Institutional Money, Ausgabe 2 | 2020

Deutschland berechnete „Verfügbarkeitsfak- tor“ (Immobilienangebot im Verhältnis zum Transaktionsvolumen) von aktuell relativ niedrigen 1,4 noch weiter zurückgehen soll- te. „In den nächsten zwei Jahren wird den Märkten damit also weniger neues Angebot zugeführt, als noch Anfang des Jahres er- wartet. Vor diesem Hintergrund wird die ak- tuelle sowie absehbare Angebotssituation die Märkte stärker stabilisieren als in der letzten Krise“, glaubt Zorn. Mieten sollten halten Piotr Bienkowski, CEO von BNP Paribas Real Estate Deutsch- land, verweist auf die letzte Krise: „Selbst in der Finanzkrise, bei einer deutlich schlechteren Nach- frage-Angebots-Relation, haben die Durchschnittsmieten lediglich um knapp drei Prozent nachgege- ben, um sich bereits im nächsten Jahr wieder spürbar zu erholen.“ Für Bienkowski sind deutliche Mietpreisrückgänge oder gar nach- haltige Verwerfungen auf den Büromärkten aus derzeitiger Sicht daher mehr als unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher könnte hin- gegen eine andere Entwicklung sein – jene in Richtung Heimarbeit, neu- deutsch „Homeoffice“. Die gemachten Erfahrungen, sowohl von Arbeitgebern als auch von Arbeitnehmern, könnten den beste- henden Trend zu mehr Heimarbeit verstär- ken. Auf lange Sicht könnte dies zu niedri- geren Pro-Kopf-Büroflächen und damit zu einer geringeren Flächennachfrage führen, was wiederum zulasten der Rendite ginge. Bei Büroimmobilien, aber auch bei allen anderen Nutzungssegmenten gilt für Immo- bilieninvestoren eine wichtige Grundregel: Gerade in wirtschaftlich schwächeren Zeiten sollten Vermieter noch genau hinsehen, aus welchen Branchen ihre Mieter kommen und ob diese finanzstark genug sind, Rezessio- nen oder gar „Lockdowns“ zu überleben. „Auch im Bürosektor sind die Stabilität der Verträge und die Qualität der Bilanzen von Mietern entscheidende Faktoren“, erinnert Chris Urwin, Director of Research, Real As- sets bei Aviva Investors. Im Idealfall haben Immobilieninvestoren Verträge mit Mietern, die der öffentlichen Hand zuzurechnen oder zumindest systemrelevant sind und im Ex- tremfall auf staatliche Unterstützung bei Li- quiditätsengpässen hoffen dürfen. „Im Ge- gensatz dazu dürften Mieter im Transport-, Tourismus- und Industriesektor anfälliger sein“, ergänzt Urwin und verweist insbeson- dere auf die derzeitigen Probleme im Touris- mus- und anderen Sektoren: „In Sektoren, die vom Tourismus abhängen, darunter Hotels, Restaurants und Freizeitunterneh- men, wird die Lage wahrscheinlich immer schwieriger, je länger die Krise andauert.“ Massive Umsatzeinbußen Aufgrund des Shutdowns erwartet der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA massive Umsatzeinbußen, da viele Hotels ganz geschlossen haben oder stark gefallene niedrig zweistellige Auslas- tungsquoten aufweisen. Das Wegbrechen der Hotelierseinnahmen erhöht das Risiko von Mietausfällen, und oftmals sind die Vermieter an den Hoteleinnahmen beteiligt. Immobilieninvestoren haben daher laut E&Y-Young-Real-Estate-Umfrage ihre Er- wartungen nach unten angepasst: Wurden im Hotelsegment zu Jahresbeginn grosso modo noch gleichbleibende Preise erwartet, rechneten in der zweiten Märzhälfte beacht- liche 95 Prozent der Umfrageteilnehmer mit sinkenden Preisen. Colliers International Deutschland stellt ebenfalls hohen Pessimis- mus und zurückgehendes Interesse fest: So hat sich der per Umfrage gemessene Anteil interessierter Käufer von Hotelimmobilien von 38 auf 17 Prozent mehr als halbiert. Das liegt daran, dass 75 Prozent mit tenden- ziell sinkenden Hotelpachten, 77 Prozent mit fallenden Kaufpreisen rechnen. Hotelbetreiber reagieren mit neuen Ange- boten auf die Krise. Beispielsweise werden Hotelzimmer als Homeoffice-Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt beziehungsweise Hotelzimmer werden jenen angeboten, die ein temporäres Ausweichquartier im Fall einer Infektion im Familienkreis benötigen, um sich nicht selber anzustecken. Einige größere Hotels boten ihre Räumlichkeiten auch zur Behandlung von Erkrankten an, um Kliniken zu entlasten. Manchen Anlegern könnte diese Krise im Hotelsegment sogar eine willkommene Ein- stiegsgelegenheit eröffnen. „Der deutsche Hotelinvestmentmarkt war die vergangenen Jahre von einer sehr hohen Nachfrage ge- prägt. Die Suche zahlreicher neuer Investo- ren nach lukrativen Objekten hat dabei nicht nur die Renditen in der Assetklasse Hotel gedrückt, sondern auch zu einem konstan- ten Produktmangel geführt“, erklärt René Schappner von Colliers International. „Die aktuelle Situation kann deshalb auch zu ei- ner Entspannung des Marktes führen, mög- licherweise ergeben sich hier interessante neue Investmentmöglichkeiten.“ Auf lange Sicht könnte es aber weniger Nachfrage nach Hotelzimmern geben, vor allem im Bereich Geschäftsreisen. Denn die während der Pandemie erzwungene starke Nutzung von Onlinekonferenzsystemen, an die sich viele Arbeitnehmer mittlerweile wahrscheinlich gewöhnt haben, sowie das gestiegene Klimaschutzbedürfnis könnten » Stationäre Einzelhändler sind die Haupt- betroffenen der Krise, in der Konsumenten auf den Onlinehandel ausweichen. « Dr. Stefan Mitropoulos, Leitung Konjunktur- und Immobilienanalyse, Helaba Landesbank FOTO : © HE L A B A , COL L I E R S » Die Situation kann zu einer Marktent- spannung führen, möglicherweise ergeben sich neue Investmentmöglichkeiten. « René Schappner, Head of Hotel bei Colliers International 204 N o. 2/2020 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R A T E G I E N : IMMOB I L I EN

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=