Institutional Money, Ausgabe 2 | 2020

tungshaltung und α die absolute Semielasti- zität des Marktpreises gegenüber dem er- warteten Preisband. Von dieser Ausgangsformel ausgehend errechnen die Autoren unter anderem das flexible informelle Preisband der Opec (sie- he Chart „Wenn der Damm bricht“ ). Jedes Mal, wenn im Beobachtungszeitraum der logarithmierte Preis von Opec-Öl unter die untere Begrenzung der Bandbreite fiel, folg- te ein Crash. Das war genau zwei Mal der Fall: 2008 und 2014. Kri- tiker können an dieser Stelle ein- wenden, dass die Warnwerte relativ spät erfolgen, wenn also schon ein großer Teil der Verluste erfolgt ist. Das ist auch korrekt. Allerdings warnt das Modell sehr wohl vor den zusätzlichen Verlusten die mit einem Crash einhergehen. Es geht also um die Minimierung, nicht den Ausschluss von Verlusten. Dass das Modell gut funktioniert, liegt an der Tatsache, dass es den Autoren gelungen ist, zwei interessante Variablen zu entwer- fen: Die erste nennen sie „Restoring Power“ und belegen sie mit dem Buchstaben „K“. K bildet ab, inwieweit es der Opec über- haupt möglich ist, eine Verletzung des fle- xiblen Preisbandes zu verhindern. Kraftloses Kartell Die Autoren haben K anhand eines statis- tischen Z-Tests ausgewertet, mit dessen Hil- fe die Differenz zwischen einer beobach- teten Statistik und deren hypothetischem Parameter gemessen werden kann. Von 1990 bis 2017 ( siehe Chart „Wenn die Kraft ausgeht“ ) ist K bis 2008 „nie unter 0,01 gesunken und somit von der Z-Statistik her relevant geblieben“, schildert Cho- Hoi Hui. Die Opec hatte also ge- nug Kraft, um die Preise weder über- noch unterschießen zu las- sen. Mit der großen Finanzkrise sinkt diese Kraft jedoch kontinu- ierlich – sogar bis gegen null. Das äußerte sich nicht zuletzt in einem Ölpreis von damals regelmäßig über 100 US-Dollar. Wir erinnern uns: Auch ein starkes Ausreißen nach oben ist nicht im Interesse der Ölförderer, weil es die An- strengungen der Abnehmer erhöht, alternative Energien oder An- triebsmechanismen – Stichwort: der Auf- stieg Teslas – zu entwickeln. Nach einer Erholung der „Restoring Power“ kommt es 2014 wieder zu einem dramatischen Abfall – und zu einem abermaligen Crash. Preisverteilung Die zweite interessante Variable stellt die „Leakage Ratio“ dar, „bei der es sich um das Ergebnis einer Wahrscheinlichkeits- funktion handelt, die es ermöglicht, eine linksschiefe Preisverteilung zu generieren – wie sie empirisch auch beobachtet werden konnte“, erklärt Cho-Hoi Hui ( siehe Chart „Hohe Durchbruchsgefahr“ ). Dieser Koef- fizient beschreibt also nur die Gefahr von Preisstürzen und nicht jene von Preisüber- treibungen und schießt dementsprechend sowohl 2008 als auch 2014 in die Höhe – und zwar so weit, dass er jede vernünftige Skalierung durchbricht – redaktionell haben wir uns deshalb entschlossen, bei einer LR von 2,0 eine Grenze zu ziehen, da die damit einhergehende Botschaft auch so klar genug transportiert wird. Am Ende bleibt, dass ein echter Ölpreis- Crash die Charakteristika einer verheeren- den Naturkatastrophe aufweist. Ein derarti- ges Ereignis tritt also sehr selten, dann aber mit ungeheurer Wucht auf. Das macht her- kömmliche Absicherungen über den Deri- vativmarkt de facto auch nutzlos, da die lau- fenden Kosten viel zu hoch wären. Hinzu kommt, dass in Stresssituationen die Gefahr von weiteren Marktverzerrungen durch „gut informierte Trader“ steigt, wie es Craig Pirrong, Professor an der texani- schen University of Houston in seinem flamboyanten Blog streetwiseprofessor.com schreibt. „WTI-WTF?“ In einer bislang dreiteiligen Serie, die unter dem Titel „WTI-WTF“ läuft, setzt sich Pirrong mit den Ereignissen rund um den 20. April auseinander. Die Beiträge sind umso spannender, als sie sich in Echtzeit mit den Ereignissen beschäftigten. Während Pirrong am 20. April noch relativ neutral davon spricht, dass „die beschränkten Lagerkapazitäten das Benzin und die Marktmacht in einem Umfeld, in dem 100 Millionen Barrel liquidiert werden müssen, das Streichholz sind“, wird er einen Tag später konkreter und spricht von „Marktasymmetrien, die Manipulation durchaus möglich machen“. Sollte es zu Manipulationen ge- kommen sein, waren diese natür- lich auch nicht zu prognostizieren. Beeinflussungen dieser Art kön- nen jedoch nur dann stattfinden, wenn das Umfeld bereits unter Druck steht – genau solche Situa- tionen prognostiziert das Modell von Cho-Hoi Hui et al. und bietet somit wertvolle Warnsignale für künftige Risiken. HANS WEITMAYR » Die Lagerkapazitäten waren das Benzin, die Marktmacht das Streichholz. « Craig Pirrong, University of Texas, Blog streetwiseprofessor.com FOTO : © S T R E E TW I S E P ROF E S SOR . COM Hohe Durchbruchsgefahr Die in der Studie entworfene „Leakage Ratio“ sprengte 2008 und 2014 die Skala. Die Leakage Ratio E bildet linksschiefe Preisverteilungen ab, ermöglicht dem Preismodell, die Opec-Preisuntergrenze zu unterschreiten, und stellt einen Indikator für weitere potenzielle Preiseinbrüche dar. Quelle: Studie 0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0 60 80 100 120 140 160 USD/barrel 0 20 40 Leakage Ratio Ölpreis Untergrenze Leakage Ratio 2015 2010 2005 146 N o. 2/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : E RDÖLMARK T

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