Institutional Money, Ausgabe 2 | 2020

die bAV für Unternehmer ein probates Mittel ist, um junge Talente anzuzie- hen, wie das so oft gesagt wird, sieht er hingegen nicht. „Ich habe selbst vier Kinder, die berufstätig sind. Für sie ist bAV kein Thema. Die wollen wissen, wie der Gesamtverdienst ist, ob der Job interessant ist, wie die Work Life Balance aussieht, welche Karrieremöglichkeiten bestehen und ob sie vielleicht ins Ausland gehen können.“ Altersvorsorge sei bei jun- gen Leuten kein Thema, sondern erst später. Gerade weil das so ist, würde er gern eine deutlich höhere Durchdrin- gung sehen. „Die lukrativste Art der Altersvorsorge ist die betriebliche. Daher brauchen wir nicht 60 Prozent Durchdringung, sondern eher 100 Pro- zent! Ein Sozialstaat, der wirklich einer ist, muss dafür sorgen – notfalls mit einem Obligatorium.“ Peng, da ist es draußen! Das hätte er vor einem Jahr möglicherweise nicht gesagt, denn „Obligatorium“ gilt unter Arbeitge- bern als Unwort. Ohlrogge präzisiert seine Meinung: „Wir brauchen ein Obligatorium, aber nur ohne harte Garantie. Um das glaubwürdig und solide hinzubekommen, eignet sich tatsächlich das Sozialpartnermo- dell, denn dann passen ja die Tarifparteien auf.“ Die Arbeitgeber müsse man unbedingt aus der Haftung nehmen. „Es kann nicht sein, dass der Malermeister noch Jahrzehnte später dafür haftet, dass sein ehemaliger Geselle eine Rentenleistung in einer be- stimmten nominalen Höhe erhält!“ Raus aus der Kleinteiligkeit! Praktikabler als heute, da viele Men- schen am Ende ihres Berufslebens einen Flickenteppich verschiedener Rentenan- sprüche haben, würde Ohlrogge die bAV auch gestalten, wenn er sich was wün- schen dürfte. „Am besten wäre es, wenn jeder Arbeitnehmer nur einen einzigen Topf hätte, in den seine Altersvorsorge- beiträge eingezahlt werden. Wechselt er den Arbeitgeber, würde er den Topf mitnehmen, und der neue Betrieb würde ihn dann verwalten. Auf diese Weise würde die bAV für die Menschen viel übersichtlicher, und die Betriebe müss- ten nicht lauter Mini-Beträge admi- nistrieren und über die Jahre mitschlep- pen. Dann hätten wir nicht diese Kleintei- ligkeit!“ Wo er gerade dabei ist, ein optimales bAV-System zu entwerfen, hat der Praxis- Mann weitere Vorschläge: „Man muss die Regel, dass Pensionskassen zu jeder Zeit zu 100 Prozent bedeckt sein müssen, abschaf- fen. Warum sollte eine Pensionskasse, bei- spielsweise jetzt nach den durch die Coro- nakrise verursachten Kursrückgängen an Börsen und bei Unternehmensanleihen, ihre weit in der Zukunft liegenden Verpflichtun- gen nicht mal nur zu 85 Prozent bedeckt haben?“ Die Verpflichtung der laufenden 100-Prozent-Bedeckung stelle ein Problem für die Kassen dar: „Wenn eine Kasse un- terdeckt ist, darf sie im Rahmen eines Solvabilitätsplans nur noch ganz sicher anlegen. Dann kann sie aber nicht mehr ökonomisch sinn- voll agieren. Wenn sie heute ganz ,sicher‘ anlegt, bedeutet das, sie legt in Staatsanleihen von EU-Staaten an, deren Kreditwürdigkeit immer wie- der hinterfragt wird, oder in Anlei- hen von Staaten mit Negativzins oder mit Währungsrisiko. Sie verliert sehenden Auges Geld. Dann müssen die Arbeitgeber auf jeden Fall nachschießen!“ Die Arbeitgeberhaftung – und wie diese abzusichern ist – ist gerade durch die Ent- scheidung des EuGH ein aktuelles Thema. Ohlrogge findet es konsequent, dass jetzt der Pensionssicherungsverein (PSV) auch für Pensionskassen eintreten soll, wenn die- se nicht mehr die zugesagte Leistung erbrin- gen können und auch der Arbeitgeber nicht mehr nachschießen kann, weil er nicht mehr existiert. „Allerdings müssten sich die PSV- Beitragssätze an der Ausfallwahrscheinlich- keit orientieren. Pensionsfonds zahlen schon jetzt nur 20 Prozent des normalen Bei- trags, während die Unternehmen für ihre Direktzusagen 100 Prozent zahlen. Eine Pensionskasse sollte deutlich weniger zahlen müssen als ein Pensionsfonds, denn dort ist die Ausfallwahrscheinlich- keit aufgrund der strengen Regulierung und Kontrolle noch geringer.“ Schließ- lich muss der PSV nur dann einspringen, wenn die Kasse nicht mehr leistungsfä- hig und gleichzeitig der Arbeitgeber ver- schwunden ist. Insofern ist es gut, sich mit jemandem zu unterhalten, der nicht mehr in die Systeme eingebunden ist und nach rechts und links Rücksicht nehmen muss. ANKE DEMBOWSKI FOTO : © HANS SCHE RHAU F E R » Es gibt – speziell in Deutschland – viel zu viele Durch- führungswege und Systeme. « Hans Ohlrogge, Inhaber Ohlrogge Consulting Ein Leben für die bAV Vor der Aufnahme seiner Consultingtätigkeit war Hans Dieter Ohlrogge zehn Jahre lang Vorstandsvorsitzender des IBM Deutsch- land Pensionskasse VVaG, der unter seiner Leitung gegründeten IBM Deutschland Pensionsfonds AG und des IBM Deutschland Pen- sion Trust e.V. Zuvor war er zehn Jahre lang Finanzvorstand der IBM Deutschland Pensionskasse. Darüber hinaus war er Mitglied in Review Boards verschiedener europäischer IBM-Pensionsfonds. Während seiner Karriere innerhalb des IBM-Konzerns erfüllte er zunächst Linien- und Managementaufgaben in den Bereichen Systemanalyse, Produktionsplanung und -steuerung. Später leitete er den Treasury-Stab der IBM Deutschland GmbH und danach die Konzernrevision der IBM Corporation für Zentraleuropa. Heute ist er neben seiner Beratertätigkeit aktiv in Aufsichts- und Beiräten von verschiedenen Firmen und Organisationen. 240 N o. 2/2020 | www.institutional-money.com POR T RÄ T: HANS OHL ROGGE | I BM

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