Institutional Money, Ausgabe 2 | 2020

D iese Situation ist auch für Marktaufsichtsbehörden und Regulatoren neu: Die Welt wird von einer wirtschaft- lichen Katastrophe heimgesucht, und nie- mand ist schuld, niemand hat etwas falsch gemacht; Schicksal eben. Das ändert aller- dings nichts daran, dass die regionalen und überregionalen Aufseher sehr rasch reagie- ren mussten und dies voraussichtlich noch geraume Zeit weiter tun müssen. Be- vorstehende Reglementverschärfungen müssen verschoben, Fristen verlängert und Grenzwerte toleranter ausgelegt werden. Freibriefe werden dabei aber nicht ausgestellt – die rasche Unter- stützung für die Finanzunternehmen kommt nicht bedingungslos. Basel III verschoben So sprach etwa die EZB schon am 27. 3. die Empfehlung aus, dass Banken für die Geschäftsjahre 2019 und 2020 keine Divi- denden zahlen und keine Aktienrückkäufe vornehmen sollten. Außerdem drängten die europäischen Aufsichtsbehörden Banken da- zu, Prämien für Führungskräfte zu kürzen. Ziel sollte sein, die Absorptionsmöglichkei- ten für die erwarteten Verluste der Banken zu stärken. Die Kreditinstitute halten sich an die Empfehlungen, bemühen sich aber auch um eine teilweise Rücknahme der Krisenre- geln von 2008, die sie insgesamt sicherer machen sollten. Ihre Argumentation: Sie be- nötigen jetzt mehr Kapitalflexibilität. Regu- latoren und Aufseher folgen dieser Argu- mentation. So gewährte die EZB den Fi- nanzinstituten erhebliche Erleichterungen, beispielsweise durch geringere Kapitalpuf- fer. Dadurch sollen rund 100 Milliarden Euro an Bankkapital freigesetzt werden. Die EZB erlaubt Banken etwa ein temporäres Unterschreiten des Kapitalniveaus nach Säu- le-2-Empfehlungen, des Kapitalerhaltungs- puffers und der Liquidity Coverage Ratio (LCR). Darüber hinaus ist die EZB der Ansicht, dass diese temporären Maßnahmen durch eine angemessene Lockerung des antizyklischen Kapitalpuffers durch die nationalen Aufsichtsbehörden verstärkt wer- den soll. Außerdem dürfen Banken jetzt auch nachrangige Verbindlichkeiten für ihre individuellen Kapitalanforderungen nutzen, um Mittel für die Kreditvergabe aufstocken zu können. Neben der Lockerung von Kapitalquoten entspannt die EZB auch ihren Aufsichts- prozess. Sie verschiebt Vor-Ort-Prüfungen und gewährt mehr zeitliche Flexibilität bei den Prüfungsfeststellungen sowie bei unkri- tischen Aufsichtsmaßnahmen. Die BaFin signalisiert, dass sie diese Entlastungen auch auf weniger bedeutende Institute anwenden wird. Gerade sie sind derzeit sehr beschäftigt mit der Vergabe von Corona-Hilfskrediten und können sich daher weniger um auf- sichtsrechtliche Anfragen kümmern. Auch die EBA nimmt den Fuß vom Gas und verschiebt den für 2020 geplanten EU- weiten Stresstest auf 2021. Um trotzdem im Bilde zu bleiben, kündigte sie statt des geplanten Stresstests eine zusätzliche EU- weite Transparenzübung an. Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS) verkündete, dass die endgültige Umsetzung von Basel III um ein Jahr ver- schoben wird. Statt zum 1. 1. 2022 sind die neuen Standards ab 1. 1. 2023 einzuhalten. Übergangsregelungen für den Output Floor, der den Banken eine Mindestkapitalunterle- gung der Risikoaktiva vorschreibt, sollen ebenso um zwölf Monate verlängert werden – bis 1. 1. 2028. Trotz der Erleichterungen: Ganz ohne Blessuren werden die Banken nicht aus der Krise kommen. Auch wenn die Deutsche Bank am 27. 4. für das erste Quartal einen Gewinn in Höhe von 66 Millionen Euro an- gekündigt hat (Analysten hatten mit einem Verlust gerechnet), senken die Ratingagen- turen ihre Daumen. So befürchtet Moody’s eine Verschlechterung der Kreditqualität. Laut der Agentur könnten die Geldhäuser ei- ne kurzfristige Schwächephase abfedern, weil sie in den vergangenen Jahren ihre Kapitalpolster gestärkt und den Anteil fauler Kredite in den Büchern abgebaut hätten. Ei- ne längere Krise mit steigenden Kreditaus- fällen werde jedoch durchschlagen. Versicherungen Auch den Versicherungsunternehmen empfiehlt die EIOPA, von Dividendenaus- schüttungen für das abgelaufene und das laufende Geschäftsjahr sowie von Aktien- rückkäufen abzusehen. Außerdem sei die aktuell schwierige Lage bei den variablen Vergütungen zu berücksichtigen. Die österreichische Finanzmarktaufsichts- behörde (FMA) folgte mit einer ähnlichen Aufforderung für österreichische Versiche- rungsunternehmen: „In Anbetracht der gro- ßen Unsicherheiten zu Dauer und Auswir- kungen der Krise müssen die Versiche- Regulatoren und Aufseher sehen, welche Herausforderungen derzeit sowohl Investoren als auch Asset Manager angesichts der Pandemie bewältigen. Sie müssen den Betroffenen nun benötigte Erleichterungen gewähren, dürfen dabei aber nicht die Stabilität des Finanzsystems aus dem Auge verlieren. FOTO : © OL I V I E R TOU S S A I NT, E T I AMMOS | S TOCK . ADOB E . COM » Die Erfahrungen aus der Coronakrise können dabei helfen, Entscheidungen unter Unsicherheit zu verbessern. « Nicole Schadeck, Senior Manager bei PwC in Luxemburg Spagat der Regulierer 264 N o. 2/2020 | www.institutional-money.com S T E U E R & R E C H T : R EGUL I E RUNG I N DE R CORONA - PANDEMI E

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