Institutional Money, Ausgabe 2 | 2020

D ass man einzelnen Teilneh- mern an grundsätzlich freien Kapitalmärkten vorwirft, dass sie legale Handelsansät- ze verfolgen, ist ein Kuriosum unserer Zeit. Wenn Leerverkäufe erlaubt sind, darf man sich nicht wundern, dass ein Teil der Akteu- re von dieser Möglichkeit Gebrauch macht. Dasselbe gilt für den Hochfrequenzhandel: Solange er nicht ausdrücklich untersagt ist, muss man damit rechnen, dass ein Teil der „Spieler“ darauf setzt. Und natürlich gilt das auch für die Anwender des Risk-Parity- Konzepts. Wer seine Portfoliobausteine an- hand ihrer Risikobeiträge arrangiert, muss mit Hebeleinsatz arbeiten, und das bedingt in speziellen Marktphasen ein rasches Dele- veraging. Der Vorwurf, dass der Ansatz damit zum „Brandbeschleuniger“ wird, mag in der Sache korrekt sein, da die Manager nichts Illegales getan haben, geht er den- noch ins Leere. Trotzdem wird er schon seit Jahren mit schöner Regelmäßigkeit erho- ben. Erstmals passierte dies zur Jahresmitte 2013, nachdem Fed-Chef Bernanke die mögliche Verringerung der Treasury-Käufe angekündigt hatte. Die Renditen zehnjähri- ger US-Bonds stiegen um 100 Basispunkte in zwei Monaten. Risikoparitätsfonds wur- den mit dem Vorwurf konfrontiert, in gro- ßem Stil verkauft zu haben. Ähnliches hörte man auch im Februar 2018, als es simultan zu starken Volatilitätsanstiegen bei Aktien, Anleihen, Credits und Rohstoffen kam. Er- neut wurden Risk-Parity-Fonds als Mitver- ursacher dieser Korrektur an den Pranger gestellt. Dabei wurde damals schon von Experten klargestellt, dass die meisten Risi- koparitätsmanager sich nicht auf kurzfristi- ge Risikoeinschätzungen stützen. Nur eine anhaltende Verschiebung des Volatilitätspro- fils würde die Asset Allocation verändern. Zudem wären automatische Verkäufe im Fall von Volatilitätsschocks nicht üblich, hieß es damals etwa von Caroline Houdril, Multi Asset Portfolio Manager bei Schro- ders in London. Neuerliche Schuldzuweisungen Nun werden die Manager von Risikopa- ritätsfonds neuerlich für den verstärkten Verkaufsdruck im März 2020 und damit die steil angestiegene Volatilität an den Kapital- markten verantwortlich gemacht. Schließ- lich würde Risk Parity, das unter Bedacht- nahme auf die Volatilitäten verschiedener Assetklassen und deren Korrelationen zueinander darauf abzielt, Portfolios mit gleichen Risikobeiträgen je Assetklasse zu bauen, mit hohen Hebeln arbeiten, um die angestrebte Zielvolatilität beziehungsweise ein bestimmtes Ertragsziel zu erreichen. Wenn Korrelationen und Volatilitäten stie- gen, müssten hunderte Milliarden an Anla- gen aufgelöst werden, um das Erreichen der Zielvolatilität zu ermöglichen und Draw- downs zu beschneiden. Zudem werde bei einem sprunghaften Anstieg der Aktienvola- tilität aus Risikogleichgewichtungsaspekten zusätzlich die Aktientangente verringert, lautet der Vorwurf. Überholt und überschätzt? Andere wiederum halten die Strategie für überholt beziehungsweise überschätzt, hätte sie doch hauptsächlich vom jahrzehntelang andauernden Zinssenkungstrend profitiert, der nun ausgelaufen sei. Auch Morgan Stanley prognostiziert infolge des Endes des unterstützenden Zinstrends, dass Risk Parity nicht mehr praktikabel sei und in der nächs- ten Dekade wohl ein Underperformer sein werde. Dabei werden Risk-Parity-Fonds ja als „Fonds für jede Wetterlage“ verkauft. Platz- hirsch und Bridgewater-Associates-Gründer Ray Dalio nannte sein prominentes Produkt sogar „All Weather Fund“. Über die letzten zehn Jahre erwirtschaftete er damit per Ende April für seine Kunden mehr als sieben Pro- zent Jahresertrag. Allerdings ließ auch Dalios Flaggschiff, das zuletzt zirka 60 Milliarden US-Dollar verwaltete, im März Federn. Dalio bestätigt gegenüber US-Medien, dass man das Ausmaß der Pandemiefolgen unterschätzt und zu spät reagiert habe. Die Manager des 941 Milliarden US-Dol- lar schweren chinesischen Staatsfonds China Investment Corporation (CIC) hatten zuletzt hingegen weniger Probleme mit dem „Schlechtwetter“. Sie kürzten ihre Risk- Parity-Allokation – wohl dank ihres „Insi- derwissens“ zur Corona-Epidemie in ihrem Heimatland – um den 10. März binnen weniger Tage um die Hälfte, wie Bloom- berg von Informanten erfahren haben will. Brechen Märkte ein, wird oft ein Sündenbock gesucht. Risk-Parity-Fonds eignen sich dafür auch in der Coronakrise vortrefflich. Doch erfolgen die Schuldzuweisungen zu Recht? FOTO : © AT S TOCK P RODUCT I ONS | S TOCK . ADOB E . COM Unter den üblichen Verdächtigen S&P 500 versus impliziten Leverage US-Aktienindex im Vergleich zum Leverage von zehn amerikanischen Risk-Parity-Fonds Tatsächlich fiel der Leverage (inverse Darstellung; rechte Skala) von Anfang März bis Anfang April 2020 von 80 auf unter 30 Prozent. Dabei scheint der Abbau von Leverage erst nach dem 6. März begonnen zu haben, wo die US-Aktien bereits seit 14. Februar um 12,06 Prozent gefallen waren. Quelle: MPI April ’20 März Februar Jänner -90 % -80 % -70 % -60 % -50 % -40 % -30 % -20 % -10 % 0 % 10 % Implied Leverage S&P 500 Index 700 USD 750 USD 800 USD 850 USD 900 USD 950 USD 1.000 USD 1.050 USD Wachstum von 1.000 Dollar 180 N o. 2/2020 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R A T E G I E N : R I S K PAR I T Y

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