Institutional Money, Ausgabe 2 | 2020

S p ätestens seit den durchaus ein- drucksvollen Erfolgen des nor- wegischen Staatsfonds wird auch in Deutschland immer wieder der Ruf nach einem Pendant für die Bun- desrepublik laut. Vergessen wird dabei gern, dass man bereits über eine Art Prototyp ver- fügt: nämlich den Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung, kurz KENFO, der Einfachheit halber oft auch nur – und vielleicht missverständlich – „Atomfonds“ genannt. Über Zweck und Ausgestaltung von Staatsfonds (SF) gibt es die unterschied- lichsten Ansichten und Herangehensweisen. Was kein Wunder ist, sind doch allein seit der Großen Finanzkrise weltweit mehr als 30 derartige Fonds neu gegründet worden. Das kann unübersichtlich werden: Manche Länder haben mehrere Fonds, manche wer- den aus Handelsüberschüssen gespeist, an- dere aus Rohstofferträgen. Die einen sollen die Funktion eines Pensionssystems ge- währleisten, die anderen das Makroumfeld stabilisieren, wieder andere – wie eben das deutsche Beispiel – verfolgen ganz andere, spezifische Interessen. Was die Vehikel aber vereint, „ist ihre natürliche Aufstellung als Langfristinvestor, der über Generationen hinweg engagiert ist. Deshalb kann man erwarten, dass die Inves- titionen der Staatsfonds eher in Richtung verantwortlicher Firmen erfolgen, deren Strategien nachhaltig ausgerichtet sind“, wie Hao Liang ausführt. Der Wirtschaftswissenschaftler, der an der Singapore Management University wirkt, hat gemeinsam mit Luc Renneboog von der Universität Tilburg für das European Corpo- rate Governance Institute (ECGI) die Arbeit „The Global Sustainability Footprint of So- vereign Wealth Funds“ verfasst, um zu über- prüfen, welchen Einfluss Staatsfonds wirk- lich auf ESG haben. Also: Investieren SF tatsächlich verstärkt in nachhaltige Unter- nehmen, und wirkt sich das Engagement dieser Investoren positiv auf die Nachhaltig- keit der investierten Unternehmen aus? Um dieser Frage nachzugehen, haben die Autoren zunächst 140 Staatsfonds identifi- Staatsfonds und ESG – das ist mitunter eine Geschichte voller Missverständnisse. Tatsächlich legt eine aktuelle Studie nahe, dass die meisten Staatsfonds bislang eher ESG-Trittbrettfahrer waren. Der norwegische Staatsfonds macht sich hingegen zum Absprung bereit. FOTO : © S E Z E ROZGE R | S TOCK . ADOB E . COM Trittbrett fahrer Mehr Investitionsziele, höheres Engagement Wie sich das Staatsfonds-Engagement weltweit von 2009 bis 2018 entwickelt hat Probe Firmen mit Prozentanteil an der Firmen mit >1 % Prozentanteil an der Durchschnittliches Jahr gesamt SF-Investment Gesamtprobe SF-Investment Gesamtprobe SF-Investment 2009 7.693 4.872 63,33 % 1.206 15,67 % 1,18 % 2010 7.693 5.238 68,08 % 1.721 22,37 % 1,52 % 2011 7.693 4.949 64,33 % 1.381 17,95 % 1,16 % 2012 7.693 5.113 66,46 % 1.526 19,83 % 1,29 % 2013 7.693 5.105 66,35 % 1.754 22,79 % 1,47 % 2014 7.693 5.413 70,36 % 2.351 30,56 % 1,65 % 2015 7.693 5.747 74,70 % 2.803 36,43 % 1,69 % 2016 7.693 6.154 79,99 % 3.338 43,39 % 1,73 % 2017 7.693 6.821 88,66 % 4.170 54,20 % 1,87 % 2018 7.693 7.209 93,70 % 4.739 61,60 % 2,06 % Auffällig ist, dass die Zahl der Firmen, in die Staatsfonds investieren, in weniger als einem Jahrzehnt um rund 50 Prozent gestiegen ist. Außerdem hat auch der Wille zugenommen, den Investmentgrad bei einzelnen Unternehmen zu erhöhen. Lag dieser kurz nach der Finanzkrise noch bei etwas mehr als einem Prozent, hat er sich bis 2018 nahezu verdoppelt. Quelle: Studie » Man sollte erwarten, dass die Investitionen eher in Richtung verantwortlicher Firmen gehen, deren Strategien nachhaltig aufgestellt sind. « Hao Liang, Singapore Management University, ECGI 100 N o. 2/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : S TAAT S FONDS & E SG

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