Institutional Money, Ausgabe 2 | 2020

das Handelsvolumen im Vergleich zur Zeit während und nach der Publikation niedriger sind. Es drängt sich also angesichts der geschilderten Zusammenhänge zwischen Spread und informiertem Trading der Ver- dacht auf, dass sich im Umfeld einer Cove- nant-Verletzung viele informierte Trader im Markt befinden. Dass sich die Spreads gegen Ende des Zeitraums wieder verengen, liegt laut Zhu daran, dass „die Informations- asymmetrie zurückgeht, weil die private In- formation, die mit der Covenant-Verletzung einhergeht, im Markt verarbeitet wird.“ Im nächsten Schritt des Modells wird aufgrund der erhobenen Kosten und Spreads gemäß des BWS-Modells der tat- sächliche PI-Wert erhoben und grafisch dar- gestellt (siehe Chart „Informierte Trader steigen mitunter sehr früh in den Markt ein“) . Und hier zeigt sich, dass die Wahr- scheinlichkeit eines informierten Trades nach der Veröffentlichung nicht abnimmt. Zwar kommt es ein Jahr vor Veröffentli- chung einer hohen Wahrscheinlichkeit von informierten Trades, die dann gegen den tat- sächlichen Publikationszeitpunkt hin abneh- men – nach der Veröffentlichung steigt die- se aber wieder und erreicht 52 Wochen da- nach ihren Höhepunkt. Zweite Welle Das lässt sich folgendermaßen interpre- tieren: Zu einem frühen Verhandlungszeit- punkt beginnen die ersten mit dem Prozess vertrauten Trader, ihre privaten Informatio- nen zu verarbeiten, und steigen in den Markt ein. Danach erfolgt eine Pause, in der die Informationen verarbeitet werden. Mit der Publikation zieht die Information der Covenant-Verletzung weitere Kreise, eine erweiterte Gruppe an gut informierten Händlern steigt ein – das allerdings be- reits zu für sie ungünstigeren Konditio- nen, die sich in den enger werdenden Spreads ausdrücken. Das heißt, durch die Publikation erhalten mehr informier- te Händler Zugang zu Daten, die auf- grund ihrer Komplexität als privilegiert einzustufen sind. Der Versuch der SEC, Chancengleichheit herzustellen, wird somit ad absurdum geführt. Um tatsäch- liche Waffengleichheit zu erreichen, müsste die SEC die Daten, die sie in Rohfassung bereitstellt, für weniger gut informierte Investoren bearbeiten, um die erwünschte Informationsausgegli- chenheit herzustellen. Das würde zweifellos die Kapazitäten der SEC sprengen. Aus Sorge, die Resultate könnten sich als Scheinkorrelation erweisen und in Wirklich- keit auf andere Variablen zurückzuführen sein, führen die Autorinnen Tests gemäß der Propensity Score Matching Method (PSM) durch, wie sie 1983 von Rosenbaum und Rubin vorgeschlagen wurde. Dieses Vorge- hen erlaubt die paarweise Zuordnung von Variablen aufgrund von Neigungs-Scores, um so die diversen Kausaleffekte zu schät- zen. Diese Methode ermöglicht nicht nur, die Charakteristika von Unternehmen her- auszuarbeiten, die zu Schuldklauselverlet- zungen neigen (siehe Tabelle „Wann es eng werden kann“), sie erlaubt auch festzustel- len, ob sich die Unsicherheit, die mit dem Ausgang der Covenant-Verhandlungen ein- hergeht, auf die Wahrscheinlichkeit infor- mierten Tradings auswirkt. Tatsächlich war es in den 1.235 Fällen so, dass die Korrelation zwischen Schulden- klauselverstoß und Liquidität, operativer Effizienz, Nettovermögen und Kurs zu Buch statistisch hoch relevant negativ war. Also beispielsweise: Je niedriger die Liqui- dität, desto höher die Wahrscheinlichkeit eines Verstoßes. Dass die Ergebnisse so eindeutig sind und mit bekannten und auch intuitiv schlüssigen Annahmen übereinstim- men, erhöht die Plausibilität des Modells. Entscheidend für die Aussagekraft ist je- doch, dass auch der PI-Wert mit diesen Firmencharakteristika korreliert. Als ebenfalls aufschlussreich gestaltet sich der Konnex zwischen der Schwere des Verstoßes und der Wahrscheinlichkeit von informiertem Handeln. Hier liegt die Korre- lation bei leichteren Verstößen und einem Konfidenzniveau von 95 Prozent bei 0,018. Kommt es zu schweren Verstößen mit dem- entsprechend steigender Unsicherheit, so steigen sowohl die statistische Relevanz – und zwar auf 99 Prozent – als auch der Kor- relationskoeffizient – und zwar um rund 55 Prozent. Das heißt, je schwerwiegender und komplexer ein Fall, desto höher die Wahr- scheinlichkeit von informiertem Trading. Doppelt wertvoll Die Arbeit von Zhu und Gippel ist auf zwei Ebenen bemerkenswert: Zunächst auf einer hoch spezialisierten, indem herausge- arbeitet wird, wie die Publikation von Schuldklauselverletzungen in die Aktien- märkte hineinspielt und dort Informations- symmetrien negativ beeinflusst. Allein diese Information wäre in potenziell krisenhaften Zeiten wertvoll. Auf einer zweiten Ebene stellt die Arbeit die Frage nach Sinn und Unsinn von Regulatorien. Im konkreten Fall anhand der Regel, wonach Cove- nant-Verstöße zu melden und zu kom- munizieren sind. Tatsächlich verzerrt diese Transparenz die Fairness auf dem Aktienmarkt aber weiter, anstatt sie zu verkleinern. Mit der Publikation der Verstöße dringt nämlich eine zweite Welle an informierten Tradern auf den Markt, denen es möglich ist, aus den schwer zu interpretierenden neuen und quasi exklusiven Daten einen Informa- tionsvorsprung zum Nachteil der ande- ren Marktteilnehmer zu generieren. HANS WEITMAYR » Die Informationsasymmetrie geht zurück, weil die private Information, die mit der Covenant- Verletzung einhergeht, im Markt verarbeitet wird. « Elisabeth Zhu, Business School University of Queensland Wann es eng werden kann Welche Kennzahlen auf Probleme beim Schuldendienst hinweisen Variable Koeffizient P-Wert Size/Größe –0,19 (0,235) Liquidität –0,24*** (0,000) Effizienz (operat. Ratio) –0,29*** (0,000) Leverage –0,02 (0,885) Nettovermögen –0,45*** (0,000) Kurs zu Buch –0,31*** (0,000) Zinsdeckung –1,19 (0,465) Schwache Liquidität und Effizienz, geringes Nettovermögen und ein niedriger K/B-Wert als Alarmzeichen . Quelle: Studie 140 N o. 2/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : MARK T VE RZ E RRUNG

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