Institutional Money, Ausgabe 2 | 2020

BR I E F DER HERAUSGEBER 4 N o. 2/2020 | www.institutional-money.com D ass die neuerliche Lawine an Staatsschulden fol- genlos bleiben wird, glaubt wohl kaum jemand. Die Liquiditätsinjektionen der Notenbanken und die Rettungspakete von Regierungen in astronomi- schen Höhen waren zwar nach Ansicht von Beobachtern notwen- dig, um einen Kollaps von Wirtschaft und Kapitalmärkten zu ver- meiden, allerdings stellt sich nun die Frage, wie man diese Bürde wieder loswird. Lässt man die mehr als unwahrscheinliche Variante „Hohes Wirtschaftswachstum mit hohen Steuereinnahmen“ einmal außen vor, bleiben nur Inflation, höhere Steuern und finanzielle Repression. Mehr Inflation zu erzeugen ist den Notenbanken in der letzten Dekade nicht gelungen, höhe- re Steuern verbieten sich in einer konjunkturellen Krisen- phase von selbst, somit bleibt nur die Intensivierung der fi- nanziellen Repression. Da man Letztere ja bereits seit der Finanzkrise praktiziert, dürften die Hemmungen dies- bezüglich gering sein. Als Bank oder als institutioneller Anleger kann man daher davon ausgehen, dass man via Regulierung in den nächsten Jahren noch mehr als bisher zu Investitionen genötigt wird, die man freiwillig nicht oder nicht in diesem Ausmaß tätigen würde. Dürfte man sich von dieser Politik eine Entschuldung der Staaten ohne Kollateralschäden erhoffen, wäre das sogar akzeptabel. Dass dies grundsätzlich möglich ist, zeigt ein Blick in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg: In dieser Phase konnten die USA und Großbritannien ihre Schuldenlast auch mithilfe finanzieller Repres- sion abbauen. Dass dies in diesen Tagen ebenfalls funktionieren kann, ist leider unwahrscheinlich. Die Ökonomen Andreas Hoff- mann und Gunther Schnabl von der Universität Leipzig warnten 2018 in einer Arbeit davor, dass die Erfolge, die man mit dieser Strategie beim Abbau der hohen Staatsverschuldung nach dem Krieg im Bretton-Woods-System erzielte, nicht auf heute übertrag- bar seien, weil die Finanzmärkte nunmehr völlig anders aussehen. Dass sie damit richtigliegen dürften, darauf deutet die Entwicklung der letzten Jahre hin: „Infolge der globalen Finanz- und Schulden- krise (2007/2008) drückten die großen Zentralbanken unter Mario Draghi, Haruhiko Kuroda, Ben Bernanke und Janet Yellen die Zinsen weiter: auf null oder sogar darunter. Das half zwar, kurz- fristig den Kollaps fragiler Finanzinstitute zu verhindern und den Zinsdienst der hochverschuldeten Staaten erträglich zu halten. Doch eine nachhaltige Entschuldung ist nicht in Sicht“ , schrieben die Leipziger Ökonomen 2018. Finanzielle Repression könne nicht nur wenig zum realen Schuldenabbau beitragen, es sei auch davon auszugehen, dass ihr volkswirtschaftlicher Einfluss negativ ist. Auf Unternehmensebene löst sie zwei Probleme aus. Erstens hat sie das Potenzial, die Innovationskraft von Unternehmen zu verringern. Wer billige Kredite bekommt, hat wenig Motivation, in effizientere Produktionsverfahren zu investieren. Sogenannte „Zombie-Unter- nehmen“ überleben mithilfe wackeliger Banken, die am Tropf der Zentralbanken hängen. Hoffmann und Schnabl: „Im Ergebnis haben die Produktivitätsgewinne in den Industrieländern über die Zeit hinweg abgenommen.“ Zweitens verringern sie, so das Ergebnis einer Untersuchung von Bo Becker und Victoria Ivashina aus dem Jahr 2014 („Financial Repression in the European Sovereign Debt Crisis“), den Kreditzugang für Unternehmen, wenn Banken ver- stärkt Staatsanleihen kaufen, in einem erheblichen Ausmaß. In ei- ner 2019 publizierten Studie versuchten Etibar Jafarov, Rodolfo Maino und Marco Pani in einem Working Paper des IWF („Finan- cial Repression is Knocking at the Door, Again“) den öko- nomischen Preis für finanziel- le Repression zu beziffern. Erfasst wurden ihre Auswir- kungen auf das Wachstum an- hand einer Analyse von Zins- kontrollen in 90 Ländern über 45 Jahre. Die Ergebnisse deu- ten darauf hin, dass finanziel- le Repression eine Wachs- tumsbremse darstellt, die sich auf 0,4 bis 0,7 Prozentpunkte belaufen könnte. Die Höhe des „Schadens“ für institutionelle Anleger be- zifferte die Swiss Re 2014 in der Analyse „Financial Repression: The Unintended Consequences“ wie folgt: „Entgangene Zinsein- nahmen stellen eine versteckte Steuer für Versicherungsgesellschaf- ten und Pensionsfonds dar – derzeit (Anm.: 2014) im Durchschnitt schätzungsweise 0,4 bis 0,8 Prozent p. a. ihres Finanzvermögens für die USA und Europa.“ Unterm Strich muss man hoffen, dass das Werkzeug finanzielle Repression im geringstmöglichen Ausmaß eingesetzt wird, wenn es die Lage auf längere Sicht nicht verschlimmern soll. Repression im Anmarsch? Gerhard Führing Mamdouh El-Morsi Gerhard Führing Mamdouh El-Morsi

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=