Institutional Money, Ausgabe 2 | 2020

rechnet BCG mit einem Einnahmenrück- gang der Investmentbranche von fast zehn Prozent und einem Gewinneinbruch um fast 26 Prozent. Im schlimmsten Szenario brechen die Gewinne gar um 37,5 Prozent ein. In der aktuellen Krise würden die Pro- bleme offenbar, die zuvor vom jahrelangen Boom überdeckt worden seien, meinen die Experten und mahnen mehr Kostenbe- wusstsein ein. „Operativ konnten die Verwaltungsgesell- schaften bereits auf eine gute IT-Infrastruk- tur zurückgreifen, sodass die Bewährungs- probe für Notfallpläne und Fernzugriffe für Mitarbeiter sehr positiv ausfiel“, beobachtet Nicole Schadeck, Senior Manager bei PwC Luxemburg. „Insgesamt konnten die Gesell- schaften trotz der Krisensituation positive Erfahrungen mit der veränderten Arbeits- situation machen. PwC rechnet damit, dass diese Erfahrungen einen bleibenden Ein- fluss auf die zukünftigen Geschäftsprozesse und Arbeitsorganisationen haben werden, Allerdings ist eine Aufarbeitung der Ad-hoc- Maßnahmen erforderlich, um Cyberrisiken und Datenhaltungsvorgaben einer länger- fristigen Umstellung anzupassen.“ Durch die erhöhte Marktvolatilität traten vermehrt Verletzungen der Anlagegrenzen und der Risikokennzahlen auf. „Durch die hohe Volatilität und die teilweise signifikan- ten Anteilsscheinrücknahmen kommt es bei den Diversifizierungsregeln leicht zu passi- ven Überschreitungen. Hier ist jedoch sicher- zustellen, dass die Investemententscheidun- gen des Portfoliomanagements grundsätz- lich im Einklang mit der Anlagestrategie stehen“, stellt Schadeck klar und ergänzt: „Die Manager müssen die Grenzverlet- zungen angemessen dokumentieren und die Interessen der Investoren wahren.“ Von der steuerlichen Seite gab es hin- sichtlich vorübergehender Anlagegrenzver- letzungen schon vorher Entwarnung. Das Bundesfinanzministerium hatte unabhängig von der Coronakrise bereits im vergangenen Jahr zu erkennen gegeben, dass nicht jede Anlagegrenzverletzung zu einem Verlust des Steuerprivilegs als Aktien- oder Misch- fonds führt. Hintergrund ist das Investment- steuergesetz, das Steuern vorsieht, je nach- dem ob ein Publikumsfonds als Aktien-, Misch- oder sonstiger Fonds qualifiziert. Für jede Kategorie gibt es fixe Grenzen für die Aktien- oder Immobilienquote. Hinsichtlich der Frist zur Veröffentli- chung von Jahres- und Halbjahresberichten gibt es ebenfalls Erleichterungen: Am 9. 4. veröffentlichte die ESMA ein Statement, wonach die nationalen Aufsichtsbehörden den KVGen eine Verlängerung der Veröf- fentlichungsfrist um bis zwei Monate ge- währen sollten. Ein Thema, das schon länger köchelt, trat angesichts der coronabedingten Börsentur- bulenzen erneut in den Vordergrund: das der Liquidität bei Fonds. Einige Fonds mussten angesichts auftretender Liquiditätsprobleme die Anteilsrücknahme aussetzen beziehungs- weise ganz schließen. Schon länger werden Maßnahmen zum Liquiditätserhalt in der Fondsbranche diskutiert, und am 13. 2. hat der Bundestag Änderungen am Investment- gesetz KAGB beschlossen: Demnach dür- fen nun auch deutsche Fonds Liquiditäts- maßnahmen in ihren Prospekten vorsehen. Dazu gehören beispielsweise die Anwen- dung von Swing Pricing, die zeitweise Be- grenzung von Anteilsrückgaben sowie Rückgabefristen. Die BaFin mahnt an, dass die deutsche Fondsbranche die neuen Liqui- ditätstools nun zügig nutzen solle. Erleichterungen beim Handel Erleichterungen gibt es auch beim Handel, da viele KVG-Mitarbeiter im Homeoffice arbeiten: Die BaFin erleichtert den Gesell- schaften jetzt den Abschluss von Geschäften für Investmentvermögen auch außerhalb der Geschäftsräume. Nach aktuellen Vorgaben waren Geschäftsabschlüsse außerhalb der Geschäftsräume nur zulässig, wenn dies von der Gesellschaft klar geregelt und jedes Geschäft sauber dokumentiert war. Aufgrund der strikten Vorgaben schlossen einige Anbie- ter Geschäftsabschlüsse aus dem Homeoffice grundsätzlich aus. „In der aktuellen Situation sind solche Vorgaben nicht mehr haltbar und zeitgemäß“, so Katja Lammert, Rechtsan- wältin bei Lammert Legalconsulting. „In der aktuellen Verlautbarung der BaFin heißt es daher, dass es Teil eines Krisenmanagements sei, dezentrale Arbeitsplätze einzurichten. Voraussetzung für die Inanspruchnahme ist, dass bisherige Regelungen, die dies nicht gestattet haben, explizit aufgehoben und modifiziert werden sowie geforderte Siche- rungsmaßnahmen und Kontrollen technisch realisiert sind“, erklärt Lammert. Angesichts der teilweise massiven Kurs- einbrüche bei Aktien hat die europäische Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA auch Leerverkäufe wieder in den Fokus genom- men. Am 16. 3. 2020 hat sie die Melde- schwellen für das verpflichtende Reporting über Leerverkäufe herabgesetzt. Seitdem müssen Fondsgesellschaften ihren nationa- len Aufsichtsbehörden entsprechende Netto- Positionen schon ab 0,1 Prozent – statt wie zuvor erst ab 0,2 Prozent – melden. Die französische Wertpapieraufsicht AMF hatte den Fondsgesellschaften Leerverkäufe zunächst für 24 Stunden untersagt und das Verbot auf Titel beschränkt, die an einem Tag einen Kurssturz von mehr als zehn Pro- zent verzeichnet hatten. Später weitete die Behörde das Verbot auf alle in Paris gehan- delten Aktien aus und verlängerte es auf einen Monat. Belgien, Spanien und Öster- reich haben ebenfalls ein einmonatiges Leerverkaufsverbot erlassen, in Italien gilt das Verbot sogar für drei Monate. Als tem- porären Markteingriff akzeptieren die meis- ten Fondsgesellschaften solche Einschrän- kungen, aber der deutsche Fondsverband BVI wendet sich gegen ein allgemeines Leerverkaufsverbot in der EU. Stiftungen Gemeinnützigen Organisationen wie Stif- tungen und deren Förderern gewährt das Bundesfinanzministerium (BMF) steuerli- che Erleichterungen. Am 9. 4. erließ das BMF Regelungen, die vom 1. 3. bis 31. 12. 2020 Erleichterungen für Unterstützungs- maßnahmen vorsehen. Nun können zum Beispiel Mittel flexibler eingesetzt werden, und die Ausstellung von Zuwendungsbe- scheinigungen wird vereinfacht. Um Nachbesserungen kämpfen die Stif- terverbände noch bei Projekten und Veran- staltungen, die coronabedingt nicht stattfin- den konnten oder können. „Gelder, die von Seiten der Fördergeber nicht zurückgefor- dert werden, dürfen nicht wegen Mittelfehl- verwendung von Seiten der Finanzverwal- tung sanktioniert werden“, argumentieren die Verbände. Die Coronakrise hat natürlich auch Ein- fluss auf die Geldpolitik. Wer sich vor der Coronakrise noch nicht sicher über den künftigen Zinsverlauf war, dürfte es jetzt sein: Angesichts der Hilfs- und Notfallpro- gramme zeichnet sich ab, dass das Niedrig- zinsumfeld noch lange anhalten wird. Hoff- nungen dahingehend, bald wieder Zinssätze wie in den 1990er-Jahren zu sehen, können Investoren vermutlich endgültig begraben. ANKE DEMBOWSKI N o. 2/2020 | www.institutional-money.com 267 S T E U E R & R E C H T : R EGUL I E RUNG I N DE R CORONA - PANDEMI E

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