Institutional Money, Ausgabe 3 | 2020

cherweise nicht, wie ein zweiter, genauerer Blick auf die Reaktionen der Unternehmen zeigt – beispielsweise die Investitionstätig- keit. Auch hier ergibt sich zunächst ein nicht allzu überraschendes Bild: Es besteht ein negativer Zusammenhang zwischen Risk und Investitionen. Dieser ist auf einem Konfidenzniveau von 99 Prozent statistisch hoch relevant. „Die entsprechenden Koeffi- zienten deuten darauf hin, dass internationa- le Firmen mit einem relevanten UK-Expo- sure nach 2016 gegenüber dem Durch- schnitt einen 2,6-prozentigen Rückgang bei der Investitionsquote ausweisen.“ Das wür- de also bedeuten, dass die Unternehmen aufgrund steigender Unsicherheit vorsichti- ger bei den Investitionstätigkeiten geworden sind, der Brexit also eingepreist wäre. Geplatzte Bombe Ein Blick auf das „Sentiment“ lässt aber eine versteckte Bombe platzen. Denn der Zusammenhang zwischen Sentiment und Investition ist statistisch auf keiner Ebene relevant. „Die Unternehmen haben sich also auf die Unsicherheit eingestellt, aber nicht darauf, ob der Ausgang des Brexit für sie positiv oder negativ sein wird“, erklärt Hassan. „Unsere Analyse lässt demnach den Schluss zu, dass sich viele Effekte des Brexit noch gar nicht materialisiert haben.“ Dasselbe Bild ergibt sich übrigens, wenn man auf die Mitarbeiterzahlen blickt. Auch hier ergibt sich im Bezug auf Risk ein Zu- sammenhang auf dem 99-Prozent-Niveau, während er hinsichtlich des Sentiments sta- tistisch irrelevant ist. Die Berechnungen halten laut den Auto- ren diversen Robustheitstests stand. Sie untersuchten mögliche Verfälschungen, bei denen Nicht-Brexit-Risiken in die Regres- sionen hineinspielen könnten – beispiels- weise jenes, wonach das Management den Brexit für schlechte Ergebnisse verantwort- lich macht, obwohl es gar kein faktisches Exposure zum Brexit-Risiko gibt. Dem haben die Autoren gegengesteuert, indem bei den Umsätzen, Filialnetzen, Headquar- ters und der Belegschaft diverse Mindestkri- terien erfüllt werden mussten, um in die Auswertung zu kommen. Alles offen Insgesamt bestätigt die Arbeit von Hassan et al. also die Einschätzung von JPM-Stra- tegin Karen Ward, wonach beim Brexit noch längst nicht alles eingepreist ist. Argu- mente bezüglich des Pfundes können auf dem Aktienmarkt von Optimisten ebenso ins Feld geführt werden wie von Pessimis- ten. Und nachdem weder Unternehmen noch Analysten genau abschätzen können, für wen der Brexit nun wirklich good or bad news darstellt, bleiben in der Preisfin- dung akute Unsicherheiten und entspre- chendes Korrekturpotenzial in die eine oder andere Richtung bestehen. Freibrief für Johnson? Also hat Boris Johnson am Ende doch recht? Ist „Get Brexit Done“ – egal wie, Hauptsache erledigt – die beste Lösung? „Eine oberflächliche Lektüre unseres Papers könnte diesen Schluss nahelegen“, gibt Has- san zu. „Tatsächlich scheinen Unternehmen Investitionen und Belegschaft angesichts hoher Brexit-Unsicherheiten zu reduzieren. Insofern könnte eine Auflösung dieser Unsicherheiten dazu führen, dass die Unternehmen wieder auf ihren alten, expan- siveren Kurs zurückkehren.“ Einen Freibrief wollen die Autoren John- son mit ihrem Papier aber definitiv nicht ausstellen: „Wenn der Brexit schlecht aus- geführt wird, kann es sehr wohl sein, dass die negativen Auswirkungen des vollzoge- nen Austritts die negativen Auswirkungen der Brexit-Unsicherheit übertreffen“, so Hassan. HANS WEITMAYR Je unsicherer, desto höher der Verlust Korrelation zwischen Unsicherheit und dem Kursverlauf von UK- sowie internationalen Firmen Wenn die von den Autoren errechneten Brexit-Risikofaktoren über Relevanz verfügen sollen, müssten sie eine entsprechend negative Korrelation zum Kursverlauf haben. Das ist tatsächlich der Fall. Sowohl auf britischer als auch auf internationaler Ebene sinkt der Ertrag nach der Brexit-Abstimmung entsprechend dem zugeordneten Brexit-Risiko. Quelle: Studie Durchschnittl. Brexit-Risiko +0,2 0 –0,2 –0,6 –0,4 » Die Firmen haben sich auf die Unsicherheit ein- gestellt, aber nicht darauf, ob der Ausgang des Brexit für sie positiv oder negativ sein wird. « Tarek Alexander Hassan, Boston University –2 0 2 4 6 Durchschnittl. Brexit-Risiko +0,2 0 –0,2 –0,6 –0,4 UK-Firmen Internationale Firmen (ohne UK) Aktien- erträge 24. bis 28. Juni 2016 –2 0 2 4 6 Aktien- erträge 24. bis 28. Juni 2016 122 N o. 3/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : BR E X I T

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