Institutional Money, Ausgabe 2 | 2020

die Gestaltung glaubhaft darlegen kann; die Beweislast liegt beim Steuerpflichtigen. Technisch lässt sich argumentieren, dass die DAC 6 nur dann relevant ist, wenn überhaupt eine Intention besteht, einen positiven Steuereffekt zu erzielen. „Geht es hingegen nur um die Nutzung regulatori- scher Spielräume, ohne dass ein möglicher Steuereffekt angestrebt wird, bestehen zu- mindest aus deutscher Sicht gute Argumen- te gegen eine Meldepflicht im Rahmen der DAC 6“, stellt Jochimsen-von Gfug klar. Schließlich nutzen viele der regulierten Investoren Strukturen, um ihre Investments unter ihrer jeweiligen Regulierung passend zu machen. „Dieses Vorgehen wird durch DAC 6 grundsätzlich nicht berührt“, meint der Experte. Die Meldepflicht gilt übrigens nicht erst dann, wenn eine Gestaltung tatsächlich Anwendung findet, sondern bereits wenn ein Nutzer zur Umsetzung der Gestaltung bereit ist oder mindestens ein Nutzer den ersten Schritt zur Umsetzung der Gestaltung gemacht hat oder wenn die Gestaltung zur Umsetzung bereitgestellt wurde. Wie erfolgt die Meldung? In der Meldung muss nicht nur die Gestaltung mit den jeweils angewandten Rechtsvorschriften beschrieben werden, sondern auch der konkrete wirtschaftliche Wert ist zu beziffern. Außerdem ist das Datum anzugeben, wann der erste Schritt zur Umsetzung erfolgte, und es sind die personenbezogenen Daten der beteiligten Intermediäre und Nutzer inklusive Name, Anschrift und Steueridentifikationsnummer aufzuführen. Letztlich muss die Meldung in elektronischer Form mittels amtlich vorge- schriebenen Datensatzes erfolgen. Wenn der Intermediär gemeldet hat, teilt ihm das BZSt zwei Nummern mit: eine Registriernummer für die mitgeteilte grenz- überschreitende Steuergestaltung (Arrange- ment-ID) und eine Offenlegungsnummer für die jeweilige Mitteilung (Disclosure-ID). Diese Nummern muss der Intermediär dem Nutzer und eventuellen weiteren beteiligten Intermediären mitteilen. In der Steuererklä- rung des Jahres, in dem sich der steuerliche Vorteil der Gestaltung erstmals auswirken soll, muss der Nutzer dann die beiden Nummern angeben. Die Versuchung, eine Gestaltung nicht zu melden, dürfte hoch sein. Daher sieht das Gesetz Sanktionen vor. Das Nichtmelden einer meldepflichtigen Gestaltung stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, für die eine Geld- buße von bis zu 25.000 Euro vorgesehen ist. Darüber hinaus kann es weitere Maßnah- men geben, etwa den Ausschluss von öf- fentlichen Ausschreibungen oder die Ab- schöpfung des wirtschaftlichen Vorteils, der durch die Ordnungswidrigkeit erzielt wurde. Die Sanktionen gelten allerdings nur für solche meldepflichtigen Gestaltungen, die nach dem 30. Juni 2020 stattfinden. Für die rückwirkend zu meldenden Gestaltungen gelten sie nicht. Der Gesamtverband der Deutschen Versi- cherungswirtschaft (GDV) fordert in einer Stellungnahme die Erstellung einer „White List“ mit Sachverhalten, die nicht melde- pflichtig sind. Hierzu gibt es bereits einen ersten Entwurf des BMF. Nur so ließe sich eine Meldeflut „alltäglicher, legaler und gleichzeitig auch bekannter Sachverhalte“ verhindern, so der GDV. Der Verband for- dert weiter, dass eine solche White List europaweit gelte soll, da sonst international tätige Gesellschaften für jedes Land die Mitteilungspflicht einzeln prüfen müssten. Schwierig dürfte sich in der Praxis auch der Sachverhalt gestalten, dass Berater ihren Kunden erst eine steuerliche Gestaltung ausarbeiten, diese dann aber an die jewei- lige staatliche Stelle melden müssen. Das kollidiert mit beruflichen Verschwiegen- heitspflichten. Die deutsche Umsetzung der DAC 6 sieht daher grundsätzlich vor, dass der Berater abstrakt, also ohne Nennung des Mandanten meldet, und die Mandanten dann mit der Arrangement- und der Disclo- sure-ID nachmelden. „Unsere Risikoma- nagementprozesse gehen in die Richtung, dass wir das richtige Maß an Meldungen machen. Dabei haben wir eine klare Strate- gie: Wir stimmen mit unseren Mandanten ab, was zu melden ist, und – in Bezug auf die konkrete Meldung – ob er oder wir tätig werden. Für die etwaige Nichtmeldung schaffen wir eine saubere Dokumentations- lage“, so Jochimsen-von Gfug. Wem das alles bekannt vorkommt, der er- innert sich vielleicht an Punkt 12 des BEPS Action Plans der OECD. „Dieser Punkt behandelt das Thema bereits, allerdings in einer deutlich abgeschwächten Form“, erin- nert sich Jochimsen-von Gfug. Jetzt kommt das Ganze also deutlich umfassender – und zwar auf EU-Ebene sowie in Norwegen. Offenbar rechnet das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit zahlreichen Mel- dungen. „Das BZSt geht davon aus, dass zirka 55.000 Steuergestaltungen pro Jahr gemeldet werden“, teilte das BMF auf Anfrage von Institutional Money mit. Für die Auswertung der eingehenden Meldun- gen wurden im BZSt zwei neue Referate eingerichtet, und der Haushalt 2020 weist dem BZSt dafür 71 neue Stellen zu. „Die entsprechenden Arbeitseinheiten befinden sich im Aufbau“, teilt das BMF weiter mit. Weitere Informations-Eskalation Die jeweiligen zentralen Stellen in den Mitgliedsstaaten werden prüfen, ob eine Steuergestaltung neu und relevant ist. Ist sie das, melden sie die Gestaltung weiter an eine zentrale EU-Stelle. Dazu wird ein gemeinsames Kommunikationsnetzwerk (Common Communication Network, CCN) eingerichtet, über das der Informationsaus- tausch über meldepflichtige grenzüber- schreitende Steuergestaltungen erfolgen soll. Der erste vierteljährliche Austausch der Mitgliedsstaaten soll bereits Ende Oktober 2020 stattfinden. „Auch wenn es bei DAC 6 lediglich um Meldungen geht, ist davon auszugehen, dass bestimmte Gestaltungen in einem nächsten Schritt gesetzgeberisch berücksichtigt, sprich: unterbunden wer- den“, erwartet Jochimsen-von Gfug. Aber er beruhigt: „Durch BEPS gibt es gar nicht mehr viele steuerliche Gestaltungsspielräu- me. Und letztlich ist es auch das Recht der Steuerzahler, die Möglichkeiten im Rahmen des Gesetzes zu nutzen.“ Das BMF sieht das anders. Es teilt auf Anfrage von Institutional Money mit: „Mit der Mitteilungspflicht sollen grenzüber- schreitende Steuervermeidungspraktiken zeitnah identifiziert werden, die durch die Ausnutzung von Unterschieden verschiede- ner Steuerrechtsordnungen oder durch die Gewinnverlagerungen in Null- und Niedrig- steuerländer zu einer Erosion des deutschen Steuersubstrats führen. Die frühzeitige Kenntnis erlaubt dem Gesetzgeber zukünf- tig, etwaige Regelungslücken durch gesetz- geberische Maßnahmen zu schließen und damit Steuerausfälle in Deutschland und den anderen EU-Mitgliedsstaaten zu ver- ringern.“ Man wird wohl abwarten müssen, ob das neue Gesetz das Steuersubstrat der Mitgliedsstaaten erhält – nötig wäre es bei den umfangreichen Corona-Rettungspake- ten sicherlich! ANKE DEMBOWSKI 270 N o. 2/2020 | www.institutional-money.com S T E U E R & R E C H T : ME LDE P F L I CHT EN

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