Institutional Money, Ausgabe 1 | 2020

Prof. Gabriel Felbermayr: „Nichr nur die Wissenschaft, auch die Politik und die Unternehmen haben eine Weile gebraucht, um zu verstehen, dass sich das weltwirtschaftliche System bereits im Jahr 2010 merklich geändert hat.“ S eit März 2019 ist Gabriel Felber- mayr Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. Gleich- zeitig hat er eine Professur für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirt- schaftspolitik, an der Christian-Albrechts- Universität zu Kiel inne. Der in Oberöster- reich geborene Ökonom gilt als einer der führenden Experten in allen Facetten des Themas Handelspolitik und ist ein angese- hener wissenschaftlicher Berater der Politik, nicht nur in Deutschland und Österreich, auch in den EU-Institutionen ist Felbermayrs Rat gesucht. Mit ihm hat das bis zu seinem Antritt etwas verstaubt wirkende Kieler Wissenschaftsinstitut deutlich an Aufmerk- samkeit gewonnen. Nicht umsonst gehörte Felbermayr gemeinsam mit so renommierten Wissenschaftskollegen wie Clemens Fuest, Michael Hüther, Peter Bofinger, Sebastian Dullien, Jens Südekum und Beatrice Weder di Mauro jüngst einer Gruppe ausgesuchter Ökonomen an, die sich in einem 15-seitigen Papier zu den möglichen Auswirkungen und Konsequenzen der Corona-Krise ge- äußert haben. Anfang April wird Felber- mayr zudem bei der vom ifo-Institut in München organisierten Präsentation der Gemeinschaftsdiagnose dabei sein, besser bekannt als das Frühjahrsgutachten der fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, das zweimal im Jahr eine Orientierung für die Projektionen der Bundesregierung liefert. Felbermayr ist davon überzeugt, dass die Wirtschaft nicht nur in Deutschland im ersten Halbjahr „mit Sicherheit“, sondern womöglich auch im Gesamtjahr in die Rezession rutschen wird. Wir haben den Ökonomen in Brüssel zum Gespräch getroffen. Herr Prof. Felbermayr, in Vorträgen und Interviews haben Sie schon mehrfach den Begriff der Deglobalisierung ins Spiel gebracht. Was genau steckt dahinter, und worauf müssen sich Gesellschaft und Marktteilnehmer einstellen? Gabriel Felbermayr: Nicht nur die Wissen- schaft, auch die Politik und die Unterneh- men haben eine Weile gebraucht, um zu verstehen, dass sich das weltwirtschaftliche System bereits im Jahr 2010 merklich ge- ändert hat. Man kann in diesem Zusammen- hang von einem Systemknick oder einem Regime Shift sprechen, von dem man an- fangs nicht genau sagen konnte, ob dahinter nun ein nachhaltiger Trend steht oder ob es eine eher zufällige Entwicklung ist. Solche Veränderungen in der Wirtschaft lassen sich eben oft erst mit einer gewissen Verzöge- rung feststellen. Inzwischen haben wir die Der österreichische Ökonom Gabriel Felbermayr gilt als besonders zielstrebig und ehrgeizig. Kein Wunder, dass das Kieler Institut für Weltwirtschaft, das er als dessen Präsident leitet, seit seinem Amtsantritt deutlich an Renommee gewonnen hat. A L L E F OTO S : © B E N J AM I N B RO L E T S g » AN REZESSION FÜH 40 N o. 1/2020 | www.institutional-money.com THEOR I E & PRA X I S : PROF. GABR I E L FE LBERMAYR | I FW

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