Institutional Money, Ausgabe 2 | 2020

Daher lässt sich festhalten, dass trotz aller Aufregung, die es in den vergangenen Jah- ren gegeben hat, das Grundgefüge des Maastricht-Vertrags für die Europäische Währungsunion erhalten geblieben ist. Müssten nicht eigentlich Europa und vor allem die Euroländer jetzt viel enger zu- sammenstehen, um diese Leere, die die USA im Moment im Umgang mit der Corona- krise hinterlassen, mit seriösen Inhalten zu füllen? Nicht nur um eventuell den US-Dol- lar als Weltreservewährung abzulösen, son- dern auch um wirtschaftlich eine bedeuten- dere Rolle in der Welt zu spielen? Lars Feld: Zum Thema Ablösung des US- Dollars als Weltreservewährung: Eine solche Entwicklung erwarte ich gegenwärtig nicht. Es ist zwar so, dass die USA im Umgang mit Corona große Schwierigkeiten haben und vermutlich im Rückblick auch eine hö- here Letalitätsrate werden berichten müssen als andere Länder. Deshalb wird die dortige Wirtschaft einen kräftigen Einbruch erleben. Aber wir haben schon häufiger gehört, dass die Amerikaner abgeschrieben wurden, und mussten am Ende feststellen, dass sie sich doch noch mal neu erfunden haben. Den zweiten Aspekt Ihrer Frage zur Rolle der Europäischen Union im Gefüge zwischen USA und China beantworten Frankreich und Deutschland unter der Führung der franzö- sischen Abschottungsstrategie, die von Wirt- schaftsminister Altmeier sekundiert wird, so, dass wir deutlich stärker zu einer Art Fes- tung Europa werden müssen. Das halte ich nach wie vor für den falschen Weg. Warum? Lars Feld: Aus meiner Sicht muss sich Europa zwar in Sicherheitsfragen sehr viel stärker positionieren. Wir sind zwar auf diesem Weg, haben aber bestimmte Sicherheits- aspekte in den vergangenen Jahren nicht aktiv genug bedient. Da geht es um militä- rische wie auch andere Fragen der inneren Sicherheit, etwa das Thema Spionage. Hier müssen wir meines Erachtens deutlicher zeigen, dass wir eher auf der Seite Ameri- kas stehen als auf der Seite von China, auch aus wirtschaftlichem Interesse. Das haben wir zuletzt nicht eindeutig genug kommu- niziert. Andererseits kann ich mich derzeit nicht des Eindrucks erwehren, dass man die Sicherheitsproblematik nun bewusst dazu nutzt, um alles Mögliche mit hineinzuneh- men bis hin zur Produktion von Mundschutz und Ähnlichem, indem jetzt gefordert wird, dass künftig alles wieder in Europa produ- ziert werden soll, am besten in Deutschland. Davon halte ich überhaupt nichts. Haben Sie jetzt etwa Angst um die Globa- lisierung? Lars Feld: Angst habe ich immer darum. Weil ich glaube, dass man sie nicht nur beibe- halten muss, wir brauchen meiner Ansicht nach sogar mehr statt weniger Globali- sierung, um eine Absicherung gegenüber künftigen Krisen zu haben. Deshalb müssen wir versuchen, unsere internationalisierten Wertschöpfungsketten so abzusichern, dass wir beim nächsten Mal eben nicht von nur einem Lieferanten abhängig sein werden. Das heißt, wir brauchen mehrere Lieferan- ten in verschiedenen Ländern und in ver- schiedenen Regionen der Erde. Aus diesem Grund führt uns die Vorstellung, dass künf- tig alles, was mit Hygiene und Mundschutz zu tun hat, lieber wieder im Inland produ- ziert werden soll, auf die falsche Fährte. Denn wer weiß schon, was die nächste Krise auslösen wird? Wenn wir ehrlich sind, niemand. Auf meinem Zettel stand die Corona-Pandemie jedenfalls nicht. Wir danken für das Gespräch. HANS HEUSER » Wir brauchen meiner Ansicht nach mehr statt weniger Globalisierung, um eine Absicherung gegenüber künftigen Krisen zu haben. « Lars Feld, Chef der Wirtschaftsweisen A L L E F OTO S : © A ND R E A S E ND E R MA NN 42 N o. 2/2020 | www.institutional-money.com THEOR I E & PRA X I S : LARS FE LD | WI RT SCHAFT SWE I SER

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