Institutional Money, Ausgabe 1 | 2020

BR I E F DER HERAUSGEBER 4 N o. 1/2020 | www.institutional-money.com J ede Sache hat ihren Preis. Manchmal weiß man zwar nicht, wann dieser fällig sein wird, vermeiden kann man ihn aber nicht. Es besteht wenig Zweifel daran, dass es den Notenbanken und der von ihnen ausgelösten Liqui- ditätsschwemme zu verdanken ist, dass Finanz- und Eurokrise in der letzten Dekade unter Kontrolle gebracht beziehungsweise noch größere Verwerfungen vermieden wurden. Die damit verbundenen Nebeneffekte lassen sich allerdings auch nicht wegdiskutieren. Das billige Geld verleitete die ganze Welt dazu, mehr Schul- den zu machen. Das mag in vielen Fällen kein Problem sein. Wenn die Solvenz der Kreditnehmer in Ordnung ist, kann der höhere Fremdkapi- taleinsatz eine gute Strategie sein. Deutlich schwieriger ist die Situation in „Grenzfäl- len“, also bei all jenen Schuldnern, deren Rating nah an einer kritischen Schwelle liegt. Hier können gesamt- wirtschaftliche Irritationen Erdrutsche auslösen. Der Report der OECD kam nur wenige Tage vor der Eskalation der Virus-Pandemie heraus und löste – gemessen am Inhalt – nur geringes Medienecho aus. Sein Titel lautet: Corporate Bond Market Trends, Emerging Risks and Monetary Policy , ist Teil der OECD-Capital-Market-Serie und wurde von Serdar Çelik, Gul Demirtaş und Mats Isaksson verfasst. Darin heißt es: „Seit 2008 liegt das jährliche Emissionsvolumen von Unternehmensanleihen bei durchschnittlich 1,8 Billionen US-Dollar. Das ist doppelt so viel wie in den Jahren 2000 bis 2007. Unterstützt durch ein Nied- rigzinsumfeld hat es die Mechanik des Kreditratingsystems den Unternehmen ermöglicht, ihre Leverage Ratios zu erhöhen und dennoch ein BBB-Rating beizubehalten, das inzwischen die Kate- gorie der Investment-Grade-Ratingagenturen dominiert. In den letzten drei Jahren machten BBB-geratete Anleihen 52 Prozent aller neu emittierten Investment-Grade-Anleihen aus. Da BBB auch das niedrigste Rating in der Investment-Grade-Kategorie ist, hat die Bedeutung der Demarkationslinie zwischen Investment- und Non-Investment-Grade-Anleihen zunehmend an Bedeutung gewonnen. Aufgrund des Tiefzinsumfelds wurde es den Unterneh- men ermöglicht, ihre Verschuldungsquote hochzufahren, ohne ihr BBB-Rating zu gefährden. Daran, dass die Zinspolitik der Verursacher dieser Entwicklung ist, besteht für die OECD-Ökonomen kein Zweifel. Sie betonen in diesem Zusammenhang, dass der Schuldenstand von Unternehmen im Vorjahr um weitere 2100 Milliarden ausgeweitet wurde, nach- dem die Notenbanken auf ihren Expansionskurs zurückgekehrt sind. Im Jahr davon, also 2018, hatte die Erwartung steigender Zin- sen bewirkt, dass das Gesamtvolumen der neuen Unternehmens- schulden geringer ausfiel. In Summe erreichte das globale Volu- men der Unternehmensschulden von Nichtbanken zuletzt einen Rekordwert von etwa 13,5 Billionen US-Dollar, wobei sich die durchschnittliche Kreditqualität, gemessen an den Entwicklungen in früheren Kreditzyklen, verschlechtert hat, während Laufzeiten länger und Gläubigerschutzklauseln schwächer wurden. Das sind nach Einschätzung der OECD-Analysten geeignete Verstärker ne- gativer Entwicklungen infolge eines globalen wirtschaftlichen Ab- schwungs. Dass ein solcher Abschwung nun vor uns liegt, erschien Mitte März mehr als wahrscheinlich. Der S&P 500 BBB Invest- ment Grade Corporate Bond Index büßte in den ersten zwölf Märztagen 5,4 Prozent an Wert ein; das ist zwar unerfreulich, aber noch keine Katastrophe. Als engagierter Investor stellt sich den- noch die Frage, ob man hier reagieren muss, denn wenn sich die Entwicklung fort- setzt, droht auch nach Ein- schätzung der OECD-Exper- ten ein Liquiditätsproblem. Sie meinen, dass ein Abrut- schen von Anleihen von In- vestment Grade in Non-In- vestment Grade die Liquidität in letzterem Segment auf die Probe stellen wird. Viele An- leger dürften zu verkaufen gezwungen sein, um ihre Kapitalanforderungen und ra- tingbasierten Anlagemandate zu erfüllen. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe war es noch nicht so weit, die Wahrscheinlichkeit für eine solche Entwicklung nimmt aber täglich zu. Investoren, die sich für diesen Fall noch keine Strategie überlegt haben, tun gut daran, das zu tun. Wir bedauern sehr, dass der Institutional Money Kongress 2020 aufgrund der außerordentlichen Umstände nicht wie geplant stattfinden konnte. Und natürlich hoffen wir, dass die Corona-Krise rasch unter Kontrolle gebracht werden kann und schon bald Geschichte ist. BBBöse Schulden Gerhard Führing Mamdouh El-Morsi Gerhard Führing Mamdouh El-Morsi

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