Institutional Money, Ausgabe 1 | 2020

entlasten. Stichworte in diesem Zusammen- hang sind ein verbesserter Zugang zum Kurzarbeitergeld, Überbrückungskredite seitens der staatlichen KfW-Bankengruppe und ein Konzept für Steuerstundungen. Außerdem hat Finanzminister Olaf Scholz angekündigt, dass die Regierung bereit ist, so viel Geld wie nötig in die Hand zu neh- men, falls sich die gesamtwirtschaftliche Lage deutlich verschärfen sollte. Aber besteht nicht die Gefahr, dass sich die Angebotskrise schnell in eine Vertrauenskrise verwandelt, sprich über Zweitrundeneffekte zu einer Nachfragekrise werden könnte? Felbermayr: Es ist natürlich nicht auszu- schließen, dass die Menschen irgendwann panisch werden. In diesem Fall wäre dann doch wieder die Geldpolitik gefragt, glaub- würdig gegenzusteuern und vertrauensstär- kende Maßnahmen zu beschließen, damit ein Abschwung abgedämpft werden kann. Auch dazu hat sich im Übrigen die Regie- rung geäußert und klar angekündigt, dass der Staat bereit ist, im Fall einer größeren Krise – also wenn die Angebotsproblematik tatsächlich zu einer Nachfrageproblematik werden würde –, entsprechende Konjunk- turprogramme aufzulegen. Nicht zuletzt wäre die Geldpolitik doch des- halb gefragt, weil sie dafür sorgen müsste, dass Liquidität und Geldversorgung nicht noch einmal zum Problem werden. Bedeutet das auch, dass die Hoffnung, dass es mit den Zinsen doch noch einmal nach oben ge- hen könnte, jetzt sozusagen wieder verpufft? Felbermayr: Davon gehe ich aus. Diese Hoff- nung stand ohnehin schon auf tönernen Füßen und wir haben interessante intellek- tuelle Auseinandersetzungen darüber erlebt, was denn eigentlich die langfristigen gleich- gewichteten Zinsen sind und wie stark diese von der Geldpolitik gemacht beziehungs- weise wie stark sie von anderen Größen getrieben sind, Stichwort „Savings Glut“. Abgesehen davon, dass meines Erachtens beides seine Richtigkeit hat, müssen wir uns darauf einstellen, dass die Zinsen niedrig bleiben werden, und dass das ein Parameter ist, mit dem wir noch für die nächsten Jahr- zehnte werden rechnen müssen. Es wird temporäre Schwankungen geben, in der Hochkonjunktur werden die Zinsen ein we- nig höher sein, in krisenhaften Situationen werden wir wieder unter dem langfristigen Niveau liegen. Das gehört künftig sozusa- gen zum Geschäft. Aber Zinsen, die über ein Niveau von nominal zwei oder drei Pro- zent hinausgehen und real überhaupt positiv sind, werden eher die Ausnahme sein. Das ist für die Marktteilnehmer schwierig, aber bringt das nicht auch Probleme für Ihre Zunft, die Ökonomen? Machen niedri- ge oder negative Zinsen nicht Ihre Modelle kaputt? Felbermayr: Kaputt ist das richtige Wort. Das weiß jeder, der einmal versucht hat, den Gegenwert eines Cashflows bei einem Zins- satz von null zu berechnen. Wenn Sie ver- suchen, durch null zu dividieren, sagt Ihnen jedes Programm, dass das nicht geht. Und wenn Sie stattdessen mit einem sehr kleinen Zinssatz operieren, werden die Gegenwarts- werte sehr groß oder gehen schnell gegen unendlich – und vor allem im Wesentlichen unabhängig von der Größe der Cashflows. Ob Sie jetzt eins durch fast null dividieren, oder 1.000 durch fast null dividieren, es kommt immer etwas Gigantisches dabei heraus. Mit Nullzinsen oder gar Negativ- zinsen können wir einfach nicht rechnen. Wir danken für das Gespräch. HANS HEUSER » Wenn Sie versuchen, durch null zu dividieren, sagt Ihnen jedes Programm, dass das nicht geht. « Prof. Gabriel Felbermayr, Institut für Weltwirtschaft A L L E F OTO S : © B E N J AM I N B RO L E T 50 N o. 1/2020 | www.institutional-money.com THEOR I E & PRA X I S : PROF. GABR I E L FE LBERMAYR | I FW

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