 19 18 3 % 4 % 5 % 6 % 4 Jahre AIT-Regelwerk PLT-Regelwerk Langfristige Arbeitslosenquote Rezessionsszenario 8 Jahre AIT-Regelwerk 2030 33 32 31 26 27 28 29 2025 24 23 22 21 2020 19 18 FOTO : © I NV E SCO, B I L L O ' L E A RY | B LOOMB E RG » Volcker hatte hohe Inflation zum Feind erklärt. Nun hat Powell dasselbe mit der niedrigen Inflation gemacht. « Kristina Hooper, Chief Global Market Strategist, Invesco Der Anti-Volcker 128 N o. 3/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : F EDE RA L R E S E RVE

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