Institutional Money, Ausgabe 1 | 2020

S eit der Fall des US-Filmprodu- zenten Harvey Weinstein im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht, ist beim Thema „sexuelle Belästigung“ eine neue Zeit angebrochen. Die #MeToo-Diskussion ist inzwischen auch in allen anderen Branchen angekom- men – auch in der Finanzindustrie. In der Vergangenheit wurden hier nur wenige Fälle publik, weil solche Vorkommnisse bevorzugt hausin- tern geregelt wurden. Doch in Zei- ten verschärfter Governance ist es mit der Praxis des Unter-den-Tep- pich-Kehrens vorbei. Das Thema hat nicht nur eine gesellschaftspolitische, sondern auch betriebs- und damit sogar volks- wirtschaftliche Komponenten. Im Diskurs bleiben sie – aus verständlichen Gründen – im Hintergrund, dennoch ist es unverzichtbar, auch diese Aspekte zu be- leuchten. Opfer von der sexueller Belästi- gung leiden nicht nur persönlich unter der Problematik, es ist davon auszugehen, dass auch ihre Arbeitsleistung beeinträchtigt wird. Im Fall von Fondsma- nagerinnen wären somit auch die Anleger, die in Fonds dieser Managerinnen inves- tieren, betroffen. Ob das tat- sächlich so ist, müsste sich bei Investmentfonds feststel- len lassen, denn hier sind die Leistungen der Verantwort- lichen besser messbar als in den meisten anderen Beru- fen. Letztes Jahr gingen vier Kapitalmarktforscher am Centre for Financial Re- search (CFR) in Köln daher daran, die Frage systema- tisch zu untersuchen, ob, und wenn ja, in welchem Um- fang die Produktivität von Portfoliomanagerinnen durch sexuelle Be- lästigung beeinträchtigt wird. Gjergji Cici, Associate Professor für Finanzierungslehre an der University of Kansas School of Busi- ness, Mario Hendriock und Stefan Jasper- sen, beide wissenschaftliche Mitarbeiter am Lehrstuhl für ABWL und Finanzierungsleh- re an der Universität zu Köln, sowie Profes- sor Alexander Kempf, Direktor des Semi- nars für Finanzierungslehre an der Univer- sität zu Köln und Geschäftsführer des CFR, machten sich also an die Arbeit und testeten die Annahme, dass sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz die Produktivität von Fonds- managerinnen verschlechtert. Bisher wurde sexuelle Belästigung zwar von Soziologen, Psychologen und diversen anderen medizinischen Fachrichtungen un- tersucht, dabei wurde aber auf Ursachenfor- schung und gesundheitliche Konsequenzen fokussiert. Die Produktivität sexuell Beläs- tigter ist hingegen theoretisches Neuland. Die Ausgangsthese des Autorenquartetts lautete: Belästigungsopfer können sich nicht wie unbelastete Mitarbeiter auf ihren Job konzentrieren, das sollte gemäß der Aus- tauschtheorie aus der Soziologie zu einer verminderten Produktivität führen. Diese Theorie versucht das Verhalten in sozialen Beziehungen auf der Grundlage von Beloh- nungen und Kosten, die in der Interaktion entstehen, zu verstehen. Auf diesen Fall angewendet, bedeutet sie, dass das Opfer als Antwort auf eine feindliche Umge- bung, in der sexuelle Beläs- tigung stattfindet, keine gro- ßen Anstrengungen unter- nehmen und damit auch nicht die beste Performance- leistung abliefern wird. Des Weiteren wird die Leistungs- fähigkeit jeder Person durch ihre Emotionen beeinflusst. Arbeit in einem Umfeld mit sexueller Belästigung löst bei weiblichen Angestellten ne- gative Emotionen aus. Angst #MeToo. Sexuelle Belästigung ist aufgrund des Harvey-Weinstein-Skandals ins Zentrum der Wahr- nehmung gerückt. Dabei sind Film- und Fondsgeschäft gar nicht so verschieden. Eine Studie deckt auf. FOTO : © CF R KÖL N, I R I NA | S TOCK . ADOB E . COM » Unsere Ergebnisse zeigen, dass sexuelle Belästigung die Produktivität von Fonds- managerinnen wesentlich verschlechtert. « Professor Dr. Alexander Kempf, Universität zu Köln, Geschäftsführer des CFR Belästigung als Ertragskiller Stichprobe Wesentliche Unterschiede bei von Frauen und Männern gemanagten Fonds als Basis Rein männer- Gemischt Rein frauen- gemanagt gemanagt gemanagt Anzahl der Beobachtungen 468.656 114.328 22.659 Fondsgröße (Mio. USD) 1.296 1.278 749 Expense Ratio (%/Jahr) 1,28 1,27 1,35 Portfolioumschlag (%/Jahr) 82 84 91 Fondsalter (Jahre) 14,14 14,23 14,89 Mittelflüsse (%) 0,17 0,15 0,15 Größe d. Fondsfamilie (Mio. USD) 24.083 18.277 31.632 5-Faktor-Alpha (%/Monat) -0,07 -0,09 -0,07 Von Frauen gemanagte Fonds sind im Schnitt kleiner und eher in größeren Fondsgesell- schaften anzutreffen. Keine großen Unterschiede zeigten sich bei Kosten, Portfolioumschlag, Fondsalter, Flows (Flüsse) und dem Fünf-Faktor-Alpha nach Fama/French. Untersuchungs- zeitraum: Januar 1992 bis März 2019. Quelle: Studie 82 N o. 1/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : ME -TOO

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