Institutional Money, Ausgabe 1 | 2020

selbst gehört. „Mir kommt vor, als hätten Hedgefonds jegliche Fähigkeit verloren, Risiken abzufedern“, erklärt Spitznagel und setzt nach: „Wenn sie diese Fähigkeit über- haupt je gehabt haben. Selbst wenn sie sie gehabt haben, war sie nicht besonders groß.“ Er rechnet vor, dass US-Hedgefonds seit 2008 gegenüber dem S&P 500 einen Min- derertrag von jährlich 7,9 bis 5,2 Prozent ausweisen. Ein Portfolio, das zu 75 Prozent aus Aktien und zu 25 Pro- zent aus Hedgefonds be- steht, weist eine Underper- formance von 1,9 bis 1,2 Prozent aus. All das vor Kosten. Setzt man den Zeitraum kürzer und lässt ihn mit 2010 beginnen, verschlechtert sich die Bi- lanz weiter. Radikale Strategie Das Problem aus Spitznagels Sicht: Selbst Hedgefonds, die in Krisensituationen schüt- zen sollen, machen in Stressperioden zu we- nig Gewinn, um die Kosten, die während der guten Phasen entstehen, zu kompensieren. Er schlägt deshalb einen radikalen Ansatz vor, der durch „die Zuführung von asymme- trischem Beta zum CAPM-Ansatz dem In- vestor Resultate ermöglicht, die wiederum deutlich über dem Marktdurchschnitt liegen“ (siehe Grafiken „Radikale Risiken, radikale Strategien“ und „Wenn es wirklich kritisch wird“) . Spitznagel kreiert zu diesem Zweck zunächst ein 60/40-Portfolio – 60 Prozent in den S&P 500, 40 Prozent in kurz laufende Treasuries. Das abgesicherte Portfolio hinge- gen besteht neben dem S&P 500 aus Out- of-the-money-Put-Optionen auf den S&P 500, die ein Delta aufweisen, dessen Strike ungefähr 30 bis 35 Prozent unterhalb des Spot-Preises liegt – das mit einer Restlauf- zeit von elf bis zwölf Wochen. Zu Beginn jedes Kalendermonats wird die Gewichtung der Optionen so bestimmt, dass das solcher- art gehedgte Portfolio bei einem im Lauf ei- nes Monats eintretenden Verlust von 20 Pro- zent im S&P 500 break-even ist. In seiner Testreihe lässt er das gehedgte Portfolio für den Zeitraum Januar 2004 bis Juni 2014 lau- fen und kommt zu einem beeindruckenden Risk-Return-Profil (siehe Grafik) . Demnach liegt das gegen Tail Risks abgesicherte Port- folio beim Risiko auf einer Höhe mit der 60/40-Benchmark und zeigt gegenüber dem Index auf der Risiko- wie auch auf der Er- tragsseite eine deutliche Outperformance. Danach lässt er das Portfolio einen Stress- test durchlaufen, in dem es täglich rekali- briert wird. Angenommen wird, dass die im- plizite Volatilität bei fünf- und zehnprozen- tigen Kursveränderungen unverändert bleibt. Bei einem 20-prozentigen Abschlag wer- den hingegen die impliziten Volatilitäten von fünf Black Swan Events von 1998 bis 2011 durchgerechnet. Das gehedgte Portfolio stat- tet Spitznagel mit derselben Risikotoleranz wie das 60/40-Portfolio aus. Im 20-Prozent- Szenario wird nicht nur eine Outperfor- mance gegenüber der 60/40-Benchmark erzielt, das Portfolio erwirtschaftet in den Monaten mit der jeweiligen impliziten Vola- tilität der fünf Krisenszenarien einen durch- schnittlichen Ertrag von knapp 25 Prozent. Besonders auffällig ist das Szenario „Oktober 2008“, das für ein Plus von rund 55 Prozent sorgt. Die Outperformance ergibt sich durch die Tatsache, dass die Optionen einen Teil des linken Fat Tails kompen- sierten und es so möglich wird, unter Ein- haltung des Risikobudgets den Risikoanteil der Aktien zu erhöhen, also verstärkt Aktien zuzukaufen und so von den Aufwärtsphasen stärker zu profitieren. FOTO : © GMF Die 10 aggressivsten Schwarzen Schwäne der letzten 25 Jahre Die Auswirkungen des Corona-Ausbruchs waren zu Redaktionsschluss nicht bekannt, hatten sich aber bereits in massiven markttechnischen und sozialen Verwerfungen manifestiert. Datum Ereignis Art des Ereignisses Auswirkungen Juli 1997 Finanzkrise Asien Finanz Internationale Aktienmärkte verlieren 60 % an Wert; Asiens Importvolumen geht um 38 % zurück. März 2000 Dotcom-Blase platzt Finanz Nasdaq verliert 78 % des Marktkapitals. 11. Sept. 2001 Anschlag Twin Towers Politik Tagesverluste Dow Jones 14 %, der DAX verliert in 13 Tagen 27 Prozent an Wert. Schuldtitel im Wert von 619 Milliarden US-Dollar wertlos; Marktkapital im Wert von Sept. 2008 Lehman-Pleite Finanz 10 Billionen Dollar vernichtet; Einleitung der Großen Rezession bzw. Finanzkrise. Dez. 2009 Schuldenkrise der Eurozone Finanz/Politik Milliardenschwere Rettungsprogramme werden verabschiedet; Entschuldungsprogramme, Bail-outs. 11. März 2011 Atomkatastrophe Fukushima Natur Nikkei minus 16 %; DAX minus 4 % Tagesverlust. Juni 2014 Ölschwemme Politik/Makroökonomie Libysches Öl kommt wieder auf den Markt, Öl fällt von 110 auf zeitweise unter 30 US-Dollar je Fass. Peking greift in den Yuan-Kurs ein, um eine Überhitzung zu vermeiden. 8. Aug. 2015 Schwarzer Montag Politik/Makro/Finanz Chinas Markt crasht: minus 30 % in 3 Wochen. 9. Juni 2016 Brexit/Trump Politik Heftige Währungsturbulenzen bei Euro und Pfund. Corona-Pandemie breitet sich von China ausgehend weltweit aus. Bis Redaktionsschluss brechen Mitte Feb. 2020 Corona Natur Aktienmärkte in der Spitze um 30 Prozent ein. Makro-Auswirkungen schwer abschätzbar. Quelle: Archiv » Mir kommt vor, als hätten Hedgefonds jegliche Fähigkeit verloren, Risiken abzufedern. « Mark Spitznagel, Gründer des Hedgefonds Universa Capital 78 N o. 1/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : TA I L - R I S I K EN

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