Institutional Money, Ausgabe 3 | 2020

folgt vor: Zuerst befasst man sich mit der wirtschaftlichen Begründung von Faktor- prämien, dann analysiert man empirische Belege für Crowding und leitet daraus schließlich Überlegungen für die Praxis ab. Begründung der Faktorprämien Findet man eine wirtschaftliche Begrün- dung für die Existenz von Faktorprämien, so sollten diese auch langfristig Bestand haben, da einige Investoren es trotz der höheren Renditen ablehnen werden, ihre Anlagen in diese Richtung zu erweitern. Beispielsweise könnten einige Anleger niedrigere Renditen von Aktien vorziehen, die in Krisenzeiten eine hohe Ausschüt- tungsquote beibehalten. Sie könnten so be- wusst Portfolios halten, die die erwiesener- maßen langfristig vorhandenen Faktorprä- mien verschmähen, etwa indem sie auf die Wachstumsaktien unter den Large Caps set- zen und somit auf Value- und Size-Prämie verzichten. Natürlich können bestimmte Faktorstrategien auch schrumpfende Risiko- prämien sehen, wobei davon jene ausge- nommen sind, wo es Arbitrage-Beschrän- kungen gibt, was nichts anderes bedeutet, als dass viele Investoren nicht in der Lage sind, von diesen Prämien zu profitieren. Risikobasierte Erklärungen geben Begrün- dungen dafür, warum Faktorprämien Be- stand haben sollten – und zwar selbst dann, wenn die meisten Investoren von ihnen Kenntnis haben. So werden einige Investo- ren immer davon Abstand nehmen, be- stimmte Faktorprämien zu jagen, selbst wenn sie von deren Existenz überzeugt sind – etwa deshalb, weil sie kein zusätzliches Risiko übernehmen wollen oder weil sie in- terne Regularien oder aufsichtsrechtliche Bestimmungen davon abhalten. Auch die Wissenschaft selbst ist nicht frei von geäußerten Vermutungen über die End- lichkeit der Existenz von Faktorprämien. So argumentieren beispielsweise Yasenchak und Whitman 2015 in „Understanding the Risks of Smart Beta and the Need for Smart Alpha“, dass angesichts der gestiegenen Ver- breitung von Smart-Beta-Strategien ein ähn- lich gestiegenes Overcrowding-Risiko ein- hergehe, das zu Faktor-Crashs führen könne. So etwas führt dazu, dass sich viele Investo- ren fragen, ob Verluste einzelner Faktorin- vestments zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich ein Indiz für den Crowding-Ef- fekt sind. Wenn ein Verlust in einem Faktor der Nachweis eines Crowding-Effekts ist, dann müsste man konsequenterweise sagen, dass ein Aktienmarktcrash der Beweis dafür ist, dass es ein Overcrowding in den markt- kapitalisierungsgewichteten Indizes gegeben hat, das korrigiert wurde. Oder ein anderes Beispiel: Wenn langfristige Bonds auf kurze Sicht deutlich schlechter als Kurzfristanlei- hen performen, ist dann der Nachweis von Crowding durch Investoren gelungen, die die Laufzeitprämie vereinnahmen wollen? Wie kann man zum Schluss kommen, dass Totgeglaubte Faktoren leben länger: Während manche Investoren und Wissenschaftler schon den Tod einzelner Faktoren heraufdämmern sehen, gibt ERI Scientific Beta Entwarnung. Man müsse den einzelnen Faktoren nur mehr Zeit geben und keine vorschnellen Urteile fällen. N o. 3/2020 | www.institutional-money.com 105 T H E O R I E & P R A X I S : SMAR T BE TA

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