Institutional Money, Ausgabe 2 | 2020

geschäftliche Reiseaktivitäten zukünftig be- lasten. Aber auch in einem anderen Immo- biliensegment könnte es zu einem Paradig- menwechsel kommen. Mehr Insolvenzen Wäre der Zahlungsboykott diverser Han- delsketten bereits zum Zeitpunkt der E&Y- Real-Estate-Umfrage (19.–24. März) weit- hin bekannt gewesen, hätten wahrscheinlich noch mehr als 87 Prozent (38 % per Ende 2019) der Befragten sinkende Preise bei Einzelhandelsimmobilien er- wartet. Zu vergleichbaren Ergebnissen kommt auch Colliers Germany, bei de- ren Umfrage 86 Prozent von niedri- geren Kaufpreisen bei Einzelhandels- immobilien ausgehen (siehe Grafik „Zukünftige Erwartungen“) . „Die Pan- demie wirkt als Beschleuniger für Insolvenzen im Einzelhandel, insbeson- dere im Textilsegment sowie in der Gastro- nomie“, fasst Jörg Krechky, Director und Head of Retail Investment Services Germa- ny bei Savills, die aktuelle Entwicklung zu- sammen. Resilientere Einzelhandelsbran- chen zählten aber zuletzt zu den Gewinnern, betont Krechky: „Der Lebensmitteleinzel- handel als Single Asset oder mit ergänzen- dem Nahversorgungssortiment ist das Pro- dukt der Stunde.“ Langfristig könnten viele andere Einzel- handelsgeschäftsmodelle (ex-Lebensmittel) unter Druck kommen, da während der Krise viele Bürger Geschmack am Online- versandhandel gefunden haben und wahrscheinlich zu Stammkunden bei Amazon und Co. werden. „Stationäre Einzelhändler sind die Hauptbetroffe- nen der Krise, in der viele Konsumen- ten noch stärker auf den Onlinehandel ausweichen“, beschreibt Mitropoulos einen wohl länger anhaltenden Trend. Logistik stark gefragt Der Boom beim Versandhandel wie auch eine Rückbesinnung auf höhere Vorratshaltung spielen einem anderen Immobiliensegment in die Hände, das sich mehr und mehr zum Profiteur der Corona-Pandemie mausert: Logistik- immobilien. „Gerade im Lebensmit- teleinzelhandel und für das gestärkte Onlinegeschäft läuft die Logistik auf Hochtouren“, erklärt Mitropoulos. Zu- sätzlichen Bedarf nach Logistikimmobilien könnte zukünftig auch die heimische Indus- trie, beispielsweise die Automobilhersteller, haben. Diese wollen nicht noch einmal durch unterbrochene Lieferketten am fal- schen Fuß erwischt werden und wegen der Nichtlieferung eines einzigen Teils aus fer- nen Landen ihre Fließbänder anhalten müs- sen. „Zukünftig wird die Tendenz voraus- sichtlich wieder dazu führen, mehr Sicher- heitsbestände aufzubauen, um weniger kri- senanfällig zu sein. Eine höhere Bestands- haltung benötigt mehr Lagerflächen. Ent- sprechend ist hier von einem steigenden Bedarf auszugehen“, prognostiziert Bodo Hollung, Gesellschafter und Geschäftsfüh- rer von LIP Invest, einer in München ansäs- sigen und auf Logistikimmobilien speziali- sierten Investmentfirma mit Fokus auf insti- tutionelle Investoren: „Die Coronakrise führt derzeit allen vor Augen, wie wichtig Logistik, Logistikimmobilien und funk- tionierende Logistikketten sind. Angesichts einer anhaltenden Grundstücksknappheit für Logistikansiedlungen in vielen Regionen Deutschlands und der gleichzeitig hohen Nachfrage nach Logistikflächen sei Hol- lungs Ansicht nach einerseits von weiterhin steigenden Mieten in diesem Segment, viel- fach auch von steigenden Kaufpreisen aus- zugehen. Daher könnte sich dem LIP-In- vest-Chef zufolge die Renditekompression weiter fortsetzen. Zur Orientierung, wo die- se Renditen zuletzt standen: BNP Paribas Real Estate kam bei der letzten Messung im ersten Quartal bei Logistikimmobilien in den A-Standorten auf eine Netto-Spitzen- rendite von 3,70 Prozent. Colliers veröffent- lichte eine Brutto-Spitzenrendite von 4,2 Prozent. Neue Käufer in Sicht Vor diesem Hintergrund sei zu erwarten, dass Logistikimmobilien mehr Aufmerk- samkeit bekommen und neue Großanleger, auch aus dem Ausland, in dieses Immobi- liensegment drängen werden. „Investoren werden zulasten von Büro- und Einzelhandelsimmobilien – außer Lebensmittel und Güter des tägli- chen Bedarfs – sowie Hotelimmo- bilien verstärkt in Richtung Logis- tik gehen“, glaubt Hollung, um a n z u f üg e n : „Wir rechnen zwar mit einem Rückgang speku- lativer Developments, jedoch mit einem weiteren Run auf die am Markt verfügbaren Logistikimmo- bilien.“ Diese Einschätzung wird bestätigt von einer Umfrage von Institutional Money Online vom zweiten Quartal dieses Jahres, in der die meisten Teilnehmer Logis- tikimmobilien als am attraktivsten hinsichtlich ihres Wertsteigerungs- potenzials einschätzen (siehe Gra- fik „Wertsteigerungspotenzial“) . ANTON ALTENDORFER FOTO : © L I P I NV E S T » Die Logistikimmobilienbranche wird nach der Krise noch stärkere Aufmerksamkeit erfahren. « Bodo Hollung, Gesellschafter und Geschäftsführer von LIP Invest Wertsteigerungspotenzial Logistik könnte der Gewinner der Pandemie werden. Investoren wählten bei der Frage, bei welchem Immobiliensegment sie das meiste Wertsteigerungspotenzial sehen, am öftesten (35,1%) die Ant- wortmöglichkeit „Logistik“. Auf Platz zwei folgt die Immobiliennutzungsart „Wohnen“ mit 22,8 Prozent. „Büros“ kamen auf den dritten Platz (12,3%). Quelle: Institutional Money Online-Umfrage, April 2020 Wohnen | 22,8 % 10,5 % 8,8 % Industrie/Produktion Büros | 12,3 % Pflege-/Studentenheime 5,3 % | Handel 5,3 % | Hotels Logistik | 35,1 % Als Investor sehe ich auf längere Sicht das höchste Wert- steigerungspotenzial bei folgendem Immobiliensegment: 206 N o. 2/2020 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R A T E G I E N : IMMOB I L I EN

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=