Institutional Money, Ausgabe 1 | 2020

D rawdown-Maße für den Wert- verlust quantifizieren Risiko, indem sie Verluste im Ver- gleich von zuvor erzielten Gewinnen pönalisieren. Sie fassen damit in einer Kennzahl wichtige Aspekte dessen, was Investoren als Risiko bezeichnen, zu- sammen. Darin enthalten sind auch psycho- logische Aspekte wie die Regret-Theorie (Theorie des Bedauerns), die zentral für die Entscheidungsfindung in finanziellen Angelegenheiten ist, wie Frydman und Camerer 2016 in „Neural Evidence of Regret and Its Implications for Investor Behavior“ festhielten. Die Regret-Theo- rie ist eine deskriptive Entscheidungs- theorie bei Unsicherheit, derzufolge Entscheidungsträger bei der Antizipa- tion des Nutzens einer Entscheidung auch die Möglichkeit eines Bedauerns ihrer Entscheidung einbeziehen (siehe Kasten „Wenn sich Emotionen zu Anlage- entscheidungen gesellen“) . Das Drawdown- Konzept als solches wurde zuerst von Fi- nanzmarktpraktikern wie Terry Young 1991 in „Calmar Ratio: A Smoother Tool“ oder auch Gibbons Burke in „A Sharper Sharpe Ratio“ 1994 propagiert. Alle Drawdown-Maße folgen zum einen der Idee, Risiken mit Verlustmöglichkeiten gleichzusetzen. Zum anderen sind sie kon- struktionsbedingt pfadabhängig, was sie von anderen Risikokennzahlen wie Standardab- weichung beziehungsweise Semivarianz, Value at Risk oder Expected Shortfall unter- scheidet. Damit ergänzen sie klassische Risi- komaße und finden weite Verbreitung im Asset Management. Branchen- und wissen- schaftsbedingt wurde ein Potpourri an Drawdown-Kennzahlen entwickelt. Dazu zählen der Maximum Drawdown (MDD), der Average Drawdown (ADD), auch Pain- Index genannt, der Conditional Drawdown (CDD), der Conditional Expected Draw- down, der Averaged Squared Drawdown (ADD²) und der End-of-Period Drawdown (eopDD). Doch wie sehr ähneln sich diese Verlustmessungskennzahlen? Führen sie samt und sonders zu den gleichen Schluss- folgerungen? Wenn es Unterschiede gibt, wie soll sich dann ein Investor verhalten? In welcher Situation soll er auf welches Maß zurückgreifen? Auf diese Fragen will die vorliegende Studie von Dr. Olaf Korn, Pro- fessor für Finanzwirtschaft an der Georg- August-Universität Göttingen, Philipp Möl- Wer glaubt, es gäbe nur eine Art, Drawdowns zu messen, irrt. Eine Studie bringt Licht ins Dunkel und beschäftigt sich mit Ähnlichkeiten und Unterschieden dieser vielfach beachteten Risikomaße. FOTO : © UN I GÖT T I NGEN, P I X E L SCHOEN | S TOCK . ADOB E . COM » Bei der Standardabweichung bleibt die Pfadabhängigkeit außen vor. « Dr. Olaf Korn, Professor für Finanzwirtschaft an der Georg-August-Universität Göttingen Was heißt hier Absturz ? Wenn sich Emotionen zu Anlageentscheidungen gesellen Die Regret-Theorie bezieht die Möglichkeit eines Bedauerns von Entscheidungen mit ein. N ach der Regret-Theorie, die auch Theorie des Bedauerns genannt wird, berücksichtigen Entscheider beim Treffen einer Entscheidung nicht nur das Ergebnis der Alternative, die sie zu wählen beabsichtigen, sondern vergleichen dieses Ergebnis auch mit den Ergebnissen, die sie unter sonst gleichen Bedingungen durch die Wahl anderer Alternativen erzie- len könnten. Es findet somit ein Vergleich der Emotionen statt, die bei anderen mög- lichen Ausgängen von Entscheidungsoptio- nen eintreten würden. Der Entscheidungs- träger empfindet nicht nur die mit der Kon- sequenz seiner getroffenen Entscheidung verbundene Zufriedenheit oder Unzufrie- denheit, sondern auch Gefühle, die aus dem Vergleich mit verpassten Konsequen- zen resultieren. Er stellt sich die Frage, was geschehen wäre, wenn er sich anders entschieden hätte. Entscheidungen sind daher als kontextsensitiv zu sehen, da der Gesamtnutzen einer Handlungsoption im- mer auch von den möglichen Konsequen- zen der anderen verfügbaren Handlungs- optionen abhängt. Beispiel Zur Verdeutlichung werden zwei Hand- lungsoptionen O1 und O2 betrachtet. Ist das Ergebnis x1s der Handlungsoption O1 in Zustand s schlechter als das Ergebnis x2s der Handlungsoption O2 – gilt also x1s < x2s –, so empfindet der Entscheidungsträger gemäß der Regret-Theorie nach Wahl von O1 Bedauern, nicht die zweite Handlungs- option O2 gewählt zu haben. Umgekehrt empfindet er im konträren Fall, wenn x1s > x2s gilt und damit das Ergebnis der ersten Handlungsoption besser ausfällt, Freude, O1 und nicht O2 gewählt zu haben. Graham Loomes und Robert Sugden ha- ben sich in „Regret Theory: An Alternative Theory of Rational Choice Under Uncertain- ty“ in „The Economic Journal 92“ von 1982 eingehend mit der Theorie des Bedauerns im Kontext dieser Form der Entscheidungs- findung bei Unsicherheit beschäftigt. 88 N o. 1/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : R I S I KOMANAGEMENT

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