Institutional Money, Ausgabe 3 | 2020

diese Schwankungen auf Crowding und nicht auf normale Preisschwankungen risi- koreicherer Vermögenswerte zurückzufüh- ren sind, die überhaupt nicht crowded sind? Angesichts des Fehlens einer Definition für Crowding ist nicht klar, welche Schlüsse man ziehen soll. Wenn das Argument ein- fach jenes ist, dass Renditen über die Zeit schwanken und manchmal niedrig sind, dann ist nicht klar, was Faktoren vom Aktienmarkt unterscheidet. Die Tat- sache, dass Renditen über die Zeit schwanken, bedeutet nicht, dass Investo- ren besser fahren, wenn sie Timing-Ent- scheidungen treffen, wann sie in welcher Prämie investiert sind. Vielmehr ist es intelligenter, langfristig Faktorprämien zu ernten, wie beispielsweise Cliff Asness 2016 in „The Siren Song of Factor Timing“ schrieb. Zu behaupten, dass es einen Crow- ding-Faktor geben müsse, weil ein be- stimmter Faktor Verluste erleide, ignoriere völlig die Natur einer Risikoprämie. Eine Risikoprämie bedeute im Durchschnitt eine höhere Rendite, weil ein zusätzliches Risiko vom Investor übernommen werde. Alle Risikofaktoren werden Renditen zeigen, die sich substanziell im Zeitablauf voneinander unterscheiden, und nur eine Langzeitanalyse kann zu bedeutsamen Schlussfolgerungen in Bezug auf die durchschnittliche Prämien- höhe führen. Im Einklang mit Black, der 1993 den Artikel „Estimating Expected Returns“ schrieb, sollte man sich immer in Erinnerung rufen, dass man Daten über Jahrzehnte benötigt, um genaue Schätzun- gen erwarteter durchschnittlicher Renditen abgeben zu können. Ein Beispiel für die Schwierigkeit festzustellen, ob es tatsäch- lich Änderungen der Faktorrenditen gibt, ist der Small-Cap-Effekt. Fallbeispiel Small-Cap-Effekt Vielerorts macht sich der Glaube daran breit, dass der Small-Cap-Effekt verschwun- den ist. Publikationen argumentieren zuneh- mend in diese Richtung. Das liegt laut den Autoren daran, dass sich viele Studien auf den Zeitraum von 1980 bis 2000 beziehen, sie sind damit abhängig von der gewählten Stichprobe. So hat beispielsweise Hirshleifer 2001 in „Investor Psychology and Asset Pricing“ geschrieben, der Small-Cap-Effekt sei bei kleineren US-Firmen schwach bezie- hungsweise in den letzten 15 Jahren prak- tisch nicht mehr vorhanden gewesen. Horo- witz, Loughran und Savin schrieb 2000 in „The Disappearing Size Effect“, dass die Renditen des Size-Faktors zwischen 1980 bis 1996 negativ seien, und er habe vorge- schlagen, den Faktor zu streichen, da er ver- schwunden sei. Diese Schlüsse werden oft- mals auf Grundlage der Analyse einer zu kurzen Datenhistorie gezogen, meint man bei SciBeta. Es sei eben nicht angemessen, daraus auf das Bestehen oder Nichtbestehen einer Faktorprämie schließen zu wollen. Die Grafik „Irreführung“ illustriert, dass die Aussage zur Small-Cap-Prämie stichproben- abhängig sein kann. Dargestellt ist die an- nualisierte Size-Faktorprämie über rollieren- de 15-jährige Zeiträume in den USA über 93,5 Jahre, konkret von 1. Juli 1926 bis 31. Dezember 2019. Auch die korrespondieren- den t-Werte sind darin abgetragen. Die Resultate legen nahe, dass man zu bestimmten Zeiten tatsächlich zum Schluss kommen konnte, dass die Small-Cap-Prämie verschwunden ist, wenn man bestimmte 15- Jahre-Zeitfenster analysiert. Speziell um die Jahrtausendwende war es sehr populär, das Ende der Prämie auszurufen. Die Grafik zeigt, dass die Prämie tatsächlich während der 90er-Jahre negativ war. Doch dann erleb- te sie ein Revival und zeigte ab dem Millen- nium bis 2013 wieder stark positive Rendi- ten. Benz hatte die Existenz der Small-Cap- Prämie 1981 publiziert, und zwar nach ei- nem Zeitraum noch höherer Renditen und mit t-Werten von um die drei, was eine hohe statistische Signifikanz bedeutet. Berichte über den Tod der Small-Cap-Prämie dürften jedenfalls verfrüht sein, wenn man sich das Auf und Ab der letzten 90 Jahre ansieht. Betrachtet man etwa die Entwicklung der annualisierten 15-jährigen Renditen während der frühen 60er-Jahre, so zeigten diese ähn- liche Verluste wie seit 2013. Diese Verluste in den 60ern kamen vor der erstmaligen Publikation des Size-Effektes, von einem Crowding kann man angesichts der Unbe- kanntheit der Small-Cap-Prämie daher mit Sicherheit nicht sprechen. Vielleicht legen diese Ergebnisse den Schluss nahe, dass Fak- torrenditen über die Zeit starken Schwankun- gen ausgesetzt sind und dass man sehr, sehr lange Zeiträume benötigt, um die Signifi- kanz einer Faktorprämie belegen zu können. Angesichts dieser langfristigen Schwankun- gen der Faktorprämien ist es sehr schwierig, den verlässlichen Schluss zu ziehen, dass ein Faktor tatsächlich verschwunden ist, selbst wenn er über relativ lange Zeitspannen nicht nachgewiesen werden kann. In die Zukunft blickend zu sagen, dass Faktorprämien auf- grund von Crowding auf der Basis kurzfrist- iger Performanceanalysen verschwunden wären, ist ein riskantes Unterfangen, was die Verlässlichkeit solcher Prognosen betrifft. Alle stichprobenbezogenen Erkenntnisse sollten also mit der allergrößten Vorsicht behandelt werden. So ist es zum Beispiel bemerkenswert, dass – obwohl es häufig heißt, der Size-Effekt sei verschwunden – Eugene Fama und Kenneth French 2015 zeigen konnten, dass dieser sehr wohl empi- risch auf lange Sicht wichtig ist, und zwar sowohl für das Zeitfenster von 1927 bis 1963 als auch jenes von 1963 bis 2013. Value-Faktor Ähnliches gilt auch für den zuletzt viel geschmähten Value-Faktor, der nach der Analyse bestimmter Stichproben als redun- dant bezeichnet wird. Fama und French schlossen ebenfalls 2015 auf die Redundanz des Value-Faktors nach der Analyse einer US-Stichprobe. Allerdings fanden sie gleichzeitig heraus, dass es in einer globalen Stichprobe keinen Beleg für ein Verschwin- den des Value-Faktors gibt. Gleichzeitig merkten sie an, dass ihre älteren Resultate eventuell aufgrund der Wahl der Stichprobe die Redundanz des Value-Faktors belegten. Des Weiteren zeigte sich bei umfangrei- chen Analysen von Multi-Faktor-Modellen, FOTO : © EDHEC » Ökonomisch fundierte, wissenschaft- lich belegte Faktorprämien bestehen auch nach Publikation weiter. « Dr. Felix Goltz, Head of Applied Research, EDHEC-Risk Institute, und Research Director bei Scientific Beta in Nizza 106 N o. 3/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : SMAR T BE TA

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