Institutional Money, Ausgabe 2 | 2020

zukehren – auf steigende Preise gesetzt. Der Kurskollaps hatte zu Redaktionsschluss einen Schaden von rund einer Milliarde Euro ausgelöst. Zunächst war man von geringeren Summen ausgegangen, Nach- schusspflichten hatten erste Schätzungen des Schadens jedoch verzehnfacht. Ursachenforschung Dabei war der Gedanke der Kleinanleger gar nicht so abwegig, wie auch die brand- neue Arbeit „Crude oil price dynamics with crash risk under fundamental shocks“ von Cho-Hoi Hui, Chi-Fai Lo, Chi-Hin Cheung und Andrew Wong zeigt. Die Autoren, die im Research Department der Hong Kong Monetary Authority und am Institute of Theoretical Physics and Department of Phy- sics der Chinese University of Hong Kong wirken, versuchen dabei, anhand eines ma- thematisch-empirischen Modells Ölpreisbe- wegungen – und vor allem Crashs – zu pro- gnostizieren. Die Arbeit selbst ist seit April 2020 verfügbar und leuchtet einen Zeitraum aus, der bis ins Jahr 1990 reicht. Das be- deutet, dass Stressszenarien, wie sie 2008 und 2014 auftraten, berücksichtigt wurden. Daten zum 20. April konnten, so die Ant- wort auf eine entsprechende Anfrage, hin- gegen „noch nicht eingespielt oder getestet werden“, wie Cho-Hoi Hui erklärt. Der Sprecher des Autorenteams ist sich jedoch sicher, „dass das Modell angesichts der ver- arbeiteten Crash-Episoden von 2008 und 2014 auch für den jüngsten Kollaps hält“. Die einzige und sehr offene Einschränkung des Wissenschaftlers: „Die negativen Preise, die diesmal aufgetreten sind, hätten wir nicht prognostizieren können.“ Ähnliche Szenarien Das ist allerdings auch gar nicht notwendig, da auch ohne diesen „Freak Accident“ verheerende Schäden entstanden wären. Wenn man derartige Szenarien in Zu- kunft nur ungefähr prognostizieren könnte, wäre das schon ein Fort- schritt. Doch an dieser Stelle ein Schritt zurück zu den unglücklichen Kleinanlegern. Welche Strategie hat sich für sie letzten Endes als verheerend herausgestellt? Der Glaube, dass der Ölpreis einem Mean-Reversion-Ansatz folgt, also um einen gewissen Preis herumpendelt. Das heißt, Preisabschläge können erfolgen, sie sollten sich aber in einer gewissen Band- breite bewegen. Der Gedanke ist alles andere als absurd. Die Opec selbst hatte ja einige Zeit selbst ein offizielles Preisband geführt, das rund um die 25 Dollar lag, letzten Endes aber aufgegeben wurde. Dennoch sind die Opec und andere Förderländer – wir wollen uns hier an die jüngst aufgetauchte Bezeichnung Opec+ halten – daran interessiert, ein infor- melles, flexibles Preisband zu halten, wie nicht zuletzt eine Reihe spieltheoretischer Studien von Chapman und Khannao oder Slaibi et al. zeigen: Produzenten sind dem- nach zum einen daran interessiert sind, den Ölpreis nicht zu sehr abstürzen zu lassen, „auf der anderen Seite können zu hohe Preise aber dafür sorgen, dass die Abneh- merländer verstärkt nach alternativen Ener- giequellen suchen oder gar direkte oder indirekt Regimewechsel provozieren“. Die Förderstaaten wollen ein derartiges Szenario naturgemäß verhindern. Basierend auf Paul Krugmans Arbeit zu währungstechnischen Wechselkurszielen wurden in der Vergangenheit diverse mathe- matische Modelle entworfen, die Interven- tionen der Opec auf dem Ölmarkt unter- sucht haben. Das Ölkartell wurde also mit der Funktion einer Notenbank gleichgesetzt – nur eben für den Ölmarkt. Die Opec selbst hat sich bis vor nicht allzu langer Zeit ja selbst zu einer solchen Quasi-Fed-Funk- tion bekannt. Das Problem mit den bishe- rigen Ansätzen: Das Währungsmodell von Krugman sieht logischerweise kein wirklich katastrophales Durchbrechen von Preisbän- dern vor, wie sie – selten, aber doch – am Ölmarkt jedoch sehr wohl zu beobachten sind. Das ergibt für das Krugman-Modell durchaus Sinn. Denn von wirklich kata- strophalen Rahmenbedingungen abgesehen crasht eine weltwirtschaftlich relevante Währung nicht um 50 Prozent, sondern wird von Fed, EZB oder anderen großen Notenbanken quasi wieder „eingefangen“. Crash-Option In der vorliegenden Arbeit wird im Unterschied zu den vergangenen Ansätzen „nach unserem Wissensstand zum ersten Mal mathematisch und empirisch model- liert, wie sich Preisdynamiken sowohl in Crash- als auch Preis- bandszenarien entwickeln. Die Forscher entwickeln also Fakto- ren, die es dem Ölpreis unter ge- wissen Voraussetzungen erlauben, der Kontrolle der Förderländer zu entgleiten und zu „crashen“. Sie gehen dabei von folgender einfachen logarithmierten Formel aus: s stellt den Ölpreis zum Zeit- punkt t dar, m die konstante Öl- versorgung, v kumulative Schocks sowohl auf der Angebots- als auch der Nachfrageseite, E die Erwar- » Wir haben eine linksschiefe Preisverteilung generiert – wie sie empirisch auch immer wieder beobachtet werden konnte. « Cho-Hoi Hui, Hong Kong Monetary Authority Wenn die Kraft ausgeht „Restoring Power“ bildet die Kapazitäten der Opec ab, den Preis zu stabilisieren. Solange das „K“ nicht unter 0,01 Punkte fällt, verfügt die Opec über genügend Mittel, den Ölpreis in einer für Abnehmer und Produzenten vertretbaren Spanne zu halten. Quelle: Studie 0 0,01 0,02 0,03 0,04 0,05 0,06 0,07 0 1 2 3 4 5 6 κ („Restoring Power“) z- κ Z-Statistik Z-score 1,96 Punkte Punkte 2015 2010 2005 2000 1995 1990 144 N o. 2/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : E RDÖLMARK T

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=