Institutional Money, Ausgabe 1 | 2020

Waren nicht zum Hafen bringen konnte, dann sorgt dieses kleine, aber fehlende Teil unter Umständen dafür, dass in Europa, Japan oder Südkorea die Produktion still- steht. Eine Tatsache, die in unserer arbeitsteiligen Gesellschaft bisher so gut wie keine Rolle gespielt hat, inzwischen aber schon … Felbermayr: … und in dieser Größenordnung sogar zum ersten Mal. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass China als Her- steller und Zulieferer so stark an Bedeutung gewonnen hat. Zu Zeiten der SARS-Epide- mie in den Jahren 2002 und 2003 hatte Chi- na einen Anteil von ungefähr vier Prozent am globalen Bruttoinlandsprodukt. Heute sind es 16 Prozent. Daher kann man sagen, dass mit Corona eine der SARS-Epidemie ähnliche Entwicklung, die ihren Ausgang ebenfalls in China genommen hat, wirt- schaftlich betrachtet heute eine viermal so große Bedeutung entfaltet. Hinzu kommt, dass natürlich auch in der Zeit von 2002 bis heute die Entwicklung oder der Ausbau von Wertschöpfungsketten noch einmal er- heblich an Intensität zugenommen haben. China ist nicht nur deutlich gewachsen, sei- ne Wirtschaft ist auch erheblich vernetzter. Einen kleinen Vorgeschmack darauf, was es bedeutet, wenn ganze Wertschöpfungsketten unterbrochen werden, haben wir im Zu- sammenhang mit dem Tsunami im japa- nischen Fukushima bekommen, obwohl Japan natürlich im Vergleich zu China eine relativ kleine Volkswirtschaft ist … … und damit doch auch als Zulieferer nicht so bedeutend für den Rest der Welt? Felbermayr: Das ist schon richtig, aber man konnte dort feststellen – und dazu gibt es eine Reihe von wissenschaftlichen Aufsät- zen –, was ein solches Ereignis für Wert- schöpfungsketten und Lieferverbindungen bedeutet. Wenn wir das nun skalieren oder mit einem Faktor sieben oder acht multipli- zieren, dann gibt uns das eine näherungs- weise Vorstellung davon, was wir jetzt zu erwarten haben. Wovon gehen Sie denn aus? Wird es am Ende nur eine Delle und eine anschließende V-förmige Entwicklung sein, von der zwischenzeitlich viele ausgegangen sind? Felbermayr: Hoffentlich beides. Wenn Men- schen heute in China, vielleicht auch bald in Europa, nicht in die Produktionsbetriebe gehen können, dann fällt die Produktion aus. Jede Woche, in der nicht produziert » Zinsen, die über ein Niveau von nominal zwei oder drei Prozent hin- ausgehen, werden eher die Ausnahme sein. « Prof. Gabriel Felbermayr, Institut für Weltwirtschaft Zielstrebiger Macher Prof. Gabriel Felbermayr ist seit seit März 2019 Präsident des Instituts für Weltwirtschaft. Gleich- zeitig hat er eine Professur für Volkswirtschafts- lehre, insbesondere Wirtschaftspolitik, an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel inne. Felbermayr wurde im Juni 1976 im oberösterrei- chischen Steyr geboren. Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Linz ging er nach Florenz, um dort zu promovieren. Von 2004 bis 2005 war er Asso- ciate Consultant bei McKinsey & Co. in Wien. Von 2005 bis 2008 war er Assis- tant Professor an der Universität Tübingen. In den Jahren 2009 bis 2010 hatte er einen Lehrstuhl für Internationale Wirt- schaft an der Universität Hohenheim inne. Von 2010 bis 2019 leitete er das ifo Zentrum für internationale Wirtschaft an der Universität München, wo er auch als ordentlicher Professor für Internationale Wirtschaft tätig war. Felbermayr ist zudem Mitglied des Wissenschaft- lichen Beirats des Bundes- ministeriums für Wirtschaft und Energie und Mither- ausgeber des „European Economic Review“. A L L E F OTO S : © B E N J AM I N B RO L E T 46 N o. 1/2020 | www.institutional-money.com THEOR I E & PRA X I S : PROF. GABR I E L FE LBERMAYR | I FW

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