Institutional Money, Ausgabe 2 | 2020

Gesundheit der Bevölkerung und eine star- ke Wirtschaft gegenseitig. Aus meiner Sicht gibt es deshalb keinen Grund, den von Ihnen erwähnten Trade-off aufzumachen. Was bedeutet das mit dem Blick nach vorn? Lars Feld: Meiner Meinung nach werden wir mit diesem Virus, so gut es geht, innerhalb unseres bestehenden Systems umzugehen haben – und zwar so lange, bis ein Impf- stoff gefunden sein wird. Daher sind wir auf dem richtigen Weg, durch sehr sukzes- sive, aber kontinuierliche Maßnahmen zu gewissen Erleichterungen für das gesell- schaftliche und wirtschaftliche Leben zu kommen, indem wir neue Erkenntnisse und eine kontinuierlich wachsende Datenbasis dafür nutzen. Ein Medikament zur Behand- lung der Corona-Infektion, das wahrschein- lich früher vorhanden sein wird als eine Impfung, wäre ein nächster Meilenstein auf diesem Weg. Deswegen kann ich nur dafür plädieren, unter diesen Vorzeichen mit dem Virus so gut und so vorsichtig wie möglich umzugehen und zu leben. Aber einfach zu sagen, wir setzen den Lockdown noch ein Jahr fort, würde uns – nicht nur wirtschaft- lich, sondern auch gesellschaftlich – der- maßen zurückwerfen, dass das keine Option ist. Aber deshalb darf es doch andererseits nicht zu einer Art Rennen – etwa um das beste Mehrwertsteuergeschenk für die Gas- tronomie – kommen, wie es etwa zwischen CSU und SPD entbrannt ist. Lars Feld: Mein Rat wäre gewesen, von Änderungen bei der Mehrwertsteuer die Finger zu lassen. Das einzige Instrument an steuerlichen Maßnahmen, das ich ins Spiel gebracht habe – und zwar für die Zeit nach der Corona-Pandemie, also wenn wir höchstwahrscheinlich einen Anschub für die Wirtschaft brauchen werden, sobald wieder alles geöffnet ist –, das ist eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Das will die SPD zwar nicht hören, weil sie noch immer ver- teilungspolitisch denkt. Aber bei genauer Betrachtung ist es ja so, dass nach einer für 2021 anstehenden Teilabschaffung des Soli das, was noch übrig bleibt an Steuerzah- lungen, zu gut der Hälfte aus unternehme- rischen Einkünften gezahlt wird. Daher würde die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags den richtigen Anstoß liefern, der dann wahrscheinlich dringend gebraucht wird. Ansonsten bin ich in Bezug » Das einzige Instrument an steuerlichen Maß- nahmen, das ich ins Spiel gebracht habe, ist eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags. « Lars Feld, Chef der Wirtschaftsweisen Chef der Wirtschaftsweisen Prof. Lars P. Feld , Jahrgang 1966, ist seit 2010 Universitätsprofessor für Volkswirt- schaftslehre, insbesondere Wirtschaftspolitik und Ordnungsökonomik, an der Albert- Ludwigs-Universität Freiburg und Direktor des Walter Eucken Instituts. Er gehört zudem dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirt- schaftlichen Entwicklung an, seit März dieses Jahres als dessen Vor- sitzender. Feld ist zudem Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen sowie des Unabhängigen Beirats beim Stabilitätsrat. Der Ökonom ist außerdem ständiger Gastprofessor am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, und Sprecher des Kronberger Kreises, des wissenschaftlichen Beirats der Stiftung Marktwirtschaft. Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre an der Uni- versität des Saarlandes promovierte Feld 1999 an der Universität St. Gallen und habilitierte sich dort im Jahr 2002. Von 2002 bis 2006 war er Universitätsprofessor für Volks- wirtschaftslehre an der Philipps-Uni- versität Marburg, von 2006 bis 2010 in gleicher Funktion an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Im Jahr 2007 wurde er als Sachverständi- ger für die Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder- Finanzbeziehungen benannt und wirkte somit beratend an der neuen deutschen Schuldenbremse mit. A L L E F OTO S : © A ND R E A S E ND E R MA NN 38 N o. 2/2020 | www.institutional-money.com THEOR I E & PRA X I S : LARS FE LD | WI RT SCHAFT SWE I SER

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