Institutional Money, Ausgabe 2 | 2020

B ei Vergleichen zwischen der Covid-Krise und anderen de- saströsen Ereignissen wurde von Experten in den diversen Fachbereichen, sei es Politik- oder Wirt- schaftswissenschaft, Medizin oder Zeitge- schichte, zuletzt eher auf die Unterschiede als auf die Gemeinsamkeiten hingewiesen. Parallelen zur Spanischen Grippe oder der Grippe an sich zu ziehen, sei zu oberfläch- lich, die Wirtschaftskrisen rund um die Weltkriege seien viel drastischer gewesen und auch bei vermeintlichen Ähnlichkeiten, zur großen Finanzkrise wird schnell darauf hingewiesen, dass die Auslöser vollkommen unterschiedlich waren. Diese Einwände sind wahrscheinlich im Großen und Ganzen richtig, blickt man aber ins Detail, so haben diese Ausnahmesitua- tionen doch auch immer wieder sehr ähnli- che Folgen: So ist es – wie beispielsweise rund um 2008 auch tatsächlich eingetreten – nicht unwahrscheinlich, dass die Schul- denqualität insgesamt zurückgehen und der Ruf nach neuen Regulatorien und staatli- chen Eingriffen laut werden wird. Erste Vor- stöße in dieser Richtung, die im Extremfall Richtung Verstaatlichung gehen, wurden be- reits diskutiert, doch auch subtile regulatorische Eingriffe in das Marktgeschehen können unvorher- gesehene Konsequenzen nach sich ziehen. Fehlregulierungen Insofern sind die Ergebnisse der Studie „Informed Trading on Debt Covenant Violations: The Long and Short of It“, die von der Wis- senschaftsdatenbank SSRN Ende März 2020 zugänglich gemacht wurde, hochinteressant. Jennifer Gippel von der Australian National University und Elisabeth Zhu von der Business School der University of Queensland haben de facto untersucht, wie gewisse Regulatorien unter bestimmten Umständen genau das Gegenteil dessen er- reichen, was eigentlich ihr Ziel war, wie Koautorin Elizabeth Zhu erklärt: „Regulato- ren versuchen in der Regel, die Effizienz der Kapitalmärkte beispielsweise durch obligatorische Offenlegungspflichten zu steigern und für alle Marktteilnehmer mög- lichst gleiche Verhältnisse zu schaffen. Ob derartige Maßnahmen aber wirklich zur Erreichung dieses Ziels beitragen, ist nicht erwiesen.“ Manche Studien kommen zu dem Schluss, dass Regeln, die zu einer Offenle- gung möglichst vieler Informationen beitra- gen, zu einer Erhöhung der Markteffizienz beitragen, andere kommen zum umgekehr- ten Schluss – wobei die Annahme, dass mehr Information zu einem stärkeren Un- gleichgewicht zwischen informierten und herkömmlichen Marktteilnehmern führen kann, kontraintuitiv wirkt. Vorweggenommen sei, dass die beiden Autorinnen mit ihrer Arbeit genau letztere These vertreten. Zumindest trifft das unter speziellen Bedingungen zu, in deren Rah- men untersucht wurde, welche Auswirkun- gen Informationen über Verletzungen von Schuldenklauseln – auch: Covenant – auf den Wissensstand der Marktteilnehmer haben und inwieweit die Wahrscheinlichkeit von informiertem Trading (Anm: Probabi- lity of Informed Trading; PI) mit der Veröf- Eine Verschlechterung der Kreditqualität und verstärkte Regulatorien, um allfällige Marktungleichge- wichte auszuräumen: Das sind Entwicklungen, die wir aus dem Jahr 2008 kennen und die im Rahmen der Covid-Krise abermals auf die Marktteilnehmer zukommen könnten – mit möglicherweise paradoxen Folgen. Informierte Trader steigen mitunter sehr früh in den Markt ein Der Chart bildet die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von informiertem Trading (PI) ab. Die Wahrscheinlichkeit für informiertes Trading ist zu Beginn des Beobachtungszeitraums sehr hoch. Für einen lukrativen Einstieg bleibt aber noch genügend private Information übrig, um zu einer zweiten Welle an informiertem Trading zu führen. Quelle: Studie -2 % 0 % 2 % 4 % 6 % 8 % 10 % 52 48 44 40 36 32 28 24 20 16 12 8 4 0 –4 –8 –12 –16 –20 –24 –28 –32 –36 –40 –44 –48 –52 Wöchentliche Schätzung der PI-Wahrscheinlichkeit über den Beobachtungszeitraum von +/- 52 Wochen FOTO : © GMF, S A K S I T | S TOCK . ADOB E . COM » Wir haben Covenant-Verletzungen im Speziellen untersucht, weil private Informationen in diesem Segment besonders langlebig sind. « Jennifer Gippel, Australian National University Zu viel Information 136 N o. 2/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : MARK T VE RZ E RRUNG

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